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Theresa Schopper
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Frage von Lisa H. •

Frage an Theresa Schopper von Lisa H. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Schopper,

in Ihrer Antwort vom 05.04.2012 an F. J. verlinken Sie auf diesen Artikel Ihrer Website: http://www.theresaschopper.de/gesundheitspolitik/nichtraucherschutz.html

1.
Warum führen Sie diese „DAK-Studie“ als Erfolg für die Bestrebungen des totalen Rauchverbotes in Bayern an, obwohl dieses erst im August 2010 in Kraft trat und sich die Daten dieser Studie nur auf die Jahre 2004 bis 2008 beziehen?

2.
Wie erklären Sie sich den Widerspruch, dass im DAK-Gesundheitsbericht 2012 diese Studie nicht bestätigt wird, sondern dass vielmehr die Herzinfarktraten bereits VOR Einführung von Rauchverboten gesunken sind und im Jahr 2010, also mit Einführung des totalen Rauchverbotes, die Behandlungsfälle „Herzinfarkt“ sogar drastisch gestiegen sind?
http://www.presse.dak.de/ps.nsf/Show/6E88C38D87E76D22C125799D00478C87/$File/120214_DAK_Gesundheitsreport_2012_10.2.12_DAK.pdf

3.
Sehen Sie einen Interessenskonflikt darin, wenn einer der Autoren der "DAK-Studie" zugleich ein Rauchstopp-Programm leitet, das wiederum von der DAK finanziert wird?

4.
Würden Sie mir bitte erklären, warum bzw. wie Sie anhand der DAK-Forsa-Umfrage Rückschlüsse ziehen bzw. sie mit den Erkenntnissen aus Bayern vergleichen können?

Ist es hier nicht notwendig, die bisher erste und einzige repräsentative Umfrage des Institutes MIFM (Münchner Institut für Marktforschung), heranzuziehen, um die Auswirkungen des totalen Rauchverbots, speziell in der Kleingastronomie, in Bayern beurteilen zu können? Diese war am meisten betroffen, da in der Speisegastro bereits vor dem Volksentscheid ein Rauchverbot herrschte.

30% der Gäste bleiben weg, 2/3 beklagen Umsatzrückgänge um knapp 30%, 1/3 der betroffenen Gastronomen mussten bereits Entlassungen/Arbeitszeitverkürzungen vornehmen, hohe Unzufriedenheit bei den Gästen.
http://www.freiheit-toleranz.de/news.php?m=single&id=183

Für eine zeitnahe Antwort bedanke ich mich im Voraus.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Hanninger,

vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit und am Nichtraucherschutz in Bayern.
Wie die Studie der DAK-Gesundheit offenlegt, gingen nach der sukzessiven Einführung der Nichtraucherschutzgesetze in den Bundesländern zwischen August 2007 und Juli 2008 die stationären Behandlungen infolge einer Angina pectoris um 13 Prozent, aufgrund eines Herzinfarktes um acht Prozent zurück. Hierzu sei erwähnt, dass alle Bundesländer zwischen August 2007 und Juli 2008 Nichtraucherschutzgesetze implementiert haben. Die DAK-Gesundheit hat eine Vorher-Nachher-Studie über den Zeitraum 1.Januar 2004 bis einschließlich 31. Dezember 2008 für eine Kohorte von 3.700.384 Personen im Alter von 30 Jahren und älter durchgeführt. Es zeigte sich: je strikter die Gesetze, desto deutlicher der Rückgang der Herzerkrankungen. Dies wird unter anderem im Ländervergleich mit USA oder Schottland deutlich. Ich führte diese Studie in meiner Pressemitteilung an, da eine ähnliche Entwicklung für Bayern zu erwarten ist, da es über das strengste Nichtraucherschutzgesetz Deutschlands verfügt. Wie auch von der DAK empfohlen, kann „Bayern […] hier mit seinem konsequenten Nichtraucherschutz als Blaupause für andere Bundesländer dienen“.
Der Rückgang der Herzinfarkthäufigkeit bis 2007/2009 wird im DAK-Gesundheitsbericht 2012 auf verbesserte Behandlungsmöglichkeiten der koronaren Herzkrankheiten und Veränderungen auf Seiten der (beeinflussbaren) Risikofaktoren zurückgeführt. Die Nummer eins dieser Risikofaktoren ist das Zigarettenrauchen. Es ist wissenschaftlich unumstritten, dass bereits geringer Konsum und das vor allem für Frauen gefährliche Passivrauchen die Entstehung von Verhärtungen der Blutgefäßwände beziehungsweise Durchblutungsstörungen im Herz befördert. Wie im DAK Bericht dargelegt, wurden die Diagnosedaten der Krankenhäuser für DAK-Versicherte ausgewertet. Festgestellt wurde, dass zwischen 2005 und 2009 pro 100.000 Versichertenjahren um die 105 Fälle pro Jahr auftraten. Von 2009 auf 2010 kam es zu einem Anstieg der Behandlungsfälle um ca. zehn Prozent, was die Wissenschaftler an mehreren Faktoren festmachen: so vermuten sie, dass dieser Sonderfall sich um eine Sonderentwicklung bei DAK-Versicherten handelt, die bei anderen Versicherten nicht festgestellt werde könnten. Auch wird angenommen, dass die Mitgliederverluste der DAK sich auf die Zusammensetzung der DAK-Mitgliederschaft im Sinne durchschnittlich höherer Erkrankungsrisiken ausgewirkt haben. De facto bedeutet dies, dass die Wissenschaftler eher von einem statistischen Effekt und nicht einem drastischen Anstieg von Herzinfarkt-Behandlungsfällen ausgehen.
Das Programm „Rauchstopp“ der DAK verfügt über ein gutes Konzept. Es hilft den Versicherten, individuell den richtigen Zeitpunkt und die richtige Methode zum Aufhören zu finden und begleitet den gesamten Prozess, beispielsweise durch ermunternde SMS und Emails. Vor dem wissenschaftlichen Hintergrund der Autoren ist es kaum verwunderlich, dass sie sich teilweise auch in anderen Aufgabenfeldern für Nichtraucherschutz und für die Suchthilfe einsetzen - wissen diese doch genau, wie schädlich Rauchen ist und welche Konsequenzen es nach sich zieht.
Die von Ihnen abschließend angeführte Studie des MIFM befragte selektiv 600 Betriebe von 27.000 in Bayern und wurde von Nichtraucherschutz-Gegnern initiiert. Der springende Punkt hierbei ist aber nicht der Auftraggeber, sondern die Wissenschaftlichkeit der Daten. Im Gegensatz hierzu legte der Verband Pro Rauchfrei, Deutschlands größter Nichtraucherverband und Mitinitiator des Volksentscheids in Bayern (und daher mit Sicherheit auch subjektiv) eine eigene, quantitative Studie mit Erhebungszeitraum zwischen Januar und April 2011 vor. Diese wurde aber auf Grundlage von statistischen Daten der Landesämter, also objektiver, nicht beeinflussbarer Datensätze durchgeführt. Die Ergebnisse sprechen ebenfalls für sich: Die Getränkegastronomie in Bayern konnte im genannten Zeitraum ein Umsatzplus von 0,4% verbuchen, in Nordrhein-Westfalen, wo Rauchen in der Gastronomie erlaubt ist, wurde ein Umsatzminus von 2,5% ermittelt. In der Speisegastronomie wuchs der Umsatz in Bayern stärker als in NRW (+3% statt +2,2%). Und wie sich in der DAK-Forsa Umfrage zeigte befürworten 82% der Befragten die Nichtraucherschutzgesetze, sogar 68% der Raucher. 25% der Befragten gaben an, seit Einführung der Nichtraucherschutzgesetze öfters in Cafés und Restaurants zu gehen.
Trotz dieser überaus positiven Zahlen stehen für mich persönlich und für uns Grüne aber nach wie vor die Gesundheit der Menschen, und daher der Schutz der NichtraucherInnen im Vordergrund.

Mit freundlichen Grüßen,

Theresa Schopper