Frage an Sylvia Canel von Daniel L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Canel,
herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Berufung in die Internet – Enquetekommission des Deutschen Bundestages. Es wäre für mich sehr interessant, Ihre Positionen vorab kennen zu lernen. Deshalb stelle ich Ihnen mit der Bitte um Antwort die nachfolgenden Fragen:
1. Was hat Sie dazu motiviert, sich in diese Enquete des Deutschen Bundestages berufen zu lassen und welche(s) Ihrer politischen Ziele wollen Sie dort verwirklichen?
2. Haben Sie sich bereits früher mit “Netzpolitik”, beispielsweise mit den Ergebnissen der Vorgänger- Enquete aus den Jahren 1995 – 1998 befasst und wie beurteilen Sie die Tatsache, das die damaligen Empfehlungen, beispielsweise für eine Reform des Bundesdatenschutzgesetzes (Gesamtreform, Datenschutzaudit etc.), in den federführenden Ausschüssen nie umgesetzt wurden?
4. Wie schätzen Sie Ihren politischen Einfluss ein, um eine Umsetzung Ihrer eventuellen Empfehlungen wenigstens mit dieser Enquete zu gewährleisten?
5. Haben Sie bereits an Demonstrationen für Bürgerrechte und gegen Internetzensur, wie beispielsweise an der “Freiheit statt Angst” gegen das “Zensursulagesetz” in Berlin, teilgenommen oder werden Sie künftig daran teilnehmen?
6. Wie beurteilen Sie “Sendezeiten” und “Labels” für das Internet, wie es der derzeit diskutierte Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) vorsieht?
7. Sind Sie dafür, die so genannte “Vorratsdatenspeicherung” nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schnell umzusetzen und wie beurteilen Sie die Kritik einiger Politiker und Polizeifunktionäre am Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Losch
Sehr geehrter Herr Losch,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Fragen. Diese möchte ich wie folgt beantworten:
1. Was hat Sie dazu motiviert, sich in diese Enquete des Deutschen Bundestages berufen zu lassen und welche(s) Ihrer politischen Ziele wollen Sie dort verwirklichen?
Als Bildungspolitikerin bin ich der Auffassung, dass die Themen Internet und digitale Gesellschaft eine wichtige Rolle für unsere Entwicklung zur digitalen Wissensgesellschaft spielen. Ich möchte mich bei diesem Prozess unter dem Motto „Netz für alle“ engagieren und werde mich deshalb für eine größtmögliche Netzfreiheit einsetzen.
2. a)Haben Sie sich bereits früher mit "Netzpolitik”, beispielsweise mit den Ergebnissen der Vorgänger- Enquete aus den Jahren 1995 – 1998 befasst b)und wie beurteilen Sie die Tatsache, das die damaligen Empfehlungen, beispielsweise für eine Reform des Bundesdatenschutzgesetzes (Gesamtreform, Datenschutzaudit etc.), in den federführenden Ausschüssen nie umgesetzt wurden?
Ich sehe die Netzpolitik als zunehmend relevantes Thema, vor allem auch für den Bildungsbereich. So konnte ich als Lehrerin feststellen, dass das Bedürfnis nach Medienbildung in Schulen stark zunimmt. Es wird zukünftig darum gehen, Medienkompetenz schon frühzeitig zu vermitteln, dabei werden wir im Bereich der Medienbildung auch einen besonderen Fokus auf die Ausbildung der Lehrer setzen.
Die Arbeit der Enquete-Kommission muss selbstverständlich in der politischen Diskussion, wie auch in den einzelnen Gremien Beachtung finden. Das Vorgehen der Vorgängerregierung ohne FDP-Beteiligung bedauere ich sehr, insbesondere auch weil dabei beim Bürger der Eindruck der Tatenlosigkeit erweckt wurde. Desto mehr freue ich mich, dass wir als FDP-Fraktion nun mit drei Vollmitgliedern und drei weiteren Vertretern sowie drei Sachverständigen die Arbeit der Enquete-Kommission maßgeblich beeinflussen können.
4. Wie schätzen Sie Ihren politischen Einfluss ein, um eine Umsetzung Ihrer eventuellen Empfehlungen wenigstens mit dieser Enquete zu gewährleisten?
Die Gesellschaft erwartet Ergebnisse bzw. einen grundlegenden Wandel in der Netzpolitik, das macht das Thema populär. Ich habe bereits jetzt viel Interesse an der Arbeit der Enquete erfahren und freue mich außerordentlich darüber. Dieses öffentliche Interesse gewährt aber auch, dass die Vorschläge in die Beratungen der Gremien einfließen werden.
5. Haben Sie bereits an Demonstrationen für Bürgerrechte und gegen Internetzensur, wie beispielsweise an der "Freiheit statt Angst” gegen das "Zensursulagesetz” in Berlin, teilgenommen oder werden Sie künftig daran teilnehmen?
Ich habe bereits an einer Demonstration in Hamburg zur Netzfreiheit teilgenommen.
6. Wie beurteilen Sie "Sendezeiten” und "Labels” für das Internet, wie es der derzeit diskutierte Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) vorsieht?
Ich sehe die Alterskennzeichnung im Internet äußerst kritisch, da sie weder Rechtssicherheit bieten kann noch mit dem erprobten und strengen deutschen System des Jugendmedienschutzes harmoniert. So obliegt es der Kommission für Jugendmedienschutz bzw. der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die Alterseinstufungen jederzeit zu beanstanden. Als Konsequenz dieser rechtlichen Grauzone könnten zahlreiche Dienstleister auf das weniger strenge Europäische System umsteigen.
7. Sind Sie dafür, die so genannte "Vorratsdatenspeicherung” nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schnell umzusetzen und wie beurteilen Sie die Kritik einiger Politiker und Polizeifunktionäre am Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung hat die datenschutzrechtlichen Einwände, die wir als Liberale anführen, bestätigt. Während der letzten Legislaturperiode hat die FDP-Bundestagsfraktion das Vorgehen der großen Koalition ausdrücklich kritisiert und die damalige Bundesjustizministerin Zypries aufgefordert, das Gesetz im Europäischen Rat abzulehnen. Ungeachtet dessen verfolgte die große Koalition weiterhin die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung, was sich nun als verfassungswidrig herausgestellt hat. Karlsruhe hat aber nicht nur dem deutschen Gesetzgeber und insbesondere der vorherigen Bundesregierung deutliche handwerkliche Mängel am Gesetz aufgezeigt, sondern auch den Verhandlungsspielraum Deutschlands auf europäischer Ebene ausdrücklich eingeschränkt. Bevor nun postwendend an eine modifizierte Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gedacht werden kann, muss erst einmal auf Unionsebene neu und überlegt verhandelt werden. Ich setze in diesem Prozess auf eine fundierte Abwägung von Sicherheit und Freiheit.
Die Kritik insbesondere von Polizeifunktionären ist natürlich nachvollziehbar. Allerdings muss man sich vor Augen führen, dass es den deutschen Sicherheitsbehörden auch vor dem 01.01.2008 gelang, im gesetzlichen Rahmen wichtige Fahndungserfolge zu erzielen und Anschläge zu verhindern. Ich zähle dabei auf die gute Arbeit von Behörden, denen auch weiterhin eine breite Möglichkeit von Verfolgungsmethoden zur Verfügung steht. So benötigt man beispielsweise für GPS bzw. Handyortung keine Vorratsdatenspeicherung, kann bei konkretem Verdachtsmoment jedoch auf benötigte Daten zugreifen.
Weitere Informationen zur Arbeit der Liberalen in der Enquete finden Sie unter www.open-enquete.de.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Canel