Sind Sie auch der Meinung, dass wir zukünftig dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben sollten?
Sehr geehrter Herr Heidemann,
Glauben Sie auch, dass tatsächlich die Gefahr besteht, dass Rußland einen Nato-Staat angreifen könnte?
Im Verhältnis zu Rußland geben die Nato-Staaten bereits heute schon das Zwölfache für Rüstung aus.
Ohne die Vereinigten Staaten als Nato-Bündnispartner lägen die Verteidigungsausgaben im Verhältnis zu Rußland nach Expertenmeinung immer noch bei 2:1.
Glauben Sie nicht, dass bei den derzeit vor uns liegenden Aufgaben dieses Geld besser dafür einzusetzen wäre die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunftperspektive unseres Landes wieder zu verbessern ?
Sie kandidieren für eine Partei, die in großen Teilen aus der Friedensbewegung hervorgegangen ist. Wie vereinbaren Sie die zunehmende Konzentration der Grünen auf militärische Belange mit Ihrem Gewissen?
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Fragen, die zentrale sicherheits- und wirtschaftspolitische Herausforderungen betreffen.
1. Verteidigungsausgaben von 3,5 % des BIP
Die aktuelle Diskussion über eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben resultiert aus einer veränderten sicherheitspolitischen Lage. Angesichts der völkerrechtswidrigen russischen Aggression gegen die Ukraine müssen wir die Wehrhaftigkeit Europas und Deutschlands stärken. Die Nato hat sich zum Ziel gesetzt, dass alle Mitgliedstaaten mindestens 2 % ihres BIP für Verteidigung ausgeben. Eine weitere Erhöhung auf 3,5 % ist derzeit nicht offiziell beschlossen. Dennoch gilt: Sicherheit ist die Grundlage für wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität.
2. Bedrohung durch Russland
Die wiederholten Drohungen Russlands gegenüber Nato-Staaten und die massive Aufrüstung sowie Militarisierung des Landes lassen es nicht zu, ein Angriffsszenario völlig auszuschließen. Der Kreml hat wiederholt seine imperiale Expansionspolitik offen formuliert. Daher ist Abschreckung entscheidend, um Frieden in Europa zu bewahren.
3. Nato-Verteidigungsausgaben im Vergleich zu Russland
Es stimmt, dass die Nato-Staaten insgesamt höhere Militärausgaben haben. Allerdings muss man die Qualität der Streitkräfte und die Kriegswirtschaft in Russland berücksichtigen. Russland investiert einen sehr hohen Anteil seines BIP in das Militär und hat durch seine Autokratie und Kriegswirtschaft eine hohe Einsatzfähigkeit. Zudem ist es wichtig, dass Europa seine eigene Verteidigungsfähigkeit ausbaut, um nicht allein von den USA abhängig zu sein.
4. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Prioritäten
Sicherheit und Wohlstand sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne eine stabile Sicherheitslage kann keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung stattfinden. Die Investitionen in die Bundeswehr und die europäische Verteidigung sollen langfristig auch wirtschaftliche Stabilität sichern, indem sie Bedrohungen und Unsicherheiten minimieren. Parallel müssen wir weiterhin in Bildung, Infrastruktur und soziale Sicherheit investieren.
5. Die Grünen und die Friedensbewegung
Die Grünen haben ihre Wurzeln auch in der Friedensbewegung, aber sie stehen heute für eine realistische Sicherheitspolitik. Frieden lässt sich nicht allein durch Abrüstung erreichen, wenn autoritäre Staaten aggressiv auftreten. Gerade wer Frieden will, muss die Mittel haben, ihn zu verteidigen. Diplomatie bleibt zentral, aber sie braucht Rückhalt durch glaubwürdige Verteidigungsfähigkeit.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen damit beantworten konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Heidemann