Frage an Svenja Stadler von Monika L. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Stadler,
ich mache mir Sorgen um die Verrohung unserer Gesellschaft. Wenn Leute hinterrücks die Treppe runter getreten werden, Gewalt gegenüber Flüchtlingen passiert oder Obdachlose angezündet werden, stimmt etwas nicht in unserem Land. Ich möchte Sie fragen, was die SPD und Sie im Besonderen dazu tun werden, dass schon in Kindergarten und Schule Empathie gelehrt und trainiert wird, damit sich unsere Kleinsten von der Gesellschaft angenommen fühlen,damit aus ihnen selbstbewusste, verantwortungsvolle Bürger werden können, die mit Gewalt, Hass und Ausgrenzung nichts am Hut haben. Dazu muss dringend etwas mit unserem Bildungssystem passieren! Was will die SPD, was wollen Sie in diesem Punkt unternehmen?
Ich freu mich auf Ihre Antwort!
Mit herzlichen Grüßen
M. L.
Sehr geehrte Frau Lürtzing,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich teile Ihr Entsetzen über völlig ungehemmte Gewaltattacken gegenüber Mitmenschen. Derartiges Verhalten ist absolut intolerabel, steht im Widerspruch zum wesentlichen Grundsatz unseres Zusammenlebens, der Achtung der Menschenwürde, und fordert uns heraus, einen angemessenen Umgang damit zu finden. Die Täter konsequent und mit den angemessenen Mitteln des Rechtsstaates zur Verantwortung zu ziehen, ist unabdingbar.
Wie Sie selbst andeuten, ist es mindestens ebenso wichtig, derartige Vorkommnisse nach Möglichkeit von vorneherein zu verhindern. Ein Patentrezept für eine garantiert gewaltfreie Gesellschaft gibt es nicht. Doch wissen wir längst genug über Ursachen und begünstigende Faktoren von Gewalt, um uns nicht vermeintlich hilflos und achselzuckend aus der Verantwortung zu ziehen.
Wenn wir Selbstwertgefühlt, Empathiefähigkeit und Achtung der Menschenwürde als wesentliche Voraussetzungen verstehen, dann kann eine entsprechende Bildung den Nährboden dazu liefern. Im SPD-Regierungsprogramm haben wir uns daher auf umfangreiche Investitionen in Kitas, Schulen und Bildung insgesamt festgelegt: Die Kitagebühren sollen schrittweise abgeschafft werden, die Nachmittagsbetreuung in Kitas und Grundschulen soll ausgebaut werden. Mit einem Qualitätsgesetz steigern wird die Qualität der Kitas. Der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher wird aufgewertet, die Qualifizierung auf hohen bundeseinheitlichen Standard gebracht. Mit einer Fachkräfteoffensive wollen wir die Betreuungsdichte deutlich erhöhen.
Wir streben die Aufhebung des sogenannten Kooperationsverbotes an. Das hieße z.B., dass der Bund endlich die Möglichkeit bekommt, in finanzschwachen Kommunen direkt in Bildungseinrichtungen wie Kitas, Schulen, Horte und Berufsschulen investieren zu können. Gemeinsam mit den Ländern wollen wir die Schulsozialarbeit ausbauen. Denn Schulen mit Ganztagsangeboten brauchen multiprofessionelle Teams. Gute Ganztagsschulen müssen sich zudem gegenüber Partnern außerhalb der Schule öffnen und Kinder und Jugendliche an der Gestaltung der Angebote beteiligen. Schule ist Ort der Bildung, der Wertevermittlung und Lernort für lebendige Demokratie. Wir wollen auch das ehrenamtliche Engagement von Schülerinnen und Schülern fördern. Dafür ist es unter anderem wichtig, zeitliche Freiräume zu schaffen.
Doch schon lange vorher, bereits vor Eintritt in den Kindergarten werden viele Weichen für die weitere Persönlichkeitsentwicklungen eines Kindes gestellt. Daher setzen wir Sozialdemokraten einen besonderen Schwerpunkt auf eine Familienpolitik, die Familien den Raum für eine bestmögliche Entfaltung des Familienlebens ermöglicht - zum Beispiel durch zeitliche Entlastungen im Berufsleben.
Die institutionalisierte Bildung – Kindergarten, Schule usw. - kann meines Erachtens nur dann Früchte tragen, wenn sie nicht isoliert gegenüber oder gar im Widerspruch zu den übrigen Lebenserfahrungen steht. Respekt und Achtung ist Kindern schwer vermittelbar, wenn die Gesellschaft außerhalb der Schule von Ausgrenzung und extrem ungleichen Lebensbedingungen geprägt ist. Chancengleichheit, Gerechtigkeit, der Umgang miteinander auf Augenhöhe, das sind für mich wesentliche Aspekte von Menschenwürde. Daher ist „Zeit für Gerechtigkeit“ auch nicht nur ein Wahlkampfslogan, sondern ein ernst gemeinter Anspruch, der sich aus dem ersten Artikel unseres Grundgesetzes ergibt.
Mit freundlichen Grüßen
Svenja Stadler