Frage an Svenja Stadler von Peter V. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Stadler,
Auf meine Frage vom 06.03.2015 (ausreichend aufgeklärte Gesellschaft?) haben Sie am 08.04.15 in letzten Abschnitt u.a. gesagt:
„Nur wer Zugriff auf Bildung im umfassenden Sinne hat, kann seine Umwelt selbstbewusst gestalten.“
Ich sehe die Bemühungen der Bundesregierung auf diesem Gebiet (BNE) mit hohem Kostenaufwand. Aber ich teile die Auffassungen von Harald Welzer /Bernd Sommer1 – Zitat: „Solange die dominante gesellschaftliche Praxis in so eklatantem Widerspruch zu den vermittelten Inhalten steht, werden die Lernerfolge (…) allenfalls zu kognitiver Dissonanz führen, viel wahrscheinlicher aber zu einer gar nicht weiter problematischen Einrichtung in gelebte Widersprüchlich (Hinweis Vollmer: gerade ertönt im TV die Nationalhymne zur Eröffnung der neuen Bundesliga-Saison – kurz vorher wurde die Flüchtlingsproblematik erörtert)…Es wird eine Reflexionsindustrie zum Thema Nachhaltigkeit etabliert, die überwiegend friedlich mit den fortgesetzten nicht-nachhaltigen Produktions- und Konsumptionsverhältnissen koexistiert…Jeweils etablieren sich reflexive Teilsysteme (Verbraucherberatung, Climate Service Center, CO2-Rechner), die die Verfahren des gesellschaftlichen Stoffwechsels selbst unberührt lassen…..“.
Aus den genannten Gründen werden u.a. Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wiederholt nicht erreicht. Dazu trägt u.a. auch die angekündigte Steigerung der SUV-Produktion von VW und AUDI bei (vgl. meine Frage vom 02.07.15 hier auf AG.watch). Ich teile auch die Ansicht Marlehn Thiemes2:
"Nachhaltigkeit erfordert Entscheidungen - nicht in ferner Zukunft, sondern jetzt."
Was können wir Ihrer Meinung nach über die bisherigen Anstrengungen hinaus tun, um die Herausforderungen durch die Klimaveränderungen und Ressourcenverknappung positiv zu bewältigen?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Vollmer
1Transformationsdesign – Wege in eine zukünftige Moderne S.38/39; oekon-Verlag
2 Marlehn Thieme, Vorsitzende des Rates für nachhaltige Entwicklung
Sehr geehrter Herr Vollmer,
vielen Dank für Ihre erneute Frage zur Aufgeklärtheit unserer Gesellschaft und zum Klimawandel.
Wie in meiner letzten Antwort zu diesem Thema bereits geschrieben, bin ich der Ansicht, dass sich die großen Aufgaben unserer Zeit, darunter auch die Ressourcenverknappung und der Klimawandel nur gemeinsam und gesellschaftlich begegnen lassen.
Für mich ist klar, dass wir Ressourcenverknappung, Klimawandel und weitere Herausforderungen mit einem ganzheitlichen Ansatz begegnen müssen. Diese Arbeit betrifft nicht nur den Gesetzgeber, sondern fängt ganz konkret bei jedem Einzelnen von uns an. Bei unseren Konsumentscheidungen und allen anderen kleinen Dingen, die jeder von uns jeden Tag entscheidet.
Sie zitieren die Vorsitzende des Rates für nachhaltige Entwicklung, Marlene Thieme mit den Worten "Nachhaltigkeit erfordert Entscheidungen - nicht in ferner Zukunft, sondern jetzt." Ich gebe Frau Thieme und Ihnen vollkommen recht. Ich glaube jedoch nicht daran, dass diese Entscheidungen von oben herab getroffen werden sollten. Ein demokratischer Gesetzgeber kann immer nur so fortschrittlich sein, wie es die Gesellschaft und die Bürgerinnen und Bürger zulassen. Eine "Überforderung" durch zu weitgehende staatliche Maßnahmen birgt immer die Gefahr, der Ablehnung durch (größere) Teile der Gesellschaft.
Ich setze daher weiterhin darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger sich der Folgen ihres Handelns bewusst sind oder sich dieser Folgen bewusst werden. Und dies zur Grundlage der Entscheidungen machen, die eben bereits jetzt zu treffen sind. Wie sie selber schreiben, gibt es bereits eine spürbare Entwicklung in die richtige Richtung - ob die angesprochenen climate service center oder die Verbreitung der Energieberatung. Auch wenn dies nur kleine Schritte sein mögen und Sie befürchten, dass es sich sogar nur um "reflexive Teilsysteme" handeln würde, sind diese Schritte in meinen Augen doch der richtige Weg. Die Demokratie ist eine Gesellschaftsform der kleinen Schritte. Auch wenn es manchmal für Einzelne angebracht scheint, einen größeren Schritt "durchzudrücken", so bin ich doch der Meinung, dass in solchen Fällen der Schaden für die Gesellschaft größer ist als der Nutzen.
Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam mit vielen kleinen Schritten weiter vorangehen. Je mehr sich das Bewusstsein für den Klimawandel und die Ressourcenknappheit gesellschaftlich durchsetzt, desto weiter können auch staatliche Maßnahmen zu ihrer positiven Bewältigung greifen.
Mit freundlichen Grüßen
Svenja Stadler