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Susanne Hennig-Wellsow
DIE LINKE
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Frage von Kurt G. •

Ist eine Nicht-Beachtung in Afghanistan der richtige Weg?

Liebe Frau Hennig-Wellso

Sie hatten auf meine Frage (https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/susanne-hennig-wellsow/fragen-antworten/582425) sehr ausführlich geantwortet.

Halten Sie angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan mit dem Vorrücken der Taliban und der Wiedererichtung eines Gottesstaates weiterhin daran fest, dass die internationale Gemeinschaft nicht die Pflicht hätte, hier für Menschen- und Bürgerrechte einzutreten?

Hinsichtlich des Irak: Sind Sie wirklich der Ansicht, dass das Leben unter Saddam Hussein so erträglicher war als die Leistung, die die internationalen Truppen erreicht haben?

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Antwort von
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Lieber Herr. G.,

Danke für Ihre Fragen. Beide Fragen haben politische wie historische Implikationen, die eigentlich einer längeren Beschreibung bedürfen. Ich hoffe Sie gestatten mir, dass ich mich dennoch versuche eher kurz zu fassen.

Ich halte den Vormarsch der Taliban in Afghanistan und deren Absicht ein "Islamisches Emirat" zu errichten in jeder Hinsicht für fatal. Es ist eine Katastrophe für Frauen und Mädchen, es wird eine Katastrophe für die Bürgerrechte im Allgemeinen, für die Rechte von Minderheiten im Besonderen, wie überhaupt für die Demokratie in Afghanistan.

Dennoch, und hier wird die Situation eben auch komplizierter, ist der Abzug der westlichen Armeen und das Ende der Intervention meiner Ansicht nach völlig richtig. Es ist eine humanitäre Katastrophe, wie es jetzt vollzogen wurde, aber es war überfällig und bitter notwendig, dass dieser Krieg endet.

Denn, auch das muss festgehalten werden, für sehr viele Afghan*innen war die Präsenz der westlichen Truppen in Verbindung mit einer abhängigen Regierung keine unmittelbare Verbesserung ihrer Lebenssituation. Ja, in den größeren Städten entwickelte sich so etwas wie eine Zivilgesellschaft, aber auf dem Land war die Bevölkerung vielfach einer korrupten Verwaltung ausgeliefert und litt zudem unter den jahrelangen Drohnenangriffen, die immer wieder auch zivile Opfer forderten. Die internationale Gemeinschaft hätte schon sehr lange die Pflicht gehabt, diesen Einsatz zu beenden und andere, friedliche und die Entwicklung fördernde Schritte in Afghanistan zu befördern. Das ist leider nicht geschehen und Historiker werden im Rückblick auf die letzten Monate feststellen, dass die USA durch ihre "Friedensverhandlungen" in Doha den Taliban Afghanistan faktisch wieder ausgehändigt haben. Insoweit ist der Westen für die aktuelle Situation ursächlich eben auch mitverantwortlich.

Zu Ihrer zweiten Frage. Nein, ich bin mitnichten der Ansicht, dass das Leben im Irak unter Saddam Hussein in irgendeiner Form erträglich war. Der Nahe und Mittlere Osten kennt aus seiner Geschichte viele Autokraten und Diktatoren. Saddam Hussein gehört ganz sicher zu den blutigsten und brutalsten Gewaltherrschern der nahöstlichen Neuzeit.?

Beste Grüße

Susanne Hennig-Wellsow

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