Portrait von Thomas Feist
Thomas Feist
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Thomas Feist zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Michael K. •

Frage an Thomas Feist von Michael K. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Dr. Feist,

mich befremdet ihre Poition zum Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche, eingetragene Lebenspartnerschaften.

Inwiefern sind denn bitte männliche und weibliche Vorbilder innerhalb einer Familie besonders für das Wohlergehen von Kindern relevant? Welche Daten legen Sie als Begründung dar? Meines Wissens gibt es lediglich Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften keine Nachteile für die Entwicklung von Kindern haben - um mal aus dem Fazit einer Studie des Bundesministeriums der Justiz zu zitieren:

"Aus Sicht der Expert(inn)en ergeben sich bei Fragen der Partnerschaft, des Zusammenlebens oder den Eltern-Kind-Beziehungen keine grundlegenden Unterschiede zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Familien, wohl aber in der erhöhten Bemühtheit und Fürsorglichkeit der gleichgeschlechtlichen Eltern [...}"
( http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Forschungsbericht_Die_Lebenssituation_von_Kindern_in_gleichgeschlechtlichen_Lebenspartnerschaften.pdf?__blob=publicationFile )

Desweiteren muss man sich angesichts Ihrer Position ja fragen, ob es Ihnen im Zweifel lieber wäre, dass es in zerrütteten Ehen mit Kindern zwischen Mann und Frau keine Scheidungen mit Alleinerziehungsrecht gäbe, selbst wenn einer der Elternteile einen erkennbar schlechten Einfluss als Bezugsp. auf seine Kinder hat (häusliche Gewalt, Alkoholismus, Kriminalität usw.)? Denn darauf liefe ja Ihre Position, dass für das Wohl von Kindern die Verschiedengeschlechtlichkeit der Bezugspersonen entscheidend wäre, hinaus.

Zu guter Letzt sei noch auf ihre Maxime des Wohles der Kinder bei Adoptionen eingegangen: selbige Studie des BMJ kommt zu dem Ergebnis, dass Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen, im Mittel höhere Bildungsabschlüsse erreichen und wirtschaftlich besser gestellt sind als der dt. Durchschnitt. Inwiefern geht es also nicht adoptierten Kindern besser als von gleichgeschl. Paaren adoptierten?

Portrait von Thomas Feist
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kerber,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare. Dass Sie meine Position befremdlich finden, ist für mich absolut in Ordnung. Eine Demokratie lebt von unterschiedlichen Meinungen und dem Austausch von Argumenten.

Gerne möchte ich auf Ihre Fragen eingehen und Ihnen meine Position näher bringen. Zunächst möchte ich wiederholt ausdrücklich betonen, dass ich vor jeder Form des Zusammenlebens und vor jeder Familienkonstellation Respekt habe. Jedem Menschen soll es möglich sein, so zu leben, wie er oder sie es möchte und für richtig hält. Gerade in Zeiten abnehmender Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit ist es gut, dass sich zwei Menschen für eine verbindliche Art des Miteinanders entscheiden. Ich glaube sehr wohl, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartner gute Eltern sein können. Deshalb befürworte ich die Umsetzung der Forderung des Bundesverfassungsgerichtes zur sukzessiven Adoption.

Zu meiner politischen Grundüberzeugung, die sich auf meine Erziehung, Sozialisation und religiöse Überzeugungen stützt, gehört es jedoch, dass ein Kind sowohl Vater als auch Mutter als Bezugspersonen braucht und dass es sehr wohl Unterschiede zwischen einer mütterlichen und einer väterlichen Erziehung gibt. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass ich für die Fortführung einer zerrüttenten Ehe oder gegen eine Scheidungen bin, wie Sie andeuten. Wenn ein Elternteil einen negativen Einfluss auf das Kind hat, muss selbstverständlich reagiert werden. Allerdings ist dies meines Erachtens nicht mit einer Adoption vergleichbar.

Sie haben mich ja nach Daten und Fakten gefragt, die meine Meinung stützen.

Zunächst zu männlichen und weiblichen Vorbildern. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Eltern in den ersten Lebensjahren der Kinder für die Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität eine bedeutende Rolle spielen. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Artikel „Männer in Kitas – welche Bedeutung hat das Geschlecht pädagogischer Fachkräfte?“ von Tim Rohrmann/Michael Cremers/Jens Krabel, zu finden unter http://www.koordination-maennerinkitas.de/uploads/media/CremersKrabelRohrmARCHIV-2-2010_02.pdf . Die Autoren gehen der Frage nach, „warum Männer für Jungen und Mädchen denn nun eigentlich wichtig sein sollen".

Tim Rohrmann gibt in seinem Buch „Gender in Kindertageseinrichtungen“ einen ausführlichen Überblick über den aktuellen Forschungsstand ( http://www.dji.de/bibs/Tim_Rohrmann_Gender_in_Kindertageseinrichtungen.pdf ). Er hält unter anderem fest, „dass die Umwelt, insbesondere die Eltern, kleinen Kindern etliche Reize bereit stellt, die Welt als „vergeschlechtlichte Realität“ wahrzunehmen und sich entsprechend zu verhalten, noch bevor sie selbst erkennen, dass sie ein Mädchen oder ein Junge sind. Obwohl Uneinigkeit darüber besteht, wie groß der Einfluss der Eltern im Rahmen der geschlechtstypischen Sozialisation ist, besteht weitgehend Übereinstimmung darin, dass Eltern und insbesondere Väter geschlechtstypisches Verhalten eher bestärken“(Seite 20).

Anderseits ist es tatsächlich so, dass es kaum verwertbare Studien über die Lebenswirklichkeit von adoptierten Kindern in den verschiedenen Familienkonstellation gibt. Oft scheitern die Studien an wissenschaftlich basierten Messmethoden.

Dies betont Prof. Gärditz vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Uni Bonn in einer Stellungnahme für den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2011 und räumt gerade deshalb dem Gesetzgeber im Adoptionsrecht einen weiten Spielraum ein ( http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/11_LebenspartnerschaftsG/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_G__rditz.pdf ):
„Eine sachliche Rechtfertigung der Schlechterstellung Eingetragener Lebenspartner stellt die verbleibende Unsicherheit im Hinblick auf nachteilige psychosoziale Auswirkungen auf das Kind dar, die sich möglicherweise aus der Gleichgeschlechtlichkeit der Elternschaft ergeben könnten. Auch wenn jüngst vereinzelt durchgeführte Studien darauf hindeuten mögen, dass für das Wohlergehen der Kinder nicht die geschlechtliche Familienstruktur, sondern die Qualität der innerfamiliären Beziehungen entscheidend sei, bleibt die wissenschaftlich aufbereitete empirische Basis hinsichtlich der möglichen psychosozialen Auswirkungen einer Kindeserziehung durch homosexuelle Paare bislang dünn.[...]. Entscheidend ist aus verfassungsrechtlicher Sicht indes allein, wer befugt ist, unter empirischer Ungewissheit zu entscheiden. […] Der hieraus erwachsende Spielraum des Gesetzgebers ist vorliegend zusätzlich dadurch erweitert, dass es nicht um einen Eingriff in Grundrechte der adoptionswilligen Lebenspartner geht (es gibt keinen grundrechtlichen Anspruch auf Adoption Dritter), sondern um eine staatliche Leistung, die einfachgesetzlich geschaffene und von der gesetzlichen Ausgestaltung abhängige Institution der Adoption zu öffnen. Hingegen ist die Adoption gerade als Eingriff in Grundrechte des Kindes (und ggf. des leiblichen Elternteils) rechtfertigungsbedürftig. Dem Gesetzgeber steht es insoweit frei, im Interesse des Kindeswohls auf den Gedanken der Vorsorge zu rekurrieren und auf eine Erstreckung des Adoptionsrechts zu verzichten. Namentlich obliegt es dem Parlament, das bisher vorliegende empirische Material aus eigener Kompetenz zu würdigen.“

Prof. Gärditz bestärkt mich auch in meiner Argumentation, da er eine soziale Stigmatisierung fürchtet:
„Die Frage, ob eine Adoption dem Kindeswohl dient oder nicht, hängt auch davon ab, welche nachteiligen Auswirkungen vom sozialen Umfeld des Kindes ausgehen können, sprich: ob es durch die gleichgeschlechtliche Elternschaft voraussichtlich eine soziale Stigmatisierung erfährt, zu deren Unterbindung das staatliche Recht nicht bzw. nur unzureichend geeignet ist. Ein nicht unwesentlicher Teil des gesellschaftlichen Umfeldes wird absehbar mit Vorurteilen, Ausgrenzung und Benachteiligung reagieren, denen die Kinder weitgehend schutzlos ausgeliefert sind. Dies gilt zumal im Kontakt mit anderen Kindern, die aus Unreife oder auf Grund von Erziehungsdefiziten die gleichgeschlechtliche Elternschaft z. B. des Klassenkameraden zum Gegenstand erniedrigender Behandlung („Hänseleien“ etc.) machen. Hinsichtlich der Vermeidung möglicher Stigmatisierung muss der Gesetzgeber im Interesse des Kindeswohls auf die Gesellschaft abstellen, wie sie tatsächlich ist, nicht wie sie sein sollte.
[…] Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine Adoption durch staatlichen Hoheitsakt ergeht […] was eine Mitverantwortung des Staates begründet. [...] Denn mit der Ausdehnung des gemeinsamen Adoptionsrechts geht auch eine gesetzliche Verfestigung und Förderung der jeweiligen Form des sozialen Zusammenlebens einher. In diesem Fall muss sich der Staat kraft eigener Verantwortungsübernahme auch die systemischen gesellschaftlichen Risiken von Stigmatisierungen mit zurechnen lassen. Es stellt vor diesem Hintergrund eine legitime gesetzliche Entscheidung dar, die gesetzlichen Adoptionsvoraussetzungen typisierend am gesellschaftlichen Normalfall auszurichten, weil dieser dem Kindeswohl abstrakt am ehesten zu dienen geeignet ist. Denn das Grundgesetz geht davon aus, dass die gemeinsame Erziehung eines minderjährigen Kindes durch Vater und Mutter dem Kindeswohl am besten dient. Dies ist eine normative Entscheidung, die aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 sowie Abs. 5 GG abzuleiten ist und folglich weder auf sozialwissenschaftliche Empirie angewiesen noch durch diese zu erschüttern ist.“

Diese Position stützt Rolf Bach von der gemeinsamen Zentralen Adoptionsststelle ( http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/11_LebenspartnerschaftsG/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Bach.pdf ):
„Adoptivkinder sind sowohl aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer von der gesellschaftlichen Norm abweichenden Familienform diskreditierbar als auch aufgrund der Erfahrung, bereits einmal nicht gewollt gewesen zu sein. Das Risiko einer weiteren strukturellen Diskreditierbarkeit sollte deswegen soweit möglich vermieden werden. Bei Adoptionsbewerbungen von LebenspartnerInnen müssen diese möglichen zusätzlichen Belastungen berücksichtigt werden.“

Methodische Kritik an der von Ihnen angesprochen Studie erhebt Notker Klann ( http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/11_LebenspartnerschaftsG/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Klann.pdf ):
„Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Kinder, die zur Adoption freigegeben werden häufig schon deshalb Beeinträchtigungen aufweisen, weil sie nicht in ihrer Herkunftsfamilie heranwachsen können. Daher wird für die Kinder ein Umfeld gesucht, das nicht in seiner Besonderheit eine zusätzliche Herausforderung oder gar Belastung für sie darstellt. Insoweit geht es nicht nur um das Vermeiden von Fehlern und falschen Entwicklungen, sondern um die Beschreibung der Bedingungen, wie das Kindeswohl unter diesen spezifischen Voraussetzungen gefördert werden kann bzw. welches die Grundlagen dafür sind. Die vorliegenden Ergebnisse der zitierten Studie sind im Hinblick auf diese Anforderungen nicht in dem Umfang belastbar, wie sie für eine so weitreichende und dem Wohl des Kindes entsprechende Entscheidung sein sollten.“

Notker Klann regt deshalb an: „Zur weiteren Abklärung der Voraussetzungen und der prozessorientierten Begleitung für Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften sind weitere Studien in unserem Lebensraum notwendig. Dies hat auch der Beirat des zugrunde liegenden Forschungsprojektes angeregt. Hierzu gehören Querschnitt- (Stichprobenuntersuchungen) und Langzeitstudien, die Entwicklungsverläufe erfassen und auswerten können.“

Diesen Forderungen kann ich mich nur anschließen. Solange es keine wissenschaftlich basierten und bestätigten Ergebnisse gibt, kann und muss ich mich auf meine Überzeugungen verlassen. Eine Adoption ist ein massiver Einschnitt für ein Kind. In dieser für seine Entwicklung äußerst sensiblen Situation sollte der Gesetzgeber dafür sorgen, dass das Kind eine optimale Familienkonstellation vorfindet. Diese ist meines Erachtens eine mit Mutter und Vater.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Feist