Frage an Sylvia Löhrmann von Lyonel F. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Liebe Frau Löhrmann,
Ich als Schüler (Gymnasium) und Mitglied des Bildungsstreik Bielefelds habe lange nachgeforscht, was für Gründe bzw. Argumente es für die Schulumstellung G8 gab/gibt.
Nachdem ich auf des Seite ihres Ministeriums herzlich wenig zu dieser Thematik gefunden habe, bis auf ein Arbeitsgespräch am 8.10.2010 zur !Optimierung! von G8.
Vorschläge waren, dass die Hausaufgaben zu Schulaufgaben werden sollten es mehr Nachmittagsuntericht bzw. Samstagsuntericht geben soll.
Sie werden mit dem Satz zitiert:"Mit Entlastungen die Akzeptanz für das G8 erhöhen"
Das Hauptargument für G8 scheint die Anpassung an europäische Standarts zu sein .(Altersmäßig)
In einem vom Bildungsministerium beantragten Gutachten vom IQB kommt der Satz vor, dass es eine gleichbleibende Jahreswochenstundenzahl geben würde:"[...]Stoff-Neuverteilung von neun auf dann acht Jahre (bei einer gleichbleibenden Jahreswochenstundenzahl von 265 bzw. 260)“
Zu finden ist dies auf ( http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulrecht/RuL/IQB_Stn-NRW_G8-SekI.pdf ) Seite 7 2.1 Zweiter Absatz.
Dies entspricht aber jedenfalls nicht der Wahrheit, da die G8 Schüler zwangsweise eine höhere Stundenzahl haben müssen als die G9 Schüler.
Im gleichen Gutachten wird auch der Grund aufgeführt: schlechte Ergebnisse der Deutschen im internationalen Vergleich.
Doch stellt sich mir da die Frage, wie eine Verkürzung der Schulzeit und eine Wegkürzung von Unterrichtsinhalten da helfen soll.
Ich glaube aber auch, dass ihr Ministerium doch sicher stichhaltigere Argumente hat, die auch mich vielleicht überzeugen können.
Ich wäre also sehr erfreut, wenn sie oder einer ihrer Mitarbeiter_innen mir stichhaltige Themenbezogene Argumente für G8 geben kann bzw. eine Stellungsnahme zu G8 (vielleicht seid ihr ja dagegen? ,(die ich nicht gefunden habe, aber die kann ja existieren.))
mit herzlichen Grüßen
Lyonel Frey Schaaber
Ihre Antwort wird in einer Rede vorkommen geben sie sich mühe. :)
Lieber Lyonel Frey-Schaaber,
vielen Dank für die Rückmeldung und die Fragen. Ich möchte betonen, dass es bei dieser Plattform (Abgeordnetenwatch) um Antworten auf allgemeine politische Fragen geht und nicht um Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes NRW.
Hier also einige Anmerkungen zu den angesprochenen Punkten:
In den meisten europäischen Ländern ist es seit langem selbstverständlich, dass die Schülerinnen und Schüler dort kürzere Schullaufbahnen haben als hierzulande. Mittlerweile ist die Schulzeitverkürzung in allen Bundesländern eingeführt worden. Bei der Schulzeitverkürzung in Nordrhein-Westfalen geht es unter anderem auch darum, unsere Schülerinnen und Schüler im internationalen und nationalen Wettbewerb nicht zurückstehen zu lassen.
Darüber hinaus ist die Vorstellung, in der Schule könne bis zum Eintritt in Studium und Beruf all das an Wissen vermittelt werden, was man später braucht, in Zeiten eines rasanten Wissenszuwachses nicht mehr umsetzbar. Im Mittelpunkt des verkürzten Bildungsganges am Gymnasium steht daher eine Schul- und Lernkultur, die unter anderem auf die Vermittlung von Fähigkeiten zu lebenslangem Lernen abzielt. Genau hier setzen die kompetenzorientierten und auf den verkürzten Bildungsgang abgestimmten Kernlehrpläne an. Diese sind grundlegend überarbeitet und in ihrer Stofffülle an den verkürzten Bildungsgang angepasst worden, sodass genügend Freiräume für praktische Arbeiten oder auch für Ausflüge zur Verfügung stehen sollten.
Laut einer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz der Länder sind zur Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife bestimmte Vorgaben einzuhalten. Das betrifft auch die Gesamtzahl von 265 Wochenstunden. Durch diese bindende Vorgabe ließ sich im Zuge der Umstellung auf G8 eine Ausweitung des Nachmittagsunterrichts nicht vermeiden. Die Schulen haben die Möglichkeit, durch die Nutzung einer Kontingentstundentafel und der sogenannten Ergänzungsstunden die Stundenverteilung in der Sekundarstufe I flexibel zu gestalten. Auf diese Weise kann der Nachmittagsunterricht auf das notwendige Maß reduziert werden.
Selbstverständlich soll auch außerhalb der Schule Zeit zur Persönlichkeitsentfaltung, für das Familienleben und zur Freizeitgestaltung zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund sind die rechtlichen Vorgaben für die Sekundarstufe I so gefasst worden, dass eine übermäßige zeitliche Inanspruchnahme der Kinder weitestgehend vermieden werden soll. So ist zum Beispiel das Hausaufgabenpensum unter Berücksichtigung des Alters reguliert. An Tagen mit Nachmittagsunterricht dürfen in der Sekundarstufe I keine Hausaufgaben für den Folgetag erteilt werden.
Darüber hinaus habe ich als Ministerin viele offene und konstruktive Gespräche mit Elternvertretern, Schulleitungen und Lehrerinnen und Lehrern geführt, bei denen es um Optimierungsmöglichkeiten der Schulzeitverkürzung in der Sekundarstufe I ging. Dabei wurden sieben Handlungsfelder identifiziert, die vordringlich mit den Beteiligten in den Schulen angegangen werden sollten. Nähere Informationen hierzu finden sich im Bildungsportal unter der angegebenen Link (dort findet sich auch eine Darstellung der Diskussion um das Thema):
http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulpolitik/HerausforderungG8.pdf#Rede
Aufgrund dieser Initiative haben in den Gymnasien pädagogische Konferenzen stattgefunden mit dem Ziel, Maßnahmen zur Entlastung von Schülerinnen und Schülern zu ergreifen. Landesweit wurden Schulleiterdienstbesprechungen und Fortbildungstage an den Gymnasien durchgeführt, im Rahmen derer speziell das Thema Hausaufgaben aufgegriffen wurde. Vielfach wurde die Hausaufgabenthematik zum Ausgangspunkt für weitere Veränderungen in den Schulen, bei denen die zeitliche Entlastung der Schülerinnen und Schüler im Fokus stand. Naturgemäß benötigen Entwicklungsprozesse Zeit und schreiten an den Schulen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit voran.
Abschließend möchte ich noch darauf verweisen, dass Bündnis 90/Die Grünen ein anderes Konzept zur Schulzeitverkürzung vorhatten; darüber ist aber seinerzeit durch die schwarz-gelbe Landesregierung anders entschieden worden, und die Gymnasien wollten nach dem Regierungswechsel in 2010 auch nicht wieder zurück. Dies wurde auch in einer Anhörung deutlich, die seinerzeit der Schulausschuss durchgeführt hat (vgl. z.B. Protokoll der Anhörung vom 9.2.2011 – die einzelnen Stellungnahmen sind auch alle recherchierbar - http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMA15%2F110|1|4&Id=MMA15%2F110|5|30).
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen
Sylvia Löhrmann (MdL)