Frage an Sylvia Löhrmann von Dagmar T. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Löhrmann,
was möchte Ihre Partei tun, damit die BRK (= Behindertenrechtskonvention), die im März des vergangenen Jahres ratifiziert worden ist, möglichst zeitnah umgesetzt werden kann? Momentan berufen sich auf kommunaler Ebene die Lokalpolitiker und das Schul(verwaltungs)amt darauf, laut NRW-Schulgesetz nur für die technische und räumliche Ausstattung verantwortlich zu sein. Auf Länderebene hingegen verweist man dann darauf, dass der Impuls "bottom up" und nicht "top down" kommen müsste. Was auch hinderlich für den konkreten Paradigmenwechsel ist: Für interessierte Regelschulen, die sich dem Thema annähern wollen, werden bisher kaum Weiterbildungsmaßnahmen angeboten. Besonders in der Sekundarstufe I gibt es noch viel zu wenig Plätze für den Gemeinsamen Unterricht. Es liegt auf der Hand, dass die Schulgesetze der Konvention folgen müssen. Aber ich habe den Eindruck, dass das selektionsfreudige Deutschland garnicht so recht wusste, was es im März unterschrieben hat und die Politik jetzt nicht müde wird, sich Hintertürchen zu suchen, um den Inklusionsprozess auszubremsen. Wie müssten ihrer Meinung nach, das Schulgesetz geändert werden, um den barrieriefreien Zugang zum Regelschulsystem zu ermöglichen, in dem ein hochwertiges und inklusives Schulsystem praktiziert werden kann?
Sehr geehrte Frau Tiedge,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte. Ich stimme Ihnen zu in Ihren Einschätzungen. Es gibt gerade im Bereich der Sekundarstufe I viel zu wenig Plätze im Gemeinsamen Unterricht (GU). Die Suche nach den "Hintertürchen", wie Sie schreiben, beobachte ich auch. Hier in Kürze die GRÜNEN Positionen und Entwicklungsvorstellungen.
Im Frühjahr 2009 hat die Bundesrepublik die UN-Konvention für die Menschen mit Behinderungen ratifiziert. Danach hat jedes Kind - auch das mit Behinderungen - das Recht auf Teilhabe am allgemeinen Bildungssystem, das heißt auf inklusive Bildung im Gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen.
Grüne stehen schon seit Jahren für Inklusion. Als alle anderen Parteien noch ablehnend bis zögerlich waren, haben wir bereits im Jahr 2007 im Landtag den Diskussionsprozess dazu maßgeblich angestoßen und die schwarz-gelbe Landesregierung dazu aufgefordert, endlich die UN-Konvention zur Inklusion in der Schule umzusetzen. Den gesamten parlamentarischen Prozess, inklusive Expertenanhörungen mit sehr sehr lesenswerten Stellungnahmen, können Sie bei weitergehendem Interesse über die Internetseite des Landtags NRW abrufen - es lohnt sich! Unter www.landtag.nrw.de bei den Dokumenten suchen LT-Drs. 14/4860 (dies war der Antrag von 2007, wozu auch die große Expertenanhörung stattgefunden hat) - die einzelnen Stellungnahmen lassen sich auch finden und abrufen - z.B. Dokumente nach Stichwort "UN-Konvention" suchen -, dort haben zahlreiche Sachverständige die Wege hin zur Inklusion gut beschrieben. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat sich aber als beratungsresistent herausgestellt. Ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen ist insbesondere am Widerstand der FDP gescheitert. Bei Interesse sende ich Ihnen gerne ausführlichere Informationen zu. Immerhin hat die CDU in einem langen Prozess schließlich die Notwendigkeit erkannt, dass das Elternwahlrecht zu akzeptieren ist - Koalitionspartner FDP wehrte sich aber vehement. Die FDP behauptet sogar, das Wort Inklusion sei in Deutschland nicht zutreffend und nicht gültig. Sie wehrt sich an dieser Stelle gegen das Elternwahlrecht und möchte auch weiterhin Kinder zu Förderschulen zwangszuweisen.
Wir wollen das Schulgesetz ändern und den Anforderungen der UN-Konvention anpassen. Das ist der erste, notwendige Schritt. Darin soll das Recht der Eltern auf Wahl des besten Förderortes für ihre Kinder verankert werden. Eine Zwangszuweisung zu Förderschulen wird und darf es nicht mehr geben. Wir wollen einen Inklusionsplan, der über zehn Jahre den Umbau des Schulsystems hin zum inklusiven Schulsystem ermöglicht, denn natürlich wird der Umstellungsprozess nicht von heute auf morgen gehen. Hierzu gehört, dass jährlich 10% der Lehrerstellen an Förderschulen umgewidmet werden zu Lehrerstellen im Gemeinsamen Unterricht. Für die Transformationsphase werden weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt, um den Mehraufwand beim Übergang bewältigen zu können (plus 10% der 10%, die wechseln).
Weitere Informationen über die BildungPlus-Newsletter, die z.B. über meine Internetseite bestellbar sind, oder auch auf der Internetseite www.eine-schule-fuer-alle.info/.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Löhrmann MdL