Sehr geehrte Frau Hennig-Wellsow, warum müssen Betriebsrentner weiterhin den Solidaritätszuschlag auf die bAv-Kapitalleistung zahlen?
Sehr geehrte Frau Hennig-Wellsow, warum müssen Betriebsrentner weiterhin den Solidaritätszuschlag auf die bAv-Kapitalleistung zahlen? Die Kapitalleistung wird nicht abwählbar statt der monatlichen Rente gezahlt (z.B. bei Montanunternehmen). Neben dem doppelten Krankenkassenbeitrag kommt zusätzlich durch die Einmalzahlung der Soli dazu. Die Abgabenlast ist je nach Kapitalleistung doch auch ohne Soli schon bei über 60%!
Mit freundlichen Grüßen
E.C.
Sehr geehrter Herr C.,
gemessen an dieser Zielsetzung teile ich Ihre Auffassung. Es ist es ungerecht, dass auch die Bezieher*in von normal hohen Betriebsrenten (ausgenommen Vorstände und Geschäftsführer*innen mit hohen Betriebsrenten), wenn diese als Kapitalleistung ausbezahlt werden, weiterhin dem Soli unterliegen. Wobei an dieser Stelle auch gesagt werden muss, dass eine Abgabenlast von über 60% bei Auszahlung einer bAV als Kapitalleistung nicht der Realität entsprechen kann.
Der primäre Grund für diese Ungerechtigkeit ist aber weniger die Ausgestaltung des Soli. Vielmehr ist die maßgebliche Ursache, dass keine Verpflichtung besteht, die Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) als lebenslange Rente zu gewähren. Stattdessen können diese auch vollständig oder teilweise als Kapitalleistung ausgezahlt werden. Folge dessen ist, dass eine steuerliche und abgabenmäßige Gleichbehandlung der verschiedenen Auszahlungsarten zumindest auf individueller Ebene unmöglich ist. Denn dazu müsste im Voraus die Lebenszeit bekannt sein.
Die Besteuerung von Leistungen der bAV ist hochkomplex. Sie ist zunächst abhängig von der Art der bAV (z. B. Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds). Insbesondere ist wichtig, ob und falls ja, in welchem Umfang, die Einzahlungen in die bAV steuerlich gefördert wurden.
Spezielle Regelungen, die auf die Art der Auszahlung der bAV abstellen, gibt es nur für die darauf zu leistenden Sozialabgaben. So werden bei Auszahlung als Kapitalleistung die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 120 Monate (10-Jahresfrist) umgelegt. Demgegenüber gilt für die Besteuerung von Kapitalleistungen regelmäßig, dass diese vollständig im Jahr der Auszahlung zu versteuern sind. Folge ist, dass in diesem Jahr die oder der Steuerpflichtige ein einmalig hohes zu versteuerndes Einkommen aufweist. Aufgrund des progressiven Tarifs der Einkommensteuer (= mit der Höhe des zu versteuernden Einkommens steigt dessen anteilsmäßige Belastung) steigt damit der durchschnittliche Steuersatz an. Je nachdem, wie hoch das zu versteuernde Einkommen ist, kommt noch der Soli obendrauf. Dieser stellt aber letztlich nur eine Verstärkung des progressiven Tarifs der Einkommensteuer dar. Das Grundproblem einer außergewöhnlichen hohen prozentualen Belastung im Falle einer Auszahlung als Kapitalleistung besteht auch ohne ihn.
Für die Fälle einer außergewöhnlichen Einkommensballung in einem Jahr hat das Steuerrecht an sich die sogenannte Fünftelregelung gem. § 34 Absatz 1 Einkommensteuergesetz vorgesehen (z. B. für Abfindungen). Dadurch wird eine einmalige hohe Einnahme so behandelt, als ob die oder der Steuerpflichtige sie gleichmäßig verteilt über die kommenden fünf Jahre erhalten hätte. Folge ist - mit Ausnahme von sehr hohen Einmalzahlungen -, dass die Belastung sinkt und der Soli nicht oder nur ermäßigt zur Anwendung kommt.
Die Anwendung der Fünftelregelung ist in der Regel bei Auszahlung einer bAV als Kapitalleistung ausgeschlossen. Ausnahmen gelten nur in Sonderfällen, die von der Rechtsprechung bestimmt wurden (wichtigste Voraussetzung ist, dass es sich bei der Auszahlung um einen atypischen Vorgang handelt). Nach meiner Auffassung sollte die Fünftelregelung bei Auszahlung einer bAV als Kapitalleistung generell angewendet werden, um die genannte Ungerechtigkeit zu beseitigen. Damit würde zugleich die Belastung mit dem Soli für den Großteil der Fälle beseitigt oder zumindest ermäßigt (= im Rahmen der sogenannte Milderungszone, in der der Soli nur teilweise zur Anwendung kommt).
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Hennig-Wellsow