Frage an Swen Schulz von Oscar L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schulz,
als Mitglied der SPD und somit der Partei, die den aktuellen Finanzminister stellt (welcher sich auch noch als Kanzlerkandidat sieht) erscheinen Sie für mich der richtige Ansprechpartner für meine Frage zu sein. Ich versuche mich so verständlich wie möglich auszudrücken, obwohl dies bei so wenigen Zeichen und einem so komplexen Thema durchaus schwierig werden könnte.
Auch wenn ich weiß, dass die SPD in der Bundesregierung nur einen bedingten Einfluss auf die EZB hat, so hat sie doch in den vergangenen Jahren das Spardiktat für Länder wie Griechenland, Spanien und Italien mitgetragen. Obwohl viele Wirtschaftsexperten eine an den Mashallplan im Nachkriegsdeutschland angelehnte Investitionspolitik empfahlen. Diese Investitionspolitik hätte zweifelsohne zu einer höheren Inflation geführt, wodurch gerade reichere Menschen einen nicht zu vernachlässigen Anteil an ihrem Vermögen eingebüßt hätten. Dadurch, dass die Ärmeren 90% kein oder deutlich weniger gespartes Vermögen haben ist der Verlust bei Ihnen wesentlich geringer, da sich die Löhne an die Inflation anpassen.
Nach der aktuellen Politik der EZB, welche von der Bundesregierung getragen wird, ist allerdings die Preisstabilität das oberste Gebot. Dies führt zwangsweise dazu, dass die reichen immer reicher und die, welche die eigentliche Leistung erwirtschaften, immer ärmer werden. Mittelfristig führt diese Politik zu einer natürlichen Umverteilung, in der Regel in Form einer Hyperinflation. Viele Volkswirtschaftler halten diesen Effekt tatsächlich für unvermeidbar, allerdings könnte man seine Folgen durch eine geschickte und zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik abmildern und den mittleren und kleinen Einkommensschichten mehr Möglichkeiten zum wirtschaftlichen Aufschwung bereitstellen.
Meine abschließende Frage lautet also: Inwiefern ist die aktuelle Wirtschaftspolitik der SPD sozial und ist die Bundesregierung mit der aktuellen Wirtschaftspolitik zufrieden?
Viele Grüße
O. L.
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Frage. Da ich nicht Mitglied der Bundesregierung bin, kann ich auf Ihre letzte Frage, ob diese mit Ihrer aktuellen Wirtschaftspolitik zufrieden sei, leider nicht antworten. Zu den Themen davor kann ich Ihnen jedoch gerne meine persönliche Position als Abgeordneter schildern.
Die EZB ist eine politisch unabhängige Institution, das Ziel der Preisstabilität ist ihr von den europäischen Verträgen vorgeschrieben. Es lässt sich nun darüber streiten, ob es sinnvoll wäre stattdessen eine Zentralbank mit explizit politischem Mandat zu haben, die Wachstum und Arbeitslosigkeit als Faktoren mit berücksichtigt, wie zum Beispiel die US-amerikanische Federal Reserve. Fakt ist jedoch, dass dafür eine Änderung der europäischen Verträge notwendig ist, die man nur mit Mehrheiten in allen EU-Mitgliedstaaten erreicht. Eine solche Änderung strebe weder ich, noch die SPD Bundestagsfaktion momentan an. Über das Handeln und die Zinspolitik der EZB hat weder die SPD, noch die Bundesregierung, noch die Europäische Union einen direkten Einfluss.
Wenn wir jedoch über die Sparmaßnahmen für südeuropäische Länder während der Finanzkrise reden, allen voran Griechenland, dann muss man festhalten, dass die Entscheidungen über diese Politik nicht nur bei der EZB, sondern vor allem von der Kommission und von den Staats- und Regierungschefs im europäischen Rat getroffen wurden. Für den europäischen Stabilitätsmechanismus und den Fiskalpakt waren auch Mehrheiten in den nationalen Parlamenten nötig.
Zu der Zeit, als die härtesten Sparmaßnahmen beschlossen wurden, war die SPD in der Opposition, auch wenn die Fraktion damals den ESM und Fiskalpakt im Bundestag mitgetragen hat. Damals wie heute ist es unsere und auch meine Position, dass ein gewisses Maß an Konsolidierung zwar nötig ist, um den Staatshaushalt auf ein stabiles Fundament zu stellen, parallel jedoch zwangsläufig Investitionen stattfinden müssen. Gegen Steuerflucht vorzugehen, Luxussteuern zu erheben, nachlässige und aufgeblähte Verwaltungen zu reformieren oder großzügige Frühverrentungspraktiken ohne vernünftige Gegenfinanzierung zu stoppen waren sehr sinnvolle Maßnahmen. Länder hingegen zu Infrastrukturprivatisierungen und zur Kürzung von Sozialleistungen für Bedürftige zu zwingen war falsch. An einigen Stellen habe ich den Beschlüssen auch nicht zugestimmt.
Ein durch die Finanztransaktionssteuer gespeister europäischer Investitionsfonds, eine europäische Ausbildungsgarantie gegen Jugendarbeitslosigkeit, eine europäische Arbeitslosenversicherung, die Ländern in der Krise unter die Arme greift, damit diese die Arbeitslosenhilfe nicht kürzen müssen oder eine europaweite Mindestbesteuerung von Unternehmen gekoppelt mit einer europäischen Finanzpolizei, die Steuerflucht effektiv und hart bekämpft sind nur einige SPD Vorschläge, die ein Alternative zum Sparkurs aufweisen. Sie waren auch alle Teil unseres Wahlprogramms zur Europawahl. Eine solche Haushalts- und Finanzpolitik sehe ich durchaus als sozial. Ich hoffe, einige dieser Reformen werden in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt, sodass es bei zukünftigen Krisen nicht mehr zu den Fehlern von 2009 kommt.
Mit den besten Grüßen,
Swen Schulz