Wie wollen Sie erreichen, dass der Lehrerberuf zukünftig attraktiver wird?
Sehr geehrte Frau Bauer,
Nachdem Herr Kretschmann seinen Vorstoß für eingeschränkte Teilzeitmöglichkeiten bei Lehrkräften zurückzog und Frau Schopper es nun bei einem Appell belassen möchte, freiwillig seltener in Teilzeit zu arbeiten, frage ich mich, ob dies der Anfang davon ist, den Lehrerberuf wieder attraktiver zu gestalten. Laut einem Bericht des SWR gehen 81% der Schulen davon aus, dass der Lehrermangel weiter zunehmen wird. Was möchten Sie konkret tun um dem entgegenzuwirken? Wird es, wie in den Ämtern und Ministerien elektronische Endgeräte für Lehrer geben, deren Sicherheit zentral gewartet wird? Können Sie sich eine Vorschrift vorstellen, die bei Unterschreitung eines gewissen Deputats freie Tage garantiert? Wie können Stundenplanungen besser an Familien mit Kindern angepasst werden? Soll der Personalrat mehr Mitspracherecht erhalten z.B. bei der Planung des Stundenplans? Wie kann generell die Arbeitsbelastung reduziert werden?
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Nachricht an Frau Bauer, auf die ich Ihnen gerne stellvertretend antworte.
Sie weisen zurecht darauf hin, dass der Lehrkräftemangel eine der großen Herausforderungen für ein gutes Bildungssystem ist. Auch in Heidelberg ist er bereits deutlich spürbar, obwohl im Vergleich zu ländlichen Regionen der Standort noch relativ begünstigt ist. Der Lehrkräftemangel tritt bundesweit auf und wird durch viele Faktoren getrieben. Darunter sind demografische Faktoren, Zuwanderungsgeschehen, veränderte Bildungsbiografien und verändertes Erwerbsverhalten, bei dem sich auch der allgemeine Fachkräftemangel auswirkt. Einige Bundesländer sind noch stärker betroffen als Baden-Württemberg, aber auch hier ist die Situation insgesamt angespannt.
Um mehr junge Menschen für den Eintritt in den Schuldienst zu gewinnen, hat die Landesregierung das Studienplatzangebot in den letzten Jahren massiv ausgebaut: im Lehramt Grundschule von 970 auf 1672 Studienplätze, im Lehramt Sekundarstufe I von 1030 auf 1427 Studienplätze und im Lehramt Sonderpädagogik von 320 auf 520 Plätze – zum Wintersemester kommen hier weitere 175 Studienplätze an der PH Freiburg hinzu.
Die zusätzlichen Studienplätze wirken sich aber erst mittelfristig im Verlaufe der Jahre auf die Unterrichtsversorgung in Baden-Württemberg aus, wenn die Absolventinnen und Absolventen in den Schulen ankommen. Deshalb ist es richtig, auf den akuten Mangel auch gegenwärtig zu reagieren, mit Maßnahmen die schnell greifen und die gleichzeitig unter Qualitätsgesichtpunkten vertretbar sind. Alle prinzipiell zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen sind aber mit Schwierigkeiten verbunden, die sorgfältig abzuwägen sind: Besonders problematisch wären zum Beispiel eine Erhöhung von Klassengrößen oder eine Reduktion des zur Verfügung stehenden Unterrichtsangebots. Die Gewinnung zusätzlicher Personalressourcen hat von daher Priorität bei dem vom Kultusministerium vorgelegten Maßnahmenpaket, das insgesamt 18 Elemente umfasst, um die Unterrichtsversorgung zu verbessern und kurzfristig zusätzliche Kapazitäten von rund 500 Lehrerstellen zu schaffen. Das Maßnahmenpaket adressiert mehrere Handlungsfelder: Gewinnung von Lehrkräften, Einsatz von Bestandslehrkräften, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, sowie Entlastung und Unterstützung.
Eine der 18 Maßnahmen ist - anders als in Ihrer Frage angenommen - die Einschränkung der Teilzeitmöglichkeiten ohne besondere Begründung für Lehrkräfte. Genauer gesagt wird die im Verwaltungsjargon so bezeichnete „voraussetzungslose Teilzeit“ ab dem Schuljahr 2024/2025 nur noch mit einem Umfang von mindestens 75 Prozent ermöglicht werden. Gegenwärtig arbeiten rund 56.000 Lehrkräfte in Baden-Württemberg in Teilzeit, 14.000 davon in einer „voraussetzungslosen Teilzeit“ und wiederum 4.000 davon mit einem Umfang von unter 70%. Ich möchte aber unterstreichen, dass für die Neuregelung wichtige Einschränkungen gelten: Erstens ist nur die „voraussetzungslose Teilzeit“ betroffen. Das heißt: Lehrkräften, die sich um eigene Kinder kümmern oder Angehörige pflegen und deshalb in Teilzeit arbeiten, stehen alle Möglichkeiten zur Reduktion ihres Stundenvolumens weiter zur Verfügung. Zweitens bleibt die „voraussetzungslose Teilzeit“ bis zu einem Umfang von 75 Prozent auch künftig möglich.
Das Maßnahmenpaket beinhaltet aber explizit auch Maßnahmen zur Entlastung und Unterstützung. So wird die Leitungszeit für Schulleitungen – um die ihre Unterrichtsverpflichtung zur Wahrnehmung von Leitungsaufgaben reduziert wird – erhöht. Zudem werden die Schulen beim Ganztag entlastet: u.a. durch zusätzliche Anrechnungsstunden für die Organisation der Zusammenarbeit mit externen Partnern wie Musikvereinen und Jugendkunstschulen.
Außerdem werden Maßnahmen ergriffen, um kurzfristig zusätzliche Lehr- und Unterstützungskräfte zu gewinnen. So wird der Direkteinstieg für Personen mit einem nicht-lehramtsbezogenen Studienabschluss auf die Grundschulen und die Sekundarstufe I ausgeweitet, der Einstellungszeitpunkt für die Lehrkräfte wird vorverlegt und für Bedarfsfächer wie Physik oder Informatik wird das Angebot zur Weiterqualifizierung von Lehrkräften mit anderen Fächerkombinationen ausgebaut. Bereits auf den Weg gebracht wurden die Verdopplung der Stellenzahl für pädagogische Assistentinnen und Assistenten, die Schaffung von 250 zusätzlichen FSJ-Plätzen mit pädagogischem Schwerpunkt und die Einführung eines Direktkontigents für so genannte „Handschlagslehrkräfte“ in der Sekundarstufe I.
Das Kultusministerium hat die Maßnahmen des Paketes sorgfältig abgewogen. Insbesondere die Maßnahmen, mit denen die vorhandenen Kräfte stärker herangezogen werden sollen, sind dabei nicht leicht gefallen, weil sie für die betroffenen Lehrkräfte eine zusätzliche Belastung bedeuten. Das vorgelegte Maßnahmenpaket soll in schwierigen Zeiten – in denen es keine ausschließlich guten Lösungen gibt – helfen, den Unterricht an den Schulen zu sichern und so unseren Kindern ganz konkret und schnell zugutekommen.
Zudem ist es erforderlich, die Attraktivität des Lehramtsstudiums zu erhöhen. Daher unterstützt Frau Bauer die Idee eines dualen Lehramtsstudiums. Ministerin Schopper hat angekündigt, dass ein duales Masterstudium bereits zeitnah als Modellversuch gestartet werden soll. Mittelfristig soll auch ein duales Bachelorstudium ermöglicht werden. Hierdurch erhofft man sich eine engere Verzahnung von Praxis und Theorie, eine höhere Attraktivität durch eine Entlohnung während des Studiums und dadurch auch eine Verbreiterung der für ein Lehramtsstudium angesprochenen Zielgruppen.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Lukas Weber (Persönlicher Mitarbeiter Theresia Bauer, MdL)