Frage an Stephanie Schuhknecht von Tobias S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Schuhknecht,
ich studiere zurzeit im 4. Semester an der Uni Augsburg und habe aufgrund der Coronapandemie seit rund eineinhalb Jahren keine Lehrveranstaltung an der Uni besuchen dürfen. Gerade läuft das dritte Online-Semester in Folge und es gibt keine Aussicht auf baldige Präsenzveranstaltungen, somit werde ich nach diesem Semester dreiviertel meiner bisherigen Studienzeit online verbracht haben.
Ähnlich geht es dem Großteil der fast drei Millionen Studierenden in Deutschland, davon rund 400 000 allein in Bayern, das Studium findet nur noch digital statt, ohne persönlichen Kontakt und mit nur eingeschränktem Zugang zu wichtigen Medien in den Bibliotheken. Ohne Zweifel müssen Studierende und junge Menschen im Allgemeinem große Einschränkungen hinnehmen. Dabei fühlen sich viele, mich inbegriffen, von der Politik im Stich gelassen und im öffentlichen Diskurs vergessen. Seit annähernd eineinhalb Jahren gibt es keine nennenswerten Lockerungen hinsichtlich Präsenzlehre für den Großteil der Studierenden, viele Studierende haben noch keinen Hörsaal von ihnen gesehen und für die restlichen ist der Besuch einer Vorlesung lange her, ich selbst konnte im Januar 2020 zuletzt eine Vorlesung besuchen.
In Augsburg studieren zurzeit über 26 000 Personen, fast jeder 11. Einwohner ist Studierender. Die Uni Augsburg liegt in ihrem Wahlkreis, deswegen möchte ich ihnen ein paar Fragen zu diesem Thema stellen. Ich möchte sie bitten dabei auch an ihr eigenes Studium zu denken und zu überlegen, ob die Erfahrung, die sie dabei gesammelt haben, durch ein Online-Studium würdevoll ersetzt werden könnten.
Präsenzveranstaltungen sind an bayerischen Hochschulen derzeit bis auf wenige Ausnahmen verboten, wird es in nächster Zeit in diesem Bereich zu Lockerungen kommen? Inwiefern setzt sich ihr Fraktion im Landtag für die Belangen Studierender ein? Warum dürfen Hochschulen nicht mit ähnlichen Hygienekonzepten und Tests wie etwa an Schulen zumindest teilweise öffnen?
Sehr geehrter Herr Schilcher,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihre Fragen.
In meiner Antwort versuche ich jeweils die Sachlage, die wir als Oppositionspartei leider nur sehr begrenzt bestimmen können, darzustellen, um dann auf meine Position einzugehen.
„Wird es in nächster Zeit zu Lockerungen in der Hochschullehre kommen?“
Diese Entscheidung liegt bei der Staatsregierung von Ministerpräsident Söder. Am 4.6. hat der Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) freiwillige Präsenzveranstaltungen an Hochschulen freigegeben – noch für dieses Sommersemester. Zudem hat er in Aussicht gestellt (in der Augsburger Allgemeinen Zeitung am 31.05.2021), dass er Blockseminare oder Tutorien in großen Hörsälen kommendes Wintersemester für möglich hält. Auch Lehre im Freien sei wohl denkbar.
Das ist auch mir als Grüne zu unkonkret und kommt zu spät!
Bei fast jeder Ausschusssitzung haben meine Kolleginnen und Kollegen darauf gedrängt bereits frühzeitig Pläne für das nächste Semester aufzulegen. Leider ist noch nicht absehbar, wie die Pandemielange im Wintersemester 2021/22 aussieht. Wir setzen uns aber dafür ein, dass der derzeit geltende Nachteilsausgleich (keine Anrechnung der Fachsemester auf Regelstudienzeit, BAföG-Dauer oder Stipendienfristen) auch für das kommende Wintersemester ausgeweitet wird. Egal ob Digitalsemester oder langsam wieder anlaufende Präsenzlehre, wird das noch kein „normales“ Semester im Lehrbetrieb werden.
„Inwiefern setzt sich Ihre Fraktion im Landtag für die Belangen Studierender ein?“
Davon abgesehen ist es sehr verständlich, wieder in Präsenz studieren zu wollen. Einige Studierende haben nicht die technische Ausstattung, vielen fällt es deutlich schwerer, sich in einem rein digitalen Studienalltag zurechtzufinden, gerade „nichttraditionellen“ Studierenden wie Arbeiter*innen-Kindern oder Studierenden mit Migrationshintergrund. Wir setzen daher auch dafür ein, Hochschulen und Lehrstühle durch finanzielle Mittel und rechtliche Möglichkeiten zu unterstützen, etwa im Rahmen von Teststrategien notwendige Präsenzveranstaltungen stattfinden zu lassen. Bislang lässt die Staatsregierung die Hochschulen dabei jedoch im Regen stehen.
Studierende sollten sich nicht Sorgen um Finanzierung, Wohnungsnot oder die Qualität der Lehre machen müssen. Anfang April haben wir daher die Aufnahme von Studierender mit Nebenjobs in Notfallprogramme und die Ausweitung von Regelstudien- und BAFöG-Zeiten gefordert.
Klar ist, dass die Pandemie eine neue Herausforderung ist. Es braucht daher flexible und anpassungsfähige Lösungen. Wir Grüne forderten daher schon Ende Oktober 2020 in einem Dringlichkeitsantrag eine Task Force mit dem Ziel „Lernen durch Begegnung“ wo es geht, möglich zu machen. Dies schließt die Offenhaltung der Hochschulen ein. Wo diese nicht möglich ist, muss mehr Geld für digitale Lehre bereitgestellt werden.
Auch ohne Pandemie ist offensichtlich, dass die Hochschulen einen neue und zukunftsfähige Wissenschaftspolitik verdienen – die letzte größere Reform liegt 14 Jahre zurück. Anders als die Staatsregierung die eine „unternehmerische Hochschule“ mit entkernter Gremienstruktur möchte – auch in Augsburg gab es Proteste –, stellten wir Mitte Mai unser „Hochschulfreiheitsgesetzt“ vor.
Unsere Ziele sind:
Hochschulen müssen demokratisch sein, d.h. strukturelle Einbindung der Studierenden als selbstverwaltete Studierendenschaft.
Lehre ist gleichwertig zu Forschung.
Ein Plan zum Abbau des Sanierungsstaus von über 5,8 Mrd. Euro muss her.
Studiengebühren lehnen wir ab.
Aktuelle Herausforderungen in Forschung und Bildung behandeln: Diversität und Gleichstellung, Nachhaltige Entwicklung, Digitalisierung. Studierende müssen auf die Welt von heute und morgen, nicht auf die Welt von gestern vorbereitet werden.
Daneben haben wir immer ein offenes Ohr von Studierenden und reagieren auf aktuelle Entwicklungen. Aktuelle Informationen finden Sie dazu auch auf der Homepage unserer Hochschulpolitischen Sprecherin Verena Osgyan (https://blog.osgyan.de/).
„Warum dürfen Hochschulen nicht mit ähnlichen Hygienekonzepten und Tests wie etwa an Schulen zumindest teilweise öffnen?“
Aus der Opposition heraus haben wir den fehlenden Plan bemängelt. War der Fokus auf Schülerinnen und Schüler zu Beginn der Pandemie richtig, fehlt – wie oben beschrieben – weiterhin ein klarer Plan für das kommende Semester.
Ich hoffe ich konnte alle Ihre Fragen beantworten. Bei jeglichen Rückfragen können Sie sich immer gerne bei mir melden.
Mit freundlichen Grüßen,
Stephanie Schuhknecht