Frage an Stephanie Iraschko-Luscher von Tanja S. bezüglich Frauen
Hallo Frau Iraschko-Luscher,
wie will die FDP es hinbekommen, dass es in Deutschland wieder mehr Kinder gibt, das gerade junge Menschen wieder bereit sind, Kinder in die Welt zu setzen?
Sehr geehrte Frau Schwarz,
Bevölkerungsrückgang, Arbeitskräftemangel, Kollaps der sozialen Sicherungssysteme, Verteilungskampf Jung gegen Alt. Vor dieser Drohkulisse, die in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland Wirklichkeit werden könnte, entdecken die Parteien die Familienpolitik neu und nehmen für sich in Anspruch, ganz besonders viel für Kinder und Eltern zu tun. Doch die Bilanz ist ernüchternd. Während die Bundesregierung die Belastungen für Familien immer weiter erhöht, ist es für die CDU/CSU nach wie vor schwer, ihr Familienbild mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen.
Die FDP hat in den letzten Jahren auf Parteitagen, in Programmkommissionen und innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion konsequent ein liberales Konzept zur Familienpolitik erarbeitet. Dabei ist für uns Familie nicht nur die klassische Ehe, sondern Familie ist, wo Kinder sind. Der Staat muss jede auf Dauer angelegte Verantwortungsgemeinschaft, in der Menschen füreinander einstehen, durch kinder- und familienfreundliche Rahmenbedingungen fördern. Es gilt, die vielen unterschiedlichen Lebensformen und Lebensentwürfe anzuerkennen und damit den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen Rechnung zu tragen. Die freie Entscheidung zum Kind muss bei jeder Lebensgestaltung möglich sein.
Die Frage, entweder Kind oder Karriere, darf sich nicht stellen. Familie und Beruf müssen vereinbar sein. Der Schlüssel hierzu ist der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Diese müssen verstärkt auch Kindern unter drei Jahren zugute kommen. Das Angebot an Betreuungsplätzen muss zudem um Ganztagsangebote mit Mittagsverpflegung erweitert und Öffnungszeiten flexibilisiert werden. Betreuung heißt aber nicht Verwahrung, sondern Förderung des Kindes. Schon der Kindergarten hat einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Eine Qualitätsoffensive muss sicherstellen, dass am Wohl des Kindes orientiert Kompetenzen, wie Sprachfähigkeit, Lernmotivation und Selbstsicherheit, vermittelt werden. So können Benachteiligungen aufgrund der sozialen Herkunft ausgeglichen und Chancengerechtigkeit am Start ins Leben gewährleistet werden. Deshalb fordert die FDP, dass der Halbtagesplatz für Kinder zwischen dem dritten Lebensjahr und der Einschulung kostenlos ist. Daneben muss die Integration von Migrantenkindern und Behinderten aktiv und systematisch gefördert werden.
Gleichzeitig wollen wir künftig nicht mehr pauschal Institutionen, sondern die Kinder fördern. Das wird durch KiTa-Gutscheine oder gezielte Zuweisungen für jedes betreute Kind erreicht. Eltern suchen sich nach diesem Modell unter den vielfältigen Anbietern die gewünschte Leistung aus. Sie können sich zwischen kommunalen, privaten und betrieblichen Kindergärten, Betreuungseinrichtungen in freier Trägerschaft oder Tagesmüttern entscheiden. All diese wiederum werden, wenn sie nachweislich die festgelegten Standards erfüllen, in die staatliche Finanzierung einbezogen. Wahlfreiheit der Eltern und Wettbewerb fördern so die Qualität und institutionelle Vielfalt der Anbieter. Außerdem muss die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf hohem Niveau bundeseinheitlich reformiert werden. Neben der bisherigen sozialpädagogischen Ausrichtung muss sie einen deutlichen Bildungsschwerpunkt erhalten.
Nicht nur im Vorschulbereich muss die Situation verbessert werden. Das Angebot an Ganztagsschulen muss ebenfalls ausgebaut werden. Hier gilt: Die Ganztagsschule darf nicht einfach die Fortsetzung der Vormittagsschule sein. Notwendig ist ein gutes Angebot an Hausaufgabenstunden, an Förderkursen auch für besonders Begabte, mit Arbeitsgemeinschaften in Naturwissenschaft, Kunst und Sport.
Familien brauchen darüber hinaus eine effektivere finanzielle Entlastung und Förderung. Wir wollen, dass steuerliche Vergünstigungen zielgerichteter als bisher Familien mit Kindern zugute kommen. Ihr Vorhandensein und nicht nur die Tatsache, dass die Steuerpflichtigen verheiratet sind, muss Anknüpfungspunkt der steuerlichen Förderung sein. Deshalb gewährt der liberale Entwurf für ein neues Einkommensteuergesetz nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern jeweils einen steuerlichen Grundfreibetrag von 7.700 Euro.
Außerdem fordert die FDP, das Kindergeld für jedes Kind auf 200 Euro pro Monat zu erhöhen. Einkommensschwächere Familien werden damit nicht länger schlechter gestellt als einkommensstarke, die statt des Kindergelds Freibeträge nutzen. Dadurch wird sich auch die finanzielle Lage Alleinerziehender spürbar verbessern. So würde nach unserem Modell eine Alleinerziehende mit einem Einkommen von 15.400 Euro mit einem Kind keine Steuern zahlen und 2.400 Euro Kindergeld pro Jahr erhalten. Daneben sollen Aufwendungen für die Beschäftigung einer Kinderfrau oder Haushaltshilfe bis zu einem Jahresbetrag von 12.000 Euro steuerlich abzugsfähig sein.
Zum Konzept der FDP gehört auch die Abschaffung der Steuerklasse V. Sie nimmt mit ihren hohen Abzügen vom Gehalt des Zweitverdieners diesem den Anreiz, eine eigene Beschäftigung aufzunehmen, und bringt eine Geringschätzung seiner Berufstätigkeit zum Ausdruck. Es sind vor allem Frauen, die so demotiviert werden, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Diese Situation zu verändern, ist eine der zentralen gleichstellungspolitischen Ziele der FDP.
Auch die Erziehungsleistung muss endlich anerkannt werden. Die FDP fordert zu diesem Zweck den Aufbau einer kapitalgedeckten Kinderrente. Dazu können die Mittel verwendet werden, die schon heute im Bundeshaushalt für Kindererziehungszeiten vorgesehen sind. Die finanzielle Förderung von Familien muss jedoch vorrangig im Steuerrecht erfolgen und darf nicht auf die spätere Rentenzahlung vertagt werden. Die Entlastung von Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, ist ebenfalls aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren, die als Bundeszuschuss die Kindererziehungsleistung ausgleichen, indem in den ersten drei Lebensjahren ein Betrag in Höhe von jeweils 150 Euro für jedes gesetzlich pflegeversicherte Kind gezahlt wird. Die in dem von der FDP geplanten privatisierten Krankenversicherungssystem für Kinder zu zahlende Regelleistungsprämie wird ebenso über das Steuersystem finanziert, wie Kosten, die mit Schwangerschaft und Mutterschaft verbunden sind.
Damit endlich private und berufliche Interessen von Eltern besser in Einklang gebracht werden können, fordert die FDP außerdem die Deregulierung und Flexibilisierung des deutschen Arbeitsmarkts. Dabei reicht eine Beschränkung auf traditionelle starre Teilzeitlösungen nicht aus. Eltern müssen sich auch dafür entscheiden können, eine Vollbeschäftigung zu erhalten - gleichzeitig oder im Wechsel mit reinen Familienphasen. Deshalb müssen kreative Modelle in Hinblick auf Arbeitsort und Arbeitszeit erleichtert und gefördert werden. Teleheimarbeit, Satellitenarbeit oder Wohnraumarbeit, sowie Jahres- und Lebensarbeitszeitkonten dürfen nicht länger etwas Exotisches bleiben. Auch gilt es, Ausbildung, Studium, sowie Fort- und Weiterbildung durch veränderte Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie auch für Menschen mit Familienpflichten zugänglich sind. Damit erleichtern wir gerade Frauen den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt und ins Bildungssystem nach der Elternzeit.
Die FDP will das Adoptionsverfahren vereinfachen und beschleunigen. So muss es möglich sein, dass der Altersabstand zwischen Adoptiveltern und Kind künftig 35 Jahre überschreitet. Ebenso überholt ist die Vorschrift, dass im Fall der Adoption einer der Erziehungsberechtigten nicht berufstätig sein darf. Auch für Adoptionswillige müssen Familie und Beruf vereinbar sein, da eine wirtschaftliche Absicherung der Familie oft nicht anders möglich ist. Das Wohl des Kindes kann im Adoptionsverfahren auch trotz dieser Neuerungen gewahrt werden.
Die Veränderung von Rahmenbedingungen für Familien beginnt in den Köpfen der Menschen. Die deutsche Gesellschaft muss kinder- und familienfreundlicher werden. Dabei handelt es sich um einen langfristigen Prozess, auf den die Politik nur beschränkten Einfluss hat. Wir können aber dazu beitragen, indem wir auf emotionalisierte Debatten, ideologisch motivierte Standpunkte und Schwarz-Weiß-Malerei verzichten.
Jedenfalls ist es an der Zeit, das Verhältnis der Generationen zueinander neu zu überdenken. Die Würde von Kindern und Erwachsenen ist gleichwertig. Deshalb ist dem Schutz ihrer Persönlichkeit auch gleichermaßen Rechnung zu tragen. Kinder und Jugendliche sind Träger von Rechten und Pflichten, die wir Erwachsenen und die Gesellschaft als Ganzes ernst nehmen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephanie Iraschko-Luscher