Frage an Swen Schulz von Klaus-Jürgen L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ich entnehme Presseberichten, dass in Hessen ein Ehepaar ins Gefängnis muß, weil sie ihre Kinder allein unterrichteten,und zwar so gut, dass sie beim Abschluß in der normalen Schule als Beste mit der Note 1,1 abschnitten.
Ich glaubte bisher, dass Gesetze dafür da seien, dass das Miteinander der Menschen besser zu regeln sei. Gesetze sind demnach Hilfsmittel für einen übergeordneten Zweck. Wenn aber der Zweck zum Selbstzweck wird ist irgendetwas verkehrt..
In der Politik wird der "mündige Bürger" gefordert, der selbst tätig wird und nicht alles dem Staat überläßt. Hält sich jemand daran und wird für seine Kinder so erfolgreich tätig wie in Hessen, dann muß er dafür in das Gefängnis.
Sollten nicht wirklich andere eher in das Gefängnis kommen, die wirklich etwas verbrochen haben?
Kl.J. Langner
Sehr geehrter Herr Langner,
vielen Dank für Ihre Frage.
Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass ich weder das von Ihnen erwähnte Elternpaar aus Hessen persönlich kenne noch das in diesem Fall getroffene Urteil in seinem Wortlaut gelesen habe.
Auch ich kenne diese Angelegenheit nur aus Presseberichten.
Die Absicht von Eltern, ihren Kindern eine bestmögliche Bildung zu Teil werden zu lassen, ist absolut lobens- und unterstützenswert.
Doch in Deutschland gibt es aus guten Gründen eine Schulpflicht: Der staatliche Bildungsauftrag richtet sich in Deutschland nicht nur auf die Vermittlung von Wissen, sondern auch auf die Herausbildung einer starken und selbstbewussten Persönlichkeit. Die Offenheit der Schule für ein breites Spektrum von Meinungen und Auffassungen ist konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen. So hat es das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom Mai 2006 entschieden.
Die öffentliche Schule wirkt zudem der Ausbildung von religiös oder weltanschaulich geprägten „Parallelgesellschaften“ entgegen und integriert Minderheiten. Durch festgelegte Bildungsstandards und einer allgemeinen Schul- und Beschulungspflicht wird sichergestellt, dass alle Menschen in Deutschland gleichen Zugang zu Bildung haben und somit ein Beitrag zur Chancengleichheit geleistet wird. Wir dürfen es nicht ins Belieben der Eltern stellen, ihren Kindern Schulbildung zukommen zu lassen.
Der von Ihnen angesprochene Fall in Hessen ist sicherlich ein extremer Sonderfall. Mit welcher Begründung die Eltern letztendlich zu drei Monaten Haft verurteilt wurden, kann ich nicht beurteilen, da ich wie oben schon erwähnt das Urteil in seinem Wortlaut nicht kenne. Soweit ich informiert bin, hatten die Eltern ihre Kinder „dauernd und hartnäckig“ dem Unterricht entzogen und waren dafür bereits zu Bußgeldern verurteilt worden.
Der entscheidende Punkt in diesem Fall ist doch folgender: die Eltern sind nicht deshalb bestraft worden, weil sie ihre Kinder unterrichtet haben, sondern weil sie ihre Kinder der Schulpflicht entzogen haben. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht wenn Sie sagen, dass wir als Bürgerinnen und Bürger auch selbst tätig werden und nicht alles dem Staat überlassen sollten. Nur hier sind die Eltern nicht nur selbst tätig geworden, sondern haben gemacht was sie wollten, indem sie die Schulpflicht ignoriert haben.
In Deutschland gibt es eine große Vielfalt an Bildungsangeboten. Neben Montessori- und Waldorfschulen stehen Eltern sowie Schülerinnen und Schülern auch viele weitere private Bildungseinrichtungen auch mit konfessionellem Hintergrund zur Verfügung. Zudem können Schulen auch eigene inhaltliche und pädagogische Schwerpunkte setzen. Es gibt Fälle, in denen Eltern in Kooperation mit den zuständigen Behörden eigene Schulen gegründet haben.
Unser deutsches Bildungssystem ist nicht perfekt. Es gibt noch einiges zu tun, um es deutlich zu verbessern. Ich werde mich auch weiterhin für ein sozial gerechtes Bildungssystem mit aller Kraft einsetzen.
Falls Sie näheren Gesprächsbedarf haben, können Sie sich mit Ihren Fragen und Anregungen gerne und jederzeit direkt an mich wenden unter
Swen Schulz, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
oder per E-Mail unter
swen.schulz@bundestag.de
Sie können auch in eine meiner Bürgersprechstunden kommen. Einen Termin
für ein persönliches Gespräch können Sie unter 030 / 36757090 vereinbaren.
Mit den besten Grüßen
Swen Schulz, MdB