Frage an Thomas Silberhorn von Dieter R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Silberhorn,
der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Beschäftigtendatenschutz sieht einen dramatischen Abbau des Datenschutzes am Arbeitsplatz vor. So kann Videoüberwachung am Arbeitsplatz gegenwärtig nur bei konkretem Verdacht gegen bestimmte Personen als letztes Mittel zulässig sein. Nach dem geplanten „Beschäftigtendatenschutzgesetz“ könnte jeder Arbeitsplatz hingegen permanent und ohne jeden Anlass videoüberwacht werden. Zudem würde der anlass- und verdachtslose Abgleich von Beschäftigtendaten, um etwaige Pflichtverletzungen aufzuspüren, erstmals legalisiert werden („Screening“). Dies würde großflächige, verdachtsunabhängige Datenabgleiche über alle Beschäftigten zulassen. Derzeit ist ein solches Stochern im Nebel ohne jeglichen Verdachtsmoment verboten.
„Im Ergebnis würden die vorgesehenen Änderungen in zentralen Bereichen des Arbeitslebens eine Verschlechterung des Datenschutzes für die Beschäftigten zur Folge haben“, warnen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Die Gewerkschaften laufen schon seit Monaten Sturm gegen das Vorhaben.
„Formulierungsvorschlägen“ des Bundesinnenministeriums vom 07.09.2011 zufolge ist überdies die Abschaffung des Fernmeldegeheimnisses für Privatgespräche am Arbeitsplatz, die Legalisierung eines permanenten Mithörens dienstlicher Telefongespräche und Mitlesens dienstlicher E-Mails, die Zulassung einer permanenten Videoüberwachung von Beschäftigten „zur Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen“ sowie ein Vorrang von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge selbst vor dem geringen gesetzlichen Schutzniveau geplant.
Nutzt mein Arbeitgeber diese Spielräume, werde ich am Arbeitsplatz künftig ständig kontrolliert werden, etwa durch permanente Videoüberwachung und regelmäßige Aufzeichnung, Mitschnitte oder Mithören meiner Telefonate und E-Mails.
Als betroffener Bürger Ihres Wahlkreises bitte ich Sie um Mitteilung, ob Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen werden.
Mit freundlichem Gruß
Raithel
Sehr geehrter Herr Raithel,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14. November 2011. Der Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz geht mitunter weit über das durch die bisherige Rechtsprechung gewachsene Schutzniveau hinaus. So soll die verdeckte Videoüberwachung anders als bisher zukünftig ausdrücklich verboten sein. Die offene Videoüberwachung soll nur dann zugelassen werden, wenn wichtige betriebliche Gründe dies erfordern; zudem muss darauf deutlich hingewiesen werden. Insofern teile ich die von Ihnen geäußerten Bedenken nicht.
Zum sogenannten Screening ist zu bedenken, dass ein anonymisierter oder pseudonymisierter Abgleich von personenbezogenen Daten von Mitarbeitern nur möglich sein soll, um Straftaten oder schwerwiegende Pflichtverletzungen im Unternehmen aufzuklären. Erst wenn sich Verdachtsmomente aufgrund des Screenings ergeben, darf eine Personalisierung der untersuchten Daten vorgenommen werden.
Die angedachte Regelung zur privaten Nutzung von Internet und Telefon am Arbeitsplatz stellt lediglich eine Auflistung der verschiedenen Möglichkeiten dar, die bereits jetzt in vielen Unternehmen aufgrund entsprechender Betriebsvereinbarungen genutzt werden. Dort, wo ein Unternehmen die private Nutzung von Internet und Telefon am Arbeitsplatz nicht zulässt, kann bereits nach geltendem Recht eine Kontrolle der Gespräche und beispielsweise der aufgerufenen Internetseiten vorgenommen werden.
Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, so dass sich noch Veränderungen an den von Ihnen genannten Punkten ergeben können. Die bisher vorgeschlagenen Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes bieten den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jedoch mehr Rechtssicherheit und -klarheit.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Silberhorn