Frage an Sylvia Löhrmann von Klaus-Peter G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo, wo sind die " Alten Grünen " die immer gegen die Diätenerhöhungen abgestimmt haben? Wärend uns von Politikern mit 67 präsentiert wird erhöhen sich die Abgeordneten des Landtags NRW selbst die Bezüge. Ich frage mich ob Geld und Macht den Karakter verdirbt? Wen kann man denn noch wählen die Piraten oder die Linken?
Eine Rechnung die Veröffentlicht werden sollte
181 Abgeordnete X 500 Euro = 90500 Euro im Monat
90500 Euro X 12 Monate = 1 086 000 Euro im Jahr
181 Abgeordnete 10726 Euro X 12 Monate = 1 941 406 Euro
Können wir uns diesen Luxus noch erlauben????
Mit grüßen
Klaus-Peter Guse
Sehr geehrter Herr Guse,
vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch, die Sie wortgleich mindestens auch an Frau Steffens sowie Herrn Remmel gerichtet haben. Vorausschicken möchte ich jedoch, ohne die Diskussion vertiefen zu wollen, dass ich das System der parlamentarischen Demokratie, das wir in unserem Lande haben, noch für das beste politische System halte. Und es ist auch klar, dass dieses etwas kostet.
Ja, es ist richtig, dass der Landtag mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen mehrheitlich der Änderung des Abgeordnetengesetzes zugestimmt hat. Diese Änderung sieht vor, zusätzlich 500 Euro je Monat und Abgeordneten in die Altersversorgung (Versorgungswerk) einzuzahlen. Diese Regelung wurde – auch in der Grünen Fraktion – ausführlich und kontrovers diskutiert. Dazu hier einige Erläuterungen, weil ich glaube, dass es gute Argumente für diesen Schritt gibt, die in der Öffentlichkeit kaum vermittelt worden sind.
Angepasst wird mit dem neuen Gesetz der Pflichtbeitrag zum Versorgungswerk der Abgeordneten, das 2005 neu gegründet wurde und sich noch im Aufbau befindet. Nach wie vor ist damit die Altersversorgung in Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Parlamenten (Hessen, Bayern, Bundestag, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen) am niedrigsten. Mit der Einführung des Versorgungswerkes wurde 2005 die staatlich garantierte Altersversorgung der Abgeordneten abgeschafft. Ziel der Politik war es, die staatliche Altersversorgung der Abgeordneten, die insbesondere wir Grüne als zu hoch und als langfristige Belastung für den Landeshaushalt empfanden, in ein eigenständiges Versorgungswerk zu überführen und auf ein angemessenes Niveau zu bringen, also faktisch um 40 Prozent zu kürzen.
Die Abgeordneten im Landtag von NRW sind im Durchschnitt 49 Jahre und üben zehn Jahre lang das Mandat aus. Mit der geplanten Erhöhung erhalten die Abgeordneten mit 65 Jahren dann für diese zehn Jahre einen Versorgungsbetrag, der dem Rentenanspruch eines Studienrats (A 13 - mittlerer Erfahrungsstufe) für diesen zehnjährigen Zeitraum entspricht. Das halte ich für vertretbar. Zudem tritt diese Altersversorgung nun erst mit dem Eintritt in das jeweilige Rentenalter in Kraft statt wie vorher schon mit 55 Jahren.
Hinzu kommt, dass die Abgeordneten in NRW als einzige in ganz Deutschland ihr Einkommen komplett versteuern müssen. Da die jetzige Erhöhung vollständig in die Altersvorsorge geht, dennoch aber eben voll versteuert wird, bedeutet sie faktisch eine sofortige Reduzierung des verfügbaren Netto-Einkommens von bis zu 200,-- Euro monatlich.
Wir halten es für wichtig, dass wir ein Parlament haben, das sich nicht nur aus Mitgliedern des öffentlichen Dienstes mit Rückkehrrecht in ihre alten Tätigkeiten zusammensetzt. Wir wollen lebens- und berufserfahrene Abgeordnete, die für eine begrenzte Zeit ein Mandat übernehmen und dafür ihre eigenen beruflichen Laufbahnen unterbrechen bzw. verlassen.
Wer aber Abgeordnete möchte, die bereit sind, mit 45 Jahren für zehn Jahre in ein Parlament zu gehen und dafür ihre berufliche Selbstständigkeit oder ihre Karriere in ihrem ausgeübten Beruf aufzugeben oder zu unterbrechen, muss ihnen auch eine entsprechende angemessene Sicherheit geben. Abgeordnete haben - anders als viele andere Beschäftigte - sehr kurze Kündigungsfristen. Ein am Wahlabend nicht gewonnenes Direktmandat oder ein nicht ausreichender Listenplatz bedeuten den sofortigen Verlust des Arbeitsplatzes. Ein Abgeordneter, der mit Mitte 40 in den Landtag eintritt und dort zwei Wahlperioden, also zehn Jahre verbleibt, geht ein erhebliches Risiko ein, mit Mitte 50 wieder in den Arbeitsmarkt zu gehen oder eine aufgegebene Selbstständigkeit wieder aufzunehmen.
Dazu kommt: Der Ministerpräsident/die Ministerpräsidentin muss in NRW nach der Verfassung aus den Reihen der Abgeordneten gewählt werden. In der Praxis rekrutieren sich auch wesentliche Teile der Regierung aus dem Parlament. Insofern sind die Qualifikationsanforderungen an die Abgeordneten des NRW Landtags sehr hoch. Zudem ist der Verantwortungsbereich NRW größer als die meisten selbstständigen EU-Staaten.
Die Stellungnahmen der zur Anhörung über das Abgeordnetengesetz eingeladenen Sachverständigen beinhalteten zu dieser Frage sehr unterschiedliche, zum Teil erheblich neben der Realität liegende Aussagen. Prof. von Arnim hält das NRW-Parlament für ein Halbtagsparlament. Das hat mit der Arbeitsrealität der meisten Abgeordneten von 60 bis 70 Arbeitsstunden je Woche nichts zu tun.
Jede Erhöhung von Abgeordnetenbezügen ist unpopulär. Das liegt natürlich auch daran, dass gesetzlich festgelegt ist, dass das Parlament selbst die Bezüge der Abgeordneten in einem offenen und öffentlichen Diskussionsprozess bestimmt. Mit der Diätenreform 2005 haben wir für Transparenz und Nachvollziehbarkeit gesorgt und die Erhöhungen an einen Durchschnittswert der allgemeinen Lohnerhöhungen (Renten und ALG I und II eingerechnet) gekoppelt. Ich glaube, dass das ein wichtiger und richtiger Schritt war, zu dessen Gelingen aber zwingend das Funktionieren des Versorgungswerkes gehört. Dies haben wir mit der jetzigen Erhöhung nachhaltig getan. Sicherlich hätten viele, auch Grüne, Abgeordnete, da sie noch unter die alte Gesetzesregelung fallen, sagen können: Lassen wir die Anpassung sein, es gibt zu viel Kritik. Wir sind aber nach sorgfältiger Befassung mit dem Sachverhalt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesetzesregelung so richtig ist.
Was mich persönlich angeht, erlaube ich mir noch den Hinweis, dass ich von der jetzigen Maßnahme selbst nicht profitiere: zum Einen, weil ich von 1995 bis 2005 nach altem Recht Ansprüche erworben habe, zum Anderen, weil mir als Regierungsmitglied die Diäten zu Recht gekürzt werden.
Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen verständlich machen konnte, warum ich das Gesetz mitgetragen habe und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Sylvia Löhrmann MdL