Frage an Sylvia Löhrmann von Christoph T. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Löhrmann,
ich beschäftige mich im Rahmen meiner Examensarbeit mit dem Schulpolitischen Konsens für NRW, unter anderem mit der schulrechtlichen Umsetzung. Dabei haben sich mir die folgenden Fragen ergeben:
1. In der Konsensvereinbarung ist unter 5. als letzter Punkt festgehalten, dass die Sekundarschule in der Regel als Ganztagsschule geführt wird. Im Gesetz zur Weiterentwicklung der Schulstruktur in NRW findet sich diese Regelung allerdings nicht wieder. Warum wurde darauf verzichtet?
2. Unter 9. wurde vereinbart auch die Klassenfrequenzrichtwerte der Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen schrittweise von 28 auf 26 zu senken. In § 82 (1) wird für die Gründung von Realschulen oder Gymnasien aber weiterhin eine Klassengröße von 28 gefordert. Widerspricht dies nicht der vereinbarten Absenkung? Aus welchem Grund wurde die Klassenfrequenz der Hauptschule in diesem Zuge nicht auch abgesenkt?
3. Offensichtlich besteht zwischen den Fraktionen der CDU, SPD und Grünen schon seit Dezember 2010 ein Konsens, dass die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in den Regelunterricht, wie sie auch von der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gefordert wird, umgesetzt werden soll. Weshalb war es nicht möglich dieses auch mit der Umsetzung des Schulpolitischen Konsenses für NRW im Schulgesetz oder gar der Landesverfassung zu verankern?
4. Einige der im Konsens vereinbarten Punkte werden durch die Verordnung zur Ausführung des §92 (2) SchulG geregelt (z.B. die Lehrerwochenstundenzahl). Wann ist mit einer Änderung dieser zu rechnen?
Ich würde mich sehr freuen wenn Sie mir diese Fragen beantworten würden.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Tacke
Sehr geehrter Herr Tacke,
auch wenn es eine sehr ungewöhnliche Art der Recherche für eine Examensarbeit ist, auf dieser Plattform öffentlich Ihre Fragen an mich zu richten, so möchte ich doch die Gelegenheit wahrnehmen, Ihrem Informationsbedürfnis nachzukommen. Für die ebenfalls interessierte Öffentlichkeit möchte ich gerne auf die ausführliche Publikation zum Schulkonsens hinweisen, die unter http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Publikationen/Schule_NRW/Sonderausgabe.pdf online verfügbar ist sowie verschiedene Informationen auf meiner Internetseite (z.B. http://sylvia-loehrmann.de/1138/es-ist-vollbracht/ ).
zu 1.
§ 9 SchulG regelt die Einrichtung von Ganztagsschulen. Grundsätzlich kann demnach in NRW der Ganztag an allen Schulformen eingerichtet werden, wenn die dafür erforderlichen personellen, sächlichen und schulorganisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind. Sekundarschulen werden ebenso wie Gesamtschulen in der Regel als Ganztagschulen geführt.
zu 2.
Die Vereinbarung im Schulkonsens bezieht sich auf den Klassenfrequenzrichtwert. Dieser Wert sowie die Bandbreiten (Ober- und Untergrenzen) zur Einrichtung von Klassen an den verschiedenen Schulformen werden auf der Grundlage des § 93 Abs. 2 SchulG in einer Rechtsverordnung, die der Zustimmung der zuständigen Ausschüsse des Landtags bedarf, jährlich neu festgelegt. Hauptschulen haben bereits jetzt mit 24 einen deutlich niedrigeren Klassenfrequenzrichtwert als alle anderen Schulformen der Sekundarstufe I.
Davon zu unterscheiden ist die Errichtungsgröße für die Gründung einer Schule, die in § 82 SchulG festgelegt ist. Diese beträgt derzeit für Gesamt- und Sekundarschulen 25 Schülerinnen und Schüler pro Klasse, für alle anderen Schulformen 28 Schülerinnen und Schüler pro Klasse.
zu 3.
Am 01. Dezember 2010 - also bereits ein halbes Jahr vor der Vereinbarung des Schulpolitischen Konsens - wurde der Antrag der Regierungsfraktionen SPD und Bündnis 90/ Die Grünen sowie der Fraktion der CDU die „UN-Konvention zur Inklusion in der Schule umzusetzen“ im Landtag ohne Gegenstimmen (und bei Enthaltung der FDP-Fraktion) verabschiedet. Damit ist das Land beauftragt worden, den Rechtsanspruch auf inklusive Bildung umzusetzen und landesgesetzlich zu verankern. Ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren ist in Vorbereitung. Durch eine Verwaltungsverordnung zu § 37 SchulG soll aber schon jetzt möglichst weitestgehend der Elternwunsch bei der Wahl des schulischen Förderortes für Kinder mit Behinderung berücksichtigt werden.
zu 4.
Die entsprechende Rechtsverordnung bezieht sich nicht auf § 92, Abs. 2, sondern auf § 93, Abs. 2 SchulG. Da eine Änderung dieser Rechtsverordnung der Zustimmung der zuständigen Ausschüsse des Landtags bedarf, kann eine Änderung erst dann erfolgen, wenn sich der Landtag nach den Landtagswahlen im Mai 2012 neu konstituiert hat. Bis zum Inkrafttreten einer geänderten Verordnung gelten für die neuen Schulform Sekundarschule Übergangsregelungen.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Antworten weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen für Ihre akademische Laufbahn alles Gute
Sylvia Löhrmann (MdL bis 14. März 2012)