Frage an Swen Schulz von Thomas K.
Guten Tag,
warum wird die SPD einem Programm zustimmen das die Bevölkerung in Griechenland nachweislich ablehnt (Referendum) ? Warum stimmt die SPD einem Programm zu was die griechische Regierung nicht will ? Was befähigt Sie das trotzdem durchzuziehen ? Statt Europa zu stabilisieren wird die Spaltung nun vorangetrieben. Sündenbock ist nun das "unmenschliche" Deutschland. Das vorher eher unbedeutende Griechenland wird nun ein gefährlicher und vor allem dicker Keil für Europa. Man muß auch einmal zur Kenntnis nehmen das einem Patient nicht mehr zu helfen ist. Eines Tages geht es uns allen so. Jetzt wird dieser Patient den Rest mit krankmachen. ES GIBT KEINE WUNDERHEILUNG.
Sehr geehrter Herr Kucksdorf,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die Griechenland-Politik ist ja hoch umstritten - mit sehr unterschiedlichen Argumenten. Meine Sicht entnehmen Sie vielleicht am besten der persönlichen Erklärung, die ich zur Abstimmung abgegeben habe.
Sie lautet wie folgt:
"Persönliche Erklärung gemäß § 31 GO-BT
zum Antrag des Bundesministeriums für Finanzen bezüglich der Zustimmung für die Aufnahme von Verhandlungen über Finanzhilfen für Griechenland, Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 17. Juli 2015.
Als Voraussetzung für Finanzhilfen aus dem ESM wurde ein Reformpaket für Griechenland verhandelt, welches neue Sparmaßnahmen, Privatisierungen und andere Strukturmaßnahmen für das Land beinhaltet. Von diesen begrüße ich solche Reformen, die darauf abzielen den Staatsapparat dynamischer und Strukturen nachhaltiger zu gestalten.
In der vorliegenden Form des Programms besteht allerdings die Gefahr, dass sich die Wirtschafts- und Haushaltslage Griechenlands mittelfristig nicht verbessert. Es ist zu befürchten, dass die geplanten Sparmaßnahmen das Land wie auch die bisherigen Programme nicht aus der Rezession bringen und die Währungsunion in wenigen Jahren erneut vor einem Konflikt steht, der die Grundidee der europäischen Integration herausfordert. Damit einhergehend droht eine weitere, massive Verschärfung der sozialen Probleme und eine Zuspitzung der humanitären Krise in Griechenland.
Eine wesentliche Frage ist daher, wie in Griechenland nachhaltige Wachstumsimpulse geschaffen werden können. Nur Wachstum und Beschäftigung ermöglichen es dem Land ohne weitere Hilfen auszukommen, soziale und humanitäre Probleme zu lösen und letztlich auch Schulden abzutragen. Hierfür ist der schnelle und erfolgreiche Einsatz der geplanten Mittel aus verschiedenen Programmen der Europäischen Union von hoher Bedeutung. Die Förderungen müssen das Wachstum in dem Land schnellstmöglich beschleunigen. Es bedarf auch der Beseitigung von Unsicherheiten. Private Investoren werden das Land meiden, wenn nach Auslaufen des ESM-Programms in drei Jahren erneut die Gefahr eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone besteht. Die vorliegende Einigung ist somit nur eine oberflächliche und zeitlich befristete Lösung des Problems. Auf eine Auflistung weiterer wesentlicher Kritikpunkte an dieser Einigung, sei es in sozialer Hinsicht, mit Blick auf die gerechte Verteilung der Lasten oder die Frage der Privatisierung, verzichte ich in dieser Erklärung. Viele der Maßnahmen würden, auf Deutschland übertragen, im Deutschen Bundestag unter keinen denkbaren Umständen eine Mehrheit erhalten.
Eine Ablehnung weiterer Verhandlungen auf dieser Grundlage jedoch würde zu einer vollkommen unhaltbaren Situation für Griechenland, die Eurozone, Europa und somit auch für Deutschland führen. Zudem sehe ich, dass es sich hier um einen Kompromiss unter äußerst schwierigen Bedingungen mit vielen Akteuren und sehr unterschiedlichen Interessen handelt.
Darum stimme ich dem Antrag der Bundesregierung zwar zu, Verhandlungen für ein detailliertes Programm aufzunehmen. Ich verbinde diese Zustimmung allerdings mit der Erwartung, dass in der Ausgestaltung der vorliegenden grundsätzlichen Einigung der Staats- und Regierungschefs wachstumsfördernde Maßnahmen und soziale Aspekte stärker zur Geltung gebracht werden.
So wichtig die wirtschaftliche Erholung Griechenlands als Grundlage für eine gute gesellschaftliche Entwicklung ist und so sehr die verschiedenen griechischen Regierungen Verantwortung für die heutige Situation haben: Wir dürfen Europa nicht bloß als eine Art Wirtschaftsunternehmung betrachten und Griechenland nicht als einen untauglichen Geschäftspartner. Die europäische Integration ist mehr. Europa ist ein gemeinsames Dach in dem Frieden, Freiheit und Demokratie gewährt werden sollen. Deutschland hat Europa in vielerlei Hinsicht unendlich viel zu verdanken und wird weiter darauf angewiesen sein.
Diesen europäischen Geist vermisse ich in den Verhandlungen auf allen Seiten immer mehr - in Deutschland wie in den anderen europäischen Staaten, auch in Griechenland. Letztlich wird weder die Stabilisierung Griechenlands noch die europäische Integration gelingen, wenn nicht wieder stärker zusammengearbeitet wird."
Wenn Sie Interesse an einem persönlichen Gespräch haben, stehe ich dafür gerne zur Verfügung. Sie erreichen mein Büro für eine Terminabsprache unter der Telefonnummer 030/ 36 75 70 90 oder per Email swen.schulz.ma05@bundestag.de.
Mit den besten Grüßen
Swen Schulz
Swen Schulz
Mitglied des Deutschen Bundestages