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Sylvia Löhrmann
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Sylvia Löhrmann von Gerhard R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Löhrmann,

bekanntlich ist maßgebend für die Planung und Durchführung der politischen Bildung an den Schulen der sogenannte Beutelsbacher Konsens von 1976, der drei Prinzipien für den Unterricht festgelegt hat:
Überwältigungsverbot,
Kontroversität und Schülerorientierung. Das Münchener Manifest von 1997
ergänzt dies um eine weitere wichtige Leitlinie: Politische Bildung im
öffentlichen Auftrag soll pluralistisch, überparteilich und unabhängig
erfolgen.

Unter

http://www.coolingstar.de/agf/content/sonderseite-zur-kooperationsvereinbarung-zwischen-bildungsministerium-und-bundeswehr

findet man ein Schreiben des Bundesverteidigungsministers an die Ministerpräsidenten der Länder betr. Jugendoffiziere in der Schule und Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr.

Aus dem Inhalt: Die Jugendoffiziere erklären im Unterricht, wie sich die Auslandseinsätze der Bundeswehr politisch aus den Zielen und Interessen deutscher Sicherheitspolitik ableiten lassen.

Trifft es zu, daß auch Jugendoffiziere die Prinzipien für den Unterricht beachten müssen?
Falls ja: Wurde das im Schreiben des Bundesverteidigungsministers beachtet?

Antrag auf Befreiung von der Teilnahmepflicht am Unterricht mit der Bundeswehr:

"Wir erziehen unser Kind gewaltfrei mit dem Ziel, daß später der Dienst bei der Bundeswehr unterbleibt. Daher beantragen wir die Befreiung von der Teilnahmepflicht am Unterricht mit Bundeswehrsoldaten und Wehrdienstberatern. Unser Kind soll währenddessen Ersatzunterricht in einer anderen Klasse
erhalten".

Nach meinem Eindruck können Eltern sich nicht mmer darauf verlassen, daß es keinen einseitigen Unterricht gibt. Im schlimmsten Fall kann das Fehlen der Ausgewogenheit mitursächlich dafür sein, daß das Kind später als Berufssoldat zur Bundeswehr geht und in einem Auslandseinsatz stirbt.
Muß vor diesem Hintergrund das elterliche Erziehungsrecht Vorrang vor dem staatlichen Erziehungsauftrag haben?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reth,

vielen Dank für Ihre Frage, zu der ich gerne Auskunft gebe:

Das Thema „Sicherung des Friedens und Verfahren der Konfliktlösung“ gehört zum Pflichtkanon des Unterrichts in den Fächern der Politischen Bildung. Fragen wie die nach verschiedenen Formen der Gewalt, Ursachen des Unfriedens, völkerrechtliche und ethische Fragen gehören ebenso dorthin wie die Diskussion über die Rolle der Bundeswehr. Der schulische Unterricht ist dem Beutelsbacher Konsens verpflichtet. Dies bedeutet, dass in der Gesellschaft strittige Themen auch im Unterricht als strittig dargestellt werden müssen. Dazu können Jugendoffiziere der Bundeswehr genauso wie Angehörige der Friedensbewegung in den Unterricht eingeladen werden. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Harald Koch, Stefan Liebich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 17/1315 – Jugendoffiziere der Bundeswehr heißt es: „Die Jugendoffiziere kommunizieren nach Aussage der Bundesregierung ihre Fachinhalte ebenfalls auf Grundlage des Beutelsbacher Konsenses und verfolgen damit einen ganzheitlichen und pluralistischen Bildungsansatz eines schüler- bzw. teilnehmerorientierten methodisch-didaktischen Vorgehens, der sich besonders des Kontroversitätsgebots und des Überwältigungsverbots verpflichtet fühlt.“ (S. 2f.) Inwiefern sich die Jugendoffiziere durchgängig an diese Vorgabe halten, vermag ich allerdings nicht zu beurteilen. Entscheidend für den schulischen Unterricht ist, dass die Lehrkräfte ihn nach den Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses ausrichten. Insofern gilt es, die unterschiedlichen Bewertungen der Einsätze der Bundeswehr aufzugreifen. Sowohl die militärische Aktionen ablehnenden Positionen der Friedensbewegung wie auch die - zumeist vom Deutschen Bundestag gestützte – Position der militärischen Intervention bzw. Mission müssen gleichgewichtig und gleichberechtigt im Unterricht behandelt werden. Es ist deshalb mein Ziel, friedenspolitischen Initiativen gleichberechtigt Raum im Unterricht zu geben.

Schule soll leisten, was in einer demokratischen Gesellschaft unabdingbar ist: einen Unterricht, der Schülerinnen und Schüler zu Menschen erzieht, die verantwortungsvolle und wohlinformierte Entscheidungen für ihre eigene Zukunft treffen können.

Aus diesem Grund ist es nicht möglich, dass Schülerinnen und Schüler von der Teilnahmepflicht am Unterricht befreit werden, wenn Jugendoffiziere in den Unterricht eingeladen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Sylvia Löhrmann MdL