Frage an Susan Schulz von Sarah K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Welchen Beitrag kann Ihrer Meinung nach die politische Bildung zur Bekämpfung der weit verbreiteten Demokratiemüdikeit leisten? Sind Sie mit der Organisation der politschen Bildungsarbeit in MV zufrieden oder würden daran etwas ändern?
Sehr geehrte Frau Kunert,
Welchen Beitrag kann Ihrer Meinung nach die politische Bildung zur Bekämpfung der weit verbreiteten Demokratiemüdigkeit leisten?
Politik spielt für die Menschen eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr sind gerade die Menschen in M-V geprägt von der Sorge um den Arbeitsplatz; sie unterstehen einem erhöhten Flexibilitäts- und Qualifizierungsdruck in der Arbeitswelt und müssen ihren Lebensweg mehr denn je eigenverantwortlich organisieren.
Gibt es zwar auf der einen Seite eine ganze Reihe von Möglichkeiten, sich in den politischen Gestaltungsprozess einzubringen, so wird dieser Prozess andererseits immer unübersichtlicher für den Bürger.
Politische Bildung muss über demokratische Institutionen, Prozesse und Möglichkeiten informieren, darf aber auch Kritisches nicht ausblenden. Nur so kann sie für Demokratie werben und Bürger zur Beteiligung ermutigen. Die Beteiligung an politischen Prozessen und der Einsatz für das Gemeinwohl kann für jeden Einzelnen ein großer persönlicher Gewinn sein, ist aber auch mit einer gewissen Ausdauer verbunden.
Dabei muss sich die politische Bildung auf die veränderten Lebensverhältnisse der Menschen einstellen. Natürlich ist es einfacher, die ohnehin interessierten Bürger und Bürgerinnen zu erreichen. Angebote der politischen Bildung dürfen sich nicht auf die Universitätsstädte begrenzen. Gerade im ländlichen Raum, wo oftmals kulturelle Veranstaltungsangebote fehlen, gibt es gute Möglichkeiten, kulturelle und politische Bildung miteinander zu verbinden.
Ein mir sehr wichtiger Aspekt ist, dass die Politische Bildung einen wirksamen Beitrag zur Förderung von Akzeptanz und Toleranz leisten kann. Dies ist vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit autoritären Ideologien wie etwa dem Rechtsextremismus von entscheidender Bedeutung. Durch poli tische Bildungsarbeit können Bürgerinnen und Bürger und vor allem auch engagierte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihrem Wirken für eine starke Demokratie unterstützt werden.
Die politischen Bildner müssen m.E. immer wieder wesentliche und aktuelle Aspekte des Rechtsextremismus in die öffentliche Debatte einbringen. Es ist wichtig, die Strategie und Wirkungsweise rechtsextremer Organisationen zu verstehen.
Die Einrichtungen der politischen Bildung können dazu beitragen, bereits bestehende Strukturen bspw. durch die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu verstetigen.
Generell darf politische Bildung nicht als Feuerwehr verstanden werden. Gegen Demokratiemüdigkeit anzukämpfen ist Aufgabe aller. Parteien dürfen sich nicht aus dem ländlichen Raum verabschieden. Schulen müssen Orte einer gelebten Demokratie sein. Demokratische Spielregeln können erlernt werden in Schülerinnen- und Schülervertretungen, bei der Mitgestaltung von Jugendclubs oder durch mehr Mitspracherechte in Organisationen und Verbänden. Das unterstützen wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In unserem Wahlprogramm sprechen wir uns für das aktive Wahlrecht mit der Vollendung des 16. Lebensjahres für die Landtagswahlen aus.
Sind Sie mit der Organisation der politischen Bildungsarbeit in MV zufrieden oder würden Sie daran etwas ändern?
Mit der Neuordnung der politischen Bildung in MV werden die Gelder für politische Bildungsarbeit gebündelt. Dies ist meiner Meinung nach sinnvoll, entscheidend ist jedoch die Vergabe und Verwendung der zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Oberstes Gebot sollte die Pluralität der Trägerlandschaft der politischen Bildung sein. Diese gilt es zu sichern und fördern, denn eine Trägervielfalt ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Akzeptanz unterschiedlicher Wertentscheidungen bei Trägern wie bei Lernenden. Neu ist auch, dass Zuwendungen an politische Stiftungen und Jugendorganisationen vom Wahlergebnis der jeweils nahe stehenden Partei abhängig gemacht werden. Dies ist m.E. nicht richtig, entscheidend sollten inhaltliche und qualitative Kriterien und nicht formale Kriterien sein. Dies muss vor allem im Hinblick auf die NPD bedacht werden, denn im Falle eines Einzugs in den Landtag, dürfte auch sie Zuschüsse für die Bildungsarbeit einklagen.
Politische Bildung braucht kritische Inhalte und unabhängige Träger. Vor diesem Hintergrund plädieren wir BÜNDNISGRÜNEN auch für die Anbindung der Landeszentrale für politische Bildung an das Bildungsministerium. Nach unserer Auffassung birgt die Anbindung an die Staatskanzlei eine zu große Regierungsnähe und die Gefahr des zu starken Einflusses der jeweiligen Regierung auf die politische Bildung.
Bei allen Diskussionen zum lebenslangen Lernen muss politische Bildung ein freiwilliges Angebot bleiben und nicht als Hilfe zur Lebensbewältigung verstanden werden.
Innerhalb der Lehramtsausbildung muss m.E. einiges verbessert werden.
Als ein erster Schritt muss eine Professur für die Didaktik der
politischen Bildung eingerichtet werden.
Susan Schulz