Frage an Sylvia Löhrmann von Meike K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Löhrmann!
Jetzt eine (oder wohl auch mehrere) Fragen der anderen Seite - von mir als Lehrerin!
Nachdem ich bereits Jahre Praxiserfahrung vorweisen kann, stellen sich mir (und vielen Kollegen/-innen) folgende Fragen:
1. Wenn (angeblich) zunehmend mehr Lehrer eingestellt werden, warum merken wir an den Grundschulen nichts davon und haben Klassenstärken von 26 - 30 Kindern in allen Jahrgängen?
2. Die Rahmenrichtlinien sind ja bekanntlich zweigeteilt: Kompetenzen zum Ende er Schuleingangsphase und zum Ende des Jahrgang 4. Nun müssen die Schule Arbeitspläne erstellen. Ich frage mich: Warum müssen diese Arbeitspläne gestaffelt nach Klasse 1,2,3 und 4 sein, während es der NEUE Lehrplan bzw. die neuen Rahmenrichtlinien eben NICHT mehr sind?
3. Unsere zwei Sonderpädagoginnen haben insgesamt 23 GU- Kinder zu betreuen. Eine der beiden Kräfte wurde nun drei Tage pro Woche abgeordnet, sodass die andere Kraft 80% der Kinder alleine betreuen muss. Im Sinne der Inklusion und des Gemeinsamen Unterrichts kann so nicht gearbeitet werden. Die Rufe nach individueller Unterstützung von Kindern mit sonderppädagogischem Förderbedarf ist groß, die Stundenzahl der Sonderpädagogen wird aber drastisch reduziert, sodass die geforderte Betreuungsstundenzeit je nach Förderschwerpunkt überhaupt nicht mehr gewährleistet werden kann! Erklärung?
Ein sehr dringendes persönliches Anliegen:
Ich bin evangelische Lehrerin. Ich habe auch das Fach evangelische Religion studiert und unterrichte es auch gerne. Nun meine Frage: Wieso darf ich mich als evangelische Lehrperson nicht auf unbefristete Beamtenstellen bewerben, die an katholischen Grundschulen ausgeschrieben sind? Streng genommen ist dies eine Einschränkung meiner Berufsausübung allein durch meinen Glauben. Und dieser Umstand widerspricht sich absolut mit dem Art.1 des GG: Kein Mensch darf auf Grund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert oder benachteiligt werden". Begründung?
Mit freundlichen Grüßen,
Meike Kortmann
Sehr geehrte Frau Kortmann,
vielen Dank für Ihre Fragen - es freut mich, dass auch Lehrerinnen und Lehrer aufmerksam die Abgeordnetenwatch-Seiten beobachten und die Gelegenheit für Fragen nutzen.
Zu Ihrer ersten Frage: Es gibt eine Vielzahl von Grundschulen, die erheblich geringere Klassenstärken aufweisen als die genannten 26 bis 30 Kinder pro Jahrgang. Die landesweite durchschnittliche Klassenstärke lag im Schuljahr 2010/11 bei 23,1 bei einem vorgegebenen Richtwert von 24 Schülerinnen und Schülern pro Klasse. Zudem sind Neueinstellungen zumeist Ersatzeinstellungen für ausscheidende Lehrkräfte. Insofern können Sie Ihre Beobachtung nicht generalisieren.
Mit dem Schulkonsens, den CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen geschlossen haben, ist eine schrittweise Absenkung des Klassenrichtwertes von 24 auf 22,5 vereinbart. Dies kann aufgrund der angespannten Haushaltslage aber nur Schritt für Schritt umgesetzt werden.
Zur Ihrer zweiten Frage: In den seit 2008 geltenden kompetenzorientierten Lehrplänen für die Grundschule werden Kompetenzerwartungen am Ende der Schuleingangsphase und am Ende von Klasse 4 festgelegt. Auf dieser Grundlage legt jedes Kollegium in Fach- oder Lehrerkonferenzen Ziele, schuleigene Arbeitspläne und Evaluationsmaßnahmen im Rahmen der schulinternen Qualitätssicherung und -entwicklung der fachlichen Arbeit fest (vgl. § 70 Absatz 3 und 4 SchulG und Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule NRW, S. 19).
Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, Stoffverteilungspläne jahrgangsbezogen festzulegen, da z.B. die Stundentafel nach 1. und 2. Jahr bzw. Klasse 3 und Klasse 4 gestaffelt ist. So erhalten alle Lehrkräfte einen genauen Überblick über die spiralförmig festgelegten Inhalte und Methoden in den einzelnen Jahrgangsstufen. Es kann daraufhin lehrplangemäß und schulweit abgestimmt – insbesondere auch fachfremd – unterrichtet werden.
Zu 3: Für eine angemessene und zielgenaue Beantwortung der „Fragen einer Lehrerin“ fehlen wichtige Hintergrundinformationen (Art der Förderschwerpunkte, Gesamtstellenbesetzung der Schule - Sonderpädagogen und Grundschullehrkräfte, Verteilung der GU-Kinder auf die Klassen, Gründe für die Teilabordnung …). Diese und weitere Informationen liegen der Schulleitung der betreffenden Grundschule vor; sie trägt die Verantwortung zur Unterrichtsversorgung und zum Einsatz der Lehrkräfte. Darüber hinaus steht die Untere Schulaufsicht als zuständige dienstvorgesetzte Aufsicht mit Detailkenntnissen zur Verfügung - auch dann, wenn evtl. innerhalb eines Kollegiums Klärungsbedarf zu solchen Fragenstellungen besteht. Diesbezüglich, aber auch allgemein, erlaube ich mir den Hinweis, doch bitte den Dienstweg zu beachten.
Zu Ihrem persönlichen Anliegen noch folgende rechtliche Auskunft:
"Eine Einstellung von evangelischen Lehrkräften an Schulen eines anderen Bekenntnis ist nicht ausgeschlossen. Bei der Einstellung von Lehrkräften an Bekenntnisschulen ist gem. § 26 Absatz 6 und 7 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen darauf zu achten, dass auf die Konfessionen der Schülerinnen und Schüler Rücksicht genommen wird. Lehrerinnen und Lehrer an Bekenntnisschulen müssen dem betreffenden Bekenntnis angehören und bereit sein, an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen.
Soweit an Bekenntnisschulen mehr als 12 Schülerinnen und Schüler einer konfessionellen Minderheit unterrichtet werden, ist eine Lehrkraft des Bekenntnisses der Minderheit einzustellen, die Religionsunterricht erteilt. Weitere Lehrkräfte des Bekenntnisses der Minderheit sind unter Berücksichtigung der Zahl der Schülerinnen und Schüler der Minderheit und der Gesamtschülerzahl der Schule einzustellen. Soweit eine Lehrkraft eines anderen Bekenntnisses gesucht wird, weisen die Bekenntnisschulen in der Stellenausschreibung besonders darauf hin."
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Löhrmann MdL