Frage an Swen Schulz von Bruno M. bezüglich Familie
Hallo Herr Schulz,
Topverdiener stärker zum Wohle ärmerer zu belasten finde ich o.k. Das aber mit der Erbschaftssteuer schon längst versteuertes Einkommen erneut zur Kasse gebeten wird finde ich ungerecht.
Ich habe zusammen mit meinem Neffen ein Häuschen gekauft. Seit der Geburt meines Neffen lebten wir immer zusammen. Sein Vater starb früh und ich übernahm praktisch die Vaterrolle. Will sagen. Mein Neffe ist für mich wie mein eigenes Kind. Eigene habe ich nicht.
(Junggeselle)
Wenn ich nun sterben sollte, käme auf meinen Neffen mit Frau und 1 Kind eine immense finanzielle Belastung durch die Erbschaftssteuer zu. Denn der Freibetrag für Neffen etc. ist lächerlich gering.
Meine Frage sinngemäß: Finden Sie das gerecht ? Es sollte doch zumindest auch das soziale Umfeld bei solchen Regelungen beachtet werden.
Sehr geehrter Herr Marquardt,
vielen Dank für Ihre Frage.
in Deutschland werden zwischen 2006 und 2015 Vermögen im Wert von etwa 2.500 Milliarden Euro vererbt. Pro Jahr sind das etwa 250 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt wird in diesem Jahr ein Gesamtvolumen von ca. 290 Milliarden Euro haben. Bislang blieben in der Regel mehr als 90 % aller Erbschaften steuerfrei. Und dies wird auch in Zukunft so sein.
Das Ziel der Erbschaftssteuerreform war ein gerechtes und solidarisches Erbschaftssteuerrecht. Reformziele waren Steuerentlastungen für enge Verwandte, der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Fortführung vererbter Betriebe sowie die Sicherung stabiler Steuereinnahmen für die Länder.
Die Erbschaftssteuer halte ich für politisch richtig und notwendig. In Deutschland verfügen die oberen 20% der Haushalte über 72% des Nettogesamtvermögens, die unteren 40% der Haushalte hingegen nur über etwa 1,2%. Ungleiche Einkommens- und Vermögensverhältnisse verschlechtern aber die Lebenschancen vieler Menschen. Wer etwas erbt, dem fließt Einkommen ohne direkte Gegenleistung zu. Das Erbe vergrößert sein Vermögen und führt zu einem Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit. Bildung, sozialer Aufstieg, Lebenserwartung, Gesundheit oder Konsum hängen wesentlich von den finanziellen Möglichkeiten der Menschen ab. Eine gerechte Erbschaftssteuer mildert die Nachteile ungleicher Startchancen. Wir wollen verhindern, dass einige Reiche ohne eigenes zutun immer reicher werden und der Abstand zu den Ärmeren weiter wächst.
Dass darunter die Erben kleiner und mittlerer Erbschaften nicht leiden, dafür sorgen die vergünstigten Tarifstufenbeträge, die deutlich erhöhten Freibeträge und die sachlichen Steuerbefreiungen, die für Schulden und Begräbniskosten beispielsweise mit bis 10.300 Euro geltend gemacht werden können. Den Pflegepauschbetrag, von dem Erbinnen und Erben aus dem Verwandtenkreis, die den Verstorbenen gepflegt haben profitieren, haben wir von 5.200 Euro auf 20.000 Euro deutlich angehoben. Persönliche Gegenstände, Geldzuwendungen an Pflegepersonal oder Hausrat sind sogar bis zu 41.000 Euro steuerbefreit.
Sie sprechen mit Ihrem Fall die Steuerlast für Verwandte bei Erbschaften an. Enge Verwandte wie Ehegatten, Eltern oder Kinder des Erblassers zahlen in den allermeisten Fällen keine Erbschaftssteuer. Lassen Sie mich dies an einem kurzen Beispiel verdeutlichen: Erbt beispielsweise eine Tochter ein Haus von ihren Eltern, das sie selbst nutzen möchte, so kann sie mit Steuerfreibeträgen und dem Versorgungsfreibetrag bis zu 820.600 Euro steuerfrei erben. Alles was darüber hinausgeht, muss die Erbin voll versteuern. Somit werden Empfänger kleiner und mittlerer Erbschaften entlastet, während Empfänger hoher Erbschaften mit einem Teil ihres schlagartig vermehrten Vermögens ihren Beitrag zur Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben wie Bildung, Familienförderung und Infrastruktur beitragen.
In Ihrem Fall sprechen Sie eine Erbschaft zwischen Ihnen und Ihrem Neffen an. Die Höhe des Erbschaftssteuersatzes ist abhängig vom Verwandtschaftsgrad zwischen Erblasser und Erben. Die drei Steuerklassen I, II und III fassen unterschiedliche Verwandtschaftsgrade zusammen. In der Steuerklasse I sind Ehegatten, Kinder, Stiefkinder, Enkel, Eltern und Großeltern zusammen gefasst, also die engsten und nächsten Verwandten. Nichten und Neffen, wie in Ihren Fall, aber auch Schwieger- und Stiefeltern sowie geschiedene Eheleute und Lebenspartner werden in der Steuerklasse II zusammengefasst. Steuerklasse III umfasst alle übrigen Personen.
Sie schildern, dass Sie mit Ihrem Neffen wie mit einem Sohn zusammenleben und praktisch die Vaterrolle übernahmen. Daher ist es mehr als verständlich, dass Sie sich durch die Regelung benachteiligt fühlen, bei der vor dem Gesetz das tatsächliche Verwandtschaftsverhältnis gilt und besondere emotionale Beziehungen zwischen dem Erblasser und dem Erben nicht berücksichtigt werden.
Für uns als Gesetzgeber gestaltet sich eine gerechte Abwägung bei der Berücksichtigung des sozialen Umfeldes von Erben sehr schwierig. Eine Bewertung von emotionalen und sozialen Bindungen ist von behördlicher Seite kaum möglich, insbesondere, da diese Prüfung im Erbschaftsfall, also nach dem Tode des Erblassers geschehen müsste. Es stellt sich doch die Frage, wer diese Bewertung vornehmen sollte und anhand welcher Kriterien entschieden werden sollte, ob und in welchem Maße eine emotionale Verbindung zwischen Erblasser und Erben vorgelegen hat. Konsequenterweise müssten dann auch in jedem einzelnen Erbfall die emotionale Bindung geprüft werden, unabhängig davon welcher Verwandtschaftsgrad vorliegt.
Sie sprechen zudem die geringen Freibeträge an, die Erben der Steuerklasse II, wie im Fall Ihres Neffen, geltend machen konnten. Im Zuge der Erbschaftssteuerreform haben wie diese Freibeträge nun deutlich erhöht. Konnten in dieser Steuerklasse bislang nur 10.300 Euro Freibetrag geltend gemacht werden, so erhöhte sich dieser Betrag nun auf 20.000 Euro.
Sehr geehrter Herr Marquardt, ich verstehe sehr gut, worauf Sie in Ihrer Kritik hinaus wollen. Aber mit einem Gesetz sollen Regelungen getroffen werden, die für alle gleichermaßen gelten und gerecht sein sollen. Natürlich wird es auch immer Einzelfälle geben, die nicht vom Gesetz erfasst werden und die sozusagen durch die Maschen fallen. Aber Gesetze auf emotionale Bindungen zu bauen, so denke ich, birgt von vornherein die Gefahr, Ungerechtigkeiten zu schaffen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einige Informationen und Hinweise geben konnte, warum ich die Erbschaftssteuerreform trotz allem für gerecht halte, auch wenn ich Ihre Kritik in Ihrem besonderen Fall durchaus verständlich finde.
Falls Sie näheren Gesprächsbedarf haben, können Sie sich mit Ihren Fragen und Anregungen gerne und jederzeit direkt an mich wenden. Sie erreichen mich unter
Swen Schulz, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
oder per E-Mail unter
swen.schulz@bundestag.de
Sie können auch in eine meiner Bürgersprechstunden kommen. Einen Termin
können Sie unter 030 / 36757090 vereinbaren.
Mit den besten Grüßen
Swen Schulz, MdB