Frage an Thilo Hoppe von Andreas T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Moin Herr Hoppe,
der Bundestag beschäftigt sich mit dem Thema Beschneidung. Nach geltender Gesetzgebung haben Kinder das Recht auf gewaltfreie Erziehung (§1631 Abs.2 BGB). Es soll jetzt der Versuch unternommen werden ein Gesetz zu erlassen das es Eltern ermöglicht straffrei ihre Kinder zu verstümmeln. In der Disskussion wird sich gern auf die Relegionsfreiheit berufen, Kinder werden aber ohne Religion geboren. Kein Mensch kommt als Christ, Jude, Moslem oder Mitglied irgendeiner anderen Religion auf die Welt. Die Religionszugehörigkeit wird Kindern erst durch ihre Eltern aufgedrängt. Das Menschenrecht auf Körperliche Unversehrtheit aber hat jeder Mensch von Geburt an. Die Regeln von Religionsgemeinschaften gelten nur für die Menschen die sich diesen Regeln unterwerfen und diese Regeln können nicht gegen geltendes Recht ausgespielt werden. Schließlich sind Staat und Religion getrennt und Religiöse Ansichten haben in der Rechtssprechung nichts zu suchen, sonst müsste das Recht, die Gestzgebung ja auf jede Religion und derne ausgedachte Regeln Rücksicht nehmen. Welchen Standpunkt werden Sie bei dieser Debatte einnehmen?
Andreas Thiele
Sehr geehrter Herr Thiele,
ich hielt damals beide dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegten Gesetzentwürfe bezgl. der Beschneidung von Jungen für ungeeignet, dem komplexen Thema und den darin innewohnenden Zielkonflikten gerecht zu werden.
Meiner Meinung nach wäre eine Art Moratorium besser gewesen, um mehr Zeit zu haben, um mit allen Beteiligten eine Vorgehensweise zu suchen, die das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf freie Religionsausübung besser ausbalanciert.
Die Zirkumzision ist kein "kleiner Eingriff". Sie verursacht bei Nichtbetäubung erhebliche Schmerzen und führt zum unwiderruflichen Verlust eines zwar kleinen Teils des Körpers, der jedoch mit zu den erogensten Zonen zählt.
Andererseits kann einer Jahrtausende alten Tradition, die für zwei Weltreligionen (Judentum und Islam) identitätsstiftend ist, nicht mit Mitteln des Strafrechts begegnet werden. Ein gesetzliches Verbot der Beschneidung von Jungen vor dem 14. Lebensjahr würden viele jüdische und muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger als diskriminierend und Angriff auf ihr Recht auf Religionsausübung auffassen. Außerdem wäre zu befürchten, dass Beschneidungen dann im Ausland oder unter bedenklichen Bedingungen im Verborgenen stattfinden.
Ich habe deshalb den einen Gesetzentwurf, der ein Beschneidungsverbot für unter 14jaehrige Jungen vorsieht, abgelehnt.
Der andere Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorgelegt hatte, versuchte zwar, aufgrund der Verunsicherung, die durch das "Kölner Urteil" ausgelöst wurde, Rechtssicherheit herzustellen. Er barg aber die Gefahr, dass hinterfragungswürdige Praktiken der Beschneidung als staatlich akzeptiert festgeschrieben werden.
Da die Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf, die eine Tolerierung der Beschneidung an die Einhaltung weiterer Bedingungen knüpfen und eine Überprüfung des Gesetzes nach einer gewissen Frist einfordern wollten und damit die Vorläufigkeit dieser Regelung betonten, nicht angenommen wurden, habe ich auch diesem Gesetzentwurf nicht zugestimmt sondern mich der Stimme enthalten.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Hoppe