Frage an Thomas Sattelberger von Anna S. bezüglich Digitale Agenda
Sehr geehrter Herr Sattelberger,
Ein Hauptanliegen der FDP ist die Digitalisierung, die verstärkte Nutzung und der Ausbau digitaler Infrastruktur in allen Bereichen des Lebens. Gleichzeitig ist aber ein wohl noch größeres Anliegen der FDP die Freiheit des Marktes, zu der entscheidend beiträgt, dass Monopole vermieden und Wettbewerb ermöglicht werden.
Die aktuelle Situation ist doch die, dass einzelne, insbesondere US-amerikanische, Unternehmen die verschiedenen Branchen der digitalen Welt letztlich für sich in Anspruch genommen haben. Konkurrenz wird strukturell unterbunden, beispielsweise durch das Aufkaufen potentiell vielversprechender Mitbewerber, etwa durch Facebook. Die Dominanz dieser Unternehmen ist ein noch größeres Problem, bedenkt man, wie viel manipulatives Potential soziale Plattformen bieten oder wie wichtig eine vor Angriffen geschützte Infrastruktur ist.
Wie stehen Sie zu diesem Widerspruch und was unternehmen Sie, um ihm entgegenzuwirken? Wie lässt sich Digitalisierung in Einklang bringen mit den Werten unserer Demokratie und einem freien Markt?
Auf das Thema aufmerksam gemacht hat mich ein Artikel der Süddeutschen Zeitung (Nr. 160, Dienstag, 14. Juli 2020, S. 9), in dem das Grundsatzpapier „European Public Sphere – Gestaltung der Digitalen Souveränität Europas“ (www.acatech.de/european-public-sphere) vorgestellt und diskutiert wird. Mich würde auch interessieren, wie Sie zu den in diesem Grundsatzpapier vorgetragenen Forderungen stehen.
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
A. S.
Liebe Frau S.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Sie stellen die Freiheit von Markt und Wettbewerb dem Ausbau digitaler Infrastruktur gewissermaßen gegenüber.
Ich bin der Meinung, dass es sich hierbei um zwei Seiten einer Medaille handelt. Nur wenn wir die digitale Infrastruktur ausbauen, werden wir auch eigene Geschäftsmodelle (Gaia-X zum Beispiel) offensiv entwickeln können, die Deutschland und Europa Wettbewerbschanchen gegenüber den USA und Asien ermöglichen.
Zugleich müssen wir Wege finden, den feindlichen Aufkauf innovativer europäischer Start-ups zu unterbinden. Solche Käufe haben oft einzig das destruktive Ziel, junge Unternehmen aus dem Wettbewerb zu kegeln. Hier ist die EU-Kommission gefragt.
Deutschland hat hier leider jahrelang geschlafen, so dass die digitale Plattform-Ökonomie heute mit großem Abstand von den USA und Asien dominiert wird. Dies muss uns eine Lehre und Herausforderung sein. Wir müssen jetzt alles tun, vor allem im B2B-Geschäft, um Deutschland als digitalen Mitspieler aufzubauen. Das heißt: Massive Förderung von Gründung und Wachstum innovativer Unternehmen.
Bedauerlicherweise müssen wir nüchtern feststellen: Werteorientierung und Ethik sind nur bedingt geeignete Mittel gegen wirtschaftliche Macht. Auch im Kampf für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte hilft Engagement für mehr Innovation, Gründungen und Technologie-Führerschaft oft weit mehr als mancher fromme Spruch.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Sattelberger