Frage an Susanne Melior von Bernhard B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Melior,
Der Parteikonvent der SPD im September 2014 beschloss “Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche”. Nun hat die öffentliche Debatte des letzten Jahres zu den Handelsabkommen TTIP und CETA deutlich gemacht, dass in gleichem Maße Erwartungen der Öffentlichkeit an die Politik der SPD bestehen. Der Bundesparteitag der SPD vom 10.-12. Dezember 2015 wird - so vermute ich - auf diese Erwartungen reagieren und eine Position zum derzeitigen Stand der Handelsvereinbarungen beziehen. In diesem Zusammenhang möchte ich folgende Fragen an Sie richten:
1. Das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) liegt seit letztem Jahr in seiner konsolidierten Textversion vor. Die Handelskommissarin Malmström hat im September d.J. Reformvorschläge zum Investitionsschutz und zu den Schiedsgerichten unterbreitet, die in nicht geringem Maße auf die Bemühungen sozialdemokratischer Politiker in Deutschland und Europa zurückgehen.
Erachten Sie es im Lichte dieser Vorschläge für notwendig, einzelne Kapitel in CETA neu zu verhandeln? Was sind die Beweggründe für Ihre bejahende oder ablehnende Haltung?
2. Die Europäischen Kommission legte Ende Oktober d.J. den Textvorschlag zu einem Nachhaltigkeits-kapitel für die Verhandlungen zu TTIP vor.
Erachten Sie die dort vorgeschlagenen Schutzstandards für Arbeitnehmer- und Umweltrechte als ausreichend, wenn man sie an den Erwartungen des Parteikonvents misst? Was sind die Gründe für Ihre Auffassung?
3. Sehen Sie in CETA und TTIP (soweit Textvorschläge vorliegen) für Arbeitnehmer- und Umweltrechte einen wirksamen Durchsetzungsmechanismus, der gewährleistet, dass diese Rechte ihre Funktion als Schutzstandards erfüllen können und sie nicht in die Rolle nicht-tarifärer Handelsbarrieren gedrängt werden?
Ich hoffe auf eine baldige Antwort und verbleibe
mit freundlichem Gruß
B. B.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Zum Investitionsschutz in TTIP und CETA: Nach der aktuellen Lage der Dinge werden weder die Sozialdemokratische Fraktion (S&D) noch das Europäische Parlament ihre Zustimmung zu privaten Schiedsstellen geben. Diese Hürde muss jedes Handelsabkommen, das den Abgeordneten vorgelegt wird, nehmen. Klar ist, dass das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada zurzeit an diesen Anforderungen scheitern würde.
Der Vorschlag der Kommission vom Oktober 2015 zum Nachhaltigkeitskapitel geht deutlich weiter als alle bisherigen. Damit folgt die EU-Kommission der klaren Position des Europäischen Parlaments vom 8. Juli, in der ein umfangreiches Kapitel zu Arbeitnehmerrechten und Nachhaltigkeit eingefordert wurde.
Mein Fraktionskollege Bernd Lange, der auch Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel im Europäischen Parlament ist, hat den aktuellen Stand wie folgt eingeschätzt: „In dem jetzt veröffentlichten Nachhaltigkeitskapitel wird die Umsetzung der grundlegenden Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingefordert und die Ratifizierung noch ausstehender ILO-Arbeitsnormen vereinbart. Insbesondere sind die Rechte von Arbeitnehmern auf Vereinigung und zum gemeinsamen Verhandeln von Löhnen und Arbeitsbedingungen in einem eigenen Kapitel festgeschrieben (ILO 87 und 98), ebenso das Verbot von jeglichen Aktionen der Diskriminierung von Gewerkschaften. Die Kontrolle der Arbeitnehmerrechte und der Sicherheit soll unter anderem durch Arbeitsinspektoren erfolgen. Wichtig ist auch die Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen. Im Umweltschutzbereich wird auf die UN-Nachhaltigkeitsziele und grundlegende Schutzstandards Bezug genommen.“ Dem schließe ich mich an und bemerke dazu, dass schlussendlich entscheidend sein wird, was der noch vorzulegende Entwurf vorsieht, um die Durchsetzung dieser Ziele erfolgreich zu ermöglichen
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Melior