Frage an Thilo Hoppe von Gunther Z. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Hoppe,
in der Energiesicherung lehnen die "Grünen" vehement die weitere Atomenergienutzung ab. Es ist dies wohl keine Umweltfrage, sondern eher Gefährdung der Bevölkerung und der Behandlung der Entsorgung.
So sehe ich Ihre Haltung.
Entsorgung ist das besondere, eher nationale Problem.
Fakt ist jedoch, dass all unsere Grenznachbarn, insgesamt weiterhin die Atommeiler betreiben werden und wohl noch weitere dazu bauen. Sind die Möglichkeiten sicherer Entsorgung abgebrannter Uranreste, bei den Nachbarn besser einzuschätzen als bei uns?- Wohl kaum.
Was soll denn dann die Verweigerungshaltung der Grünen?
Hoffen sie die Welt oder zumindest Nachbarn der nächsten paar 1000 km Entfernung davon zu überzeugen gleichfalls die Atomkraftnutzung aufzugeben?
Wir haben es doch bei Tschernobyl bereits erlebt - für einen Reaktorunfall mit seinen Auswirkungen sind 1000 km gar nichts.
Also, es kann doch nicht heißen: bitte, wir nicht - sondern nur: alle anderen auch!
Das ist eine Utopie! - Also, verstehe ich die Einstellung der "Grünen" zur Atomkraft überhaupt nicht.
Hier wird m.E.der Bevölkerung vorgegaukelt: Wählt die Grünen, die schaffen die Atomenergienutzung ab. Ja, hierzulande - und was bringt das?
Ich bin 79 und war E-Ing.- Strom nur aus Wind, Sonne und etwas Wasserkraft hierzulande zu erzeugen und zu verwenden ist im Wettbewerb nicht bezahlbar, zu risikoreich in der Versorgung, und wird uns im Lebensstandard noch schneller zurück fallen lassen, als es die Auswirkungen unsachgemäßer, überbordender Immigration ohnehin in den nächsten Jahrzehnten bringen werden.
Vordringlich ist die Entsorgung der bisher aufgelaufenen Uran-Brennstabs-Reste.
Diese Frage des "warum" in diesem Zusammenhang an Sie stelle ich, weil mir aus den Programmen der Grünen keine schlüssige Beantwortung bisher bekannt ist.
Wohlbemerkt: Ich bin nicht unbedingt ein Atomkraft-Freund. Aber, wo ist die Alternative, wenn sie nicht weltweit insgesamt angegangen wird?
M f G
Gunther H.F. Ziesemer
Sehr geehrter Herr Ziesemer,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Es ist richtig, dass die Grünen Atomenergie ablehnen. Ich bin überzeugt, dass diese Form der Energieerzeugung weder unsere drängenden Klimaprobleme lösen wird, noch für Energiesicherheit oder günstigen Strom sorgen wird. Darüber hinaus ist, wie Sie völlig richtig schreiben, die Entsorgung des mehrere Hunderttausend Jahre strahlenden Atommülls weiterhin ein vollkommen ungelöstes Problem. Der Atommüll stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar - nicht nur heute, sondern auch noch für viele Generationen nach uns. Diese Last unseren Kindern und deren Nachkommen aufzubürden, ist unverantwortlich. Daher lehne ich die weitere Nutzung der Kernenergie entschieden ab.
Gerade die jetzt von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sorgt dafür, dass zusätzlich mehrere tausend Tonnen Atommüll entstehen, deren Endlagerung völlig ungeklärt ist. Deswegen bin ich entschieden dagegen, die gefährliche Atomtechnologie weiterlaufen zu lassen. Sie haben ja recht, dass auch die Grünen derzeit nicht wissen, wie man den strahlenden Müll sicher entsorgt, genau deswegen lehne ich es auch ab, weiteren Atommüll zu produzieren – alles andere wäre schlichtweg unverantwortlich.
Deutschland wird Verantwortung übernehmen müssen und den hier produzierten Atommüll auch in Deutschland aufbewahren. Es ist keinem Land zuzumuten, dass es unsere atomaren Altlasten aufnimmt. Daher sprechen wir Grünen uns für eine wirklich ergebnisoffene Endlagersuche aus, die einen geeigneten Standort nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelt. Dabei muss auf politisch motivierte Suchkriterien - wie zuvor bei Gorleben - verzichtet werden. Dass diese Suche Widerstände der in der Region betroffenen Menschen hervorrufen wird, ist mir bewusst. Gerade deswegen ist die breite Beteiligung der Bevölkerung in diesem Erkundungsprozess notwendig. Auch wenn die Grünen nicht für die atomaren Fehlentscheidungen der Vergangenheit verantwortlich sind, so ist es doch auch unsere Pflicht, in dieser Frage eine Lösung zu finden.
Dass die meisten deutschen Atomkraftwerke auch nur ungenügend gegen Terroranschläge oder Flugzeugabstürze gesichert sind, ist ein weiteres Argument gegen Atomkraft. Von der Gefahr der Verbreitung von entwendetem Atommaterial ganz zu schweigen.
Nur weil manche unserer europäischen Nachbarstaaten Atomenergie nutzen, ist dies für mich noch lange kein Argument dafür, eine falsche Entscheidung anderer mitzutragen. Auch in diesen Ländern gibt es keine geeigneten Endlager. Das Beispiel Österreich zeigt jedoch, dass auch unsere Nachbarn erfolgreich den Ausstieg aus der Atomkraft geschafft haben. In Österreich wurde der vollständige Ausstieg aus der Atomenergie bereits vor Jahren vorgenommen – ohne negative Auswirkungen auf Energiesicherheit oder Strompreise. Österreich ist auch heute ein sehr wohlhabendes Land mit deutlich geringerer Arbeitslosigkeit als Deutschland.
Zu Ihrer Sorge steigender Strompreise bei einem Umstieg von Atomkraft auf Erneuerbar Energien möchte ich Ihnen folgende Antwort geben. Die Atomkraft ist der in Deutschland am stärksten subventionierte Energieträger. Seit Einführung wurden nach einer Studie des Forums öko-soziale Marktwirtschaft etwa 164 Milliarden Euro Steuergelder in die Subventionierung der Atomenergie gesteckt. Weitere Milliarden werden folgen. Daher ist Atomkraft nur für die Konzerne billig, nicht für die Menschen in diesem Land. Wenn alle Kosten der Atomstromerzeugung berücksichtigt würden, müsste eine Kilowattstunde Atomstrom ein Vielfaches des heutigen Preises kosten. Dagegen sind Erneuerbare Energien günstig, Strom aus Wind- und Wasserkraft ist bereits heute ohne Subventionierung wettbewerbsfähig, Solarstrom wird durch den technologischen Fortschritt immer günstiger. Dazu kommt, dass keine Entsorgungsprobleme entstehen.
Die Grünen haben ein fundiertes Energiekonzept vorgelegt, dass detailliert beschreibt, wie der Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien in den nächsten Jahren funktionieren kann. Das komplette Konzept finden Sie unter: http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/352/352663.energie_2050_sicher_erneuerbar.pdf
Sie schreiben, dass der Umstieg auf Erneuerbare Energien nicht finanzierbar sei und zu großer Unsicherheit führen würde. Es stimmt, dass dieser Umstieg ambitioniert ist und nicht ohne Veränderungen möglich sein wird. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit dem nötigen politischen und persönlichen Willen diese Anstrengung schaffen können. Wenn wir diesen Wandel nicht wagen, werden die Kosten für den Klimawandel und die Atommüllfrage ein Vielfaches der Umstiegskosten betragen. Das möchte ich nicht verantworten.
Noch ein letzter Satz zu ihrer Sorge, dass wir von überbordender Immigration gefährdet werden. Tatsache ist, dass derzeit in Deutschland mehr Menschen auswandern als einwandern. Im letzten Jahr haben mehr Türken Deutschland verlassen als zu uns gekommen sind. Dass es Integrationsprobleme gibt, ist unbestritten. Aber nur mit einem integrativen, nicht ausgrenzenden Ansatz werden wir die Probleme lösen können. Gerade wir Grüne haben in diesem Bereich viel erreicht in den letzten Jahren.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Hoppe, MdB