Frage an Swen Schulz von Veronika B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Frauen brauchen vollwertige Jobs, von denen sie eigenständig leben können. Wir wollen nicht mit Billigjobs, Teilzeitstellen oder Sozialhilfealmosen abgespeist werden. Mit der systematischen Zerstörung sozialer Sicherungssysteme werden zudem immer mehr Probleme des täglichen Lebens auf die Familien, und damit meist auf die Frauen abgewälzt. Wie stehen sie dazu und wie kann das Ihrer Meinung nach verändert werden?
Wie stehen Sie zur 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gerade auch aus Sicht der Lage der Frauen?
Sehr geehrte Frau Bummert,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Frauen auf dem Arbeitsmarkt.
Sie beklagen, dass Frauen mit Billigjobs und Teilzeitarbeit abgespeist werden und stellen die Frage, was die SPD-Fraktion in diesem Zusammenhang zur Verbesserung beitragen möchte. Gerne möchte ich Ihnen meine Position zu diesem Thema erläutern.
Trotz der in den letzen Jahrzehnten sehr stark gestiegenen Frauenbeschäftigung kann man nicht darüber hinwegsehen, dass ihnen der Aufstieg in Führungspositionen oftmals verwehrt bleibt. Dies kann nicht mit mangelnder Qualifikation erklärt werden, sondern vielmehr mit dem in vielen Wirtschaftsbereichen noch immer veraltetem geschlechtsspezifischen Rollendenken. Die SPD-geführte Bundesregierung hat sich seit ihrem Regierungsantritt für eine Modernisierung unserer Gesellschaft in allen Bereichen eingesetzt. Dazu gehörte auch der Grundsatz, die Gleichstellungspolitik in den Mittelpunkt zu stellen.
Tatsächlich lassen sich Fortschritte verzeichnen. Frauen haben heute bessere Startchancen denn je. Sie haben bei Bildung und Ausbildung mit den Männern gleichgezogen und sie zum Teil sogar überholt. In Top-Positionen der Wirtschaft sind sie, wie bereits erwähnt, dennoch zu selten vertreten, doch rücken sie zunehmend in die öffentliche Aufmerksamkeit.
Wir haben erkannt, dass vor allem die Möglichkeit der Kombinierbarkeit von Beruf und Familie optimiert werden muss, um in diesem Bereich eine Verbesserung zu erzielen.
Durch statistische Erhebungen wissen wir, dass 60 Prozent der jungen Frauen sich eine Vereinbarkeit der beiden Lebenswelten Familie und Beruf wünschen, lediglich eine kleine Minderheit ist ausschließlich haushaltsorientiert. Eine nachhaltige Politik für Familien in Deutschland muss auf die unterschiedlichen Lebensentwürfe von Frauen Rücksicht nehmen, die sich insbesondere in den Vereinbarkeitsstrategien von Familie und Beruf unterscheiden. Dann zeigen familienpolitische Maßnahmen Wirkung durch eine höhere Geburtenrate, eine höhere Lebenszufriedenheit und geringere Armutsrisiken.
Wir werden die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben weiter verbessern durch die Förderung des Ausbaus von Kinderbetreuungseinrichtungen. Ab 2008 wollen wir darüber hinaus den Rechtsanspruch auf einen Ganztags-Kindergartenplatz für Kinder ab zwei Jahren auf den Weg bringen. Er soll ab dem Jahr 2010 wirksam werden. Des Weiteren streben wir die Schaffung von mehr Ganztagsschulen an, um berufstätige Eltern besser zu entlasten.
In diesem Bestreben werden wir zusammen mit Ländern und Gemeinden die "Gebührenfreiheit für Kindertagesstätten" umsetzen. Dieser Prozess wird schrittweise erfolgen.
Besonders hinweisen möchte ich Sie darauf, dass wir die bessere Aufteilung der Kindererziehung auf beide Elternteile unterstützen. Deshalb haben wir den Erziehungsurlaub umgestaltet: Mütter und Väter können gemeinsam bis zu 3 Jahre in Elternzeit gehen und gleichzeitig in Teilzeit arbeiten oder sich untereinander bei Erziehung und Erwerbstätigkeit abwechseln. Gleichzeitig wird das bisherige Erziehungsgeld in ein für ein Jahr gezahltes Elterngeld mit Einkommensersatzfunktion umgewandelt. Dadurch stellen wir sicher, dass Familien ihren Lebensstandard, auch wenn sie ihre Berufstätigkeit unterbrechen, halten können. Die Gleichstellung der Frau wird so gefördert. Väter haben dadurch bessere Möglichkeiten Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
Weiterhin haben wir in der vergangenen Legislaturperiode die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert durch den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, sowie die steuerliche Absetzbarkeit des Großteils der erwerbsbedingten Betreuungskosten.
Nicht zuletzt wurde das Kindergeld erhöht: für das 1. und 2. Kind um 42 Euro (+37 %) von 112 Euro auf 154 Euro im Monat.
Nicht nur die Familienpolitik der Bundesregierung kam Frauen in den vergangenen 7 Jahren zugute.Wir unterstützen Frauen insbesondere auch bei ihrem Start in die Selbständigkeit. Erwerbsgründungen von Frauen nehmen zu: Seit 1991 hat sich die Zahl der selbständigen Frauen in den neuen Bundesländern verdoppelt, das Potenzial von Gründerinnen ist aber noch längst nicht ausgeschöpft. Um Frauen in dieser Phase zu unterstützen, fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Arbeit einer bundesweiten /Gründerinnenagentur/ (bga), die Frauen in allen Branchen und allen Phasen der Gründung informiert und Hilfestellung gibt. Daneben hilft das Förderinstrumentarium der Bundesregierung für kleinbetriebliche Gründungen vor allem gründungswilligen Frauen: Die Kreditprogramme Startgeld und Mikrodarlehen weisen mit 27 Prozent und 30 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil auf.
Die Bundesregierung unterstützt die Wirtschaft darin, die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Beruf zu verbessern und Frauen in Führungspositionen zu fördern: Die erste Bilanz Anfang 2004 der Vereinbarung der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft mit der Bundesregierung, zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern, zeigte Fortschritte bei der Frauenerwerbsbeteiligung und führte ein positives Engagement der Wirtschaft auf.
Sie beklagen, dass die "systematische Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme" Frauen mehr Probleme des täglichen Lebens überträgt. Lassen Sie mich auch dazu Stellung nehmen.
Ziel der umfassenden Reformen, die die rot-grüne Bundesregierung eingeleitet hat, ist die Sicherung der Sozialsysteme auch für die kommenden Generationen. Die älter werdende Gesellschaft ist nur einer der Gründe, warum das bisherige System reformiert werden musste. Vor diesem Hintergrund, sowie aufgrund des hohen Grades an Langzeitarbeitslosigkeit, stellt sich die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit. Immer weniger jüngere Menschen müssen immer mehr ältere Mitbürger unterstützen. Hinzu kommt, dass viele Langzeitarbeitslose oft Jahre lang nicht an der Vermittlung von Arbeitsplätzen teilnahmen. Die SPD-Fraktion verfolgt mit der Agenda 2010 eine langfristige Perspektive: eines der Ziele der Reformen ist die wirksame Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Dabei haben wir die Grundsicherung jedes Einzelnen garantiert. Gleichzeitig betreiben wir durch unsere aktive Arbeitsmarktpolitik die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in die Berufswelt.
Die neue Arbeitsmarktpolitik kommt insbesondere auch Frauen zugute. Frauen, die bisher auf Sozialhilfe angewiesen waren, erhalten seit dem 1.1.2005 unabhängig von ihrer vorherigen Tätigkeit Arbeitslosengeld II. Sie sind darüber hinaus eigenständig renten-, kranken- und pflegeversichert. Gleichzeitig wird vielfältige Unterstützung geleistet, um sie so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu bringen. Dazu gehört auch die Vermittlung einer Betreuung minderjähriger Kinder, die jetzt ausdrücklich zu den gesetzlichen Aufgaben der kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehört.
Wir werden die Arbeitsmarktreformen so weiterentwickeln, dass Frauen, die keine staatlichen Leistungen beziehen, Chancen auf eine Arbeitsvermittlung, eine Umschulung oder eine Fort- und Weiterbildung erhalten, um Selbständigkeit und Unabhängigkeit von Frauen zu fördern. Wir sorgen insbesondere für die Chancengleichheit bei der sozialen Sicherung. Mit der im Jahr 2002 beschlossenen Rentenreform ist der Einstieg in eine partnerschaftliche Teilung der Altersansprüche geschaffen worden. Ehepaare können unter bestimmten Voraussetzungen ein Rentensplitting der gemeinsam in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen. Zudem wird seit dem 1.1.2002 der Aufbau einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge durch Zulagen und Steuerabzug gefördert (sog. Riesterrente). Für jedes Kind steht den Eltern nach Zahlung eines Mindesteigenbeitrages eine Kinderzulage zu, die bis zum Jahr 2008 gestaffelt auf 185 Euro je Kind ansteigt. Außerdem gelten seit 2005 sog. Unisextarife in der Riesterrente. Damit dürfen die Versicherungen bei Neuverträgen nicht mehr unterschiedlich hohe Beiträge für Frauen und Männer für gleiche Leistungen festsetzen.
Schließlich stellen Sie die Frage, wie die SPD-Fraktion zur Schaffung der 30 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich aus Sicht der Lage der Frauen steht.
Soweit ich Sie richtig verstanden habe beruht Ihr Anliegen auf der Vorraussetzung, das Frauen aufgrund Ihrer gesellschaftlichen Rolle eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit benötigten, um die Ihnen aufgetragenen Lasten zu bewältigen. Wie ich bereits oben darlegte zielt die Politik der Bundesregierung auf die Schaffung wirklicher Gleichberechtigung und die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ab. Eine Sonderstellung der Frau in Bezug auf die wöchentliche Arbeitszeit und die damit verbundenen Neuregelungen stellen aus unserer Sicht keinen sinnvollen Beitrag auf dem Weg in eine Gesellschaft der vollen Gleichberechtigung dar. Stattdessen zielt die Bundesregierung auf die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab, wie ich Ihnen oben bereits ausführlich erläutert habe. Lassen Sie mich anmerken, dass Forderungen nach einer drastischen Reduktion der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich im Kontext der wirtschaftlichen Lage in Deutschland und Europa unerfüllbar sind.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen ausreichend beantworten. Wenn Sie das Thema vertiefen möchten oder andere Anliegen haben, besuchen Sie mich doch einfach in meiner Bürgersprechstunde. Einen Termin können Sie unter 030/ 227 70185 vereinbaren. Oder schreiben Sie mir eine e-Mail direkt an swen.schulz@bundestag.de mailto:swen.schulz@bundestag.de
Mit den besten Grüßen
Swen Schulz, MdB