Frage an Stephan Thomae von Klaus B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Thomae,
ich beziehe mich auf Ihre Antwort an Herrn B. bezüglich der "Bedürftigkeit". Die Menschen mit hohen Einkommen, die also nicht "bedürftig" wären, zahlen doch auch Steuern. Es ist also in jedem Fall möglich, die Finanzflüsse so zu gestalten, daß jeder Mensch so ein Grundeinkommen erhält. Diejenigen, die es "eigentlich" nicht benötigen, zahlen es -heute schon, z. B. das Kindergeld- quasi über ihre Steuern und Abgaben zurück.
Der Vorteil wäre doch der, daß die "Bedürftigkeit" nicht mehr geprüft werden müßte. Ein Vorteil für alle Beteiligten, insbesondere für die "Bedürftigen", die sich keineswegs darüber freuen, daß nur sie entsprechende Mittel erhalten. Sie müssen nämlich ihre Bedürftigkeit erst beweisen, und das nicht einmal, sondern, weil ihre Lage sich jederzeit ändern kann, Monat für Monat. Obendrein mißtraut man ihnen, bedroht sie mit Rückzahlungen aller Leistungen.
Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde in weiten Strecken sämtliche Prüfungen und Kontrollen überflüssig machen und dadurch enorm Kosten sparen.
Meine Fragen:
1. Glauben Sie selbst nicht mehr an einen "schlanken" Staat?
2. Welchen Grund können Sie angeben, daß sowohl bei Einnahmen (Steuern) als auch bei Ausgaben (Transferleistungen) Einkommensverhältnisse geprüft werden müssen und wir eine doppelte Buchführung haben?
viele Grüße
Klaus Binder
Sehr geehrter Herr Binder,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 30. November 2010 zum bedingungslosen Grundeinkommen.
I.
Nach der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses wurde ich vermehrt auf das Thema bedingungsloses Grundeinkommen angesprochen. Der Aspekt der Finanzierbarkeit steht dabei im Vordergrund. Das von Frau Wiest vorgeschlagene Modell, welches für jeden Erwachsenen ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 1.500 Euro und für jedes Kind in Höhe von 1.000 Euro fordert, liegt deutlich höher, als die heute in Bedarfsfällen gewährte Grundsicherung. Der Betrag, der maximal als Grundeinkommen ausgegeben werden kann, bemisst sich nach finanzwirtschaftlichen Vorstellungen daran, welche Menge Geld aufgrund des heutigen Sozialleistungssystems umgeschichtet werden kann. Dabei hängt die Finanzierbarkeit stark von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation ab, die in einer globalen Welt von Deutschland allein nicht beeinflussbar ist. Der Bürgergeldanspruch nach dem FDP-Modell soll für einen Alleinstehenden ohne Kinder im Bundesdurchschnitt 662 Euro pro Monat betragen. Dieser Betrag entspricht den heutigen durchschnittlichen Ausgaben für Grundleistung, Unterkunft und Heizung eines ALG-II-Empfängers und ist damit finanzierbar.
II.
Ich gebe Ihnen Recht, dass eine bedingungslose Gewährung des Grundeinkommens viele Prüfungen und Kontrollen überflüssig machen würde. Das bedingungslose Grundeinkommen ist jedoch ungerecht und unsozial all denen gegenüber, die ihr Einkommen mit Fleiß, Entbehrung und Risiko erwirtschaften. Ziel politischen Handelns ist es, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht auf die, aus Steuergeldern finanzierte, Grundsicherung angewiesen sind, sondern ein möglichst deutlich über der Armutsgrenze liegendes, aus eigener Kraft erwirtschaftetes, Einkommensniveau haben. Dazu brauchen wir verantwortungsbewusste und mündige Bürgerinnen und Bürger, die selbst erkennen, was getan werden muss. Es ist erklärtes Ziel und innerhalb des Parteienspektrums Rolle der FDP, nicht nur Verteilungsgerechtigkeit, sondern auch Belastungsgerechtigkeit im Blick zu behalten.
III.
Der Begriff schlanker Staat bezeichnet eine möglichst kleine, effizient arbeitende, „gestraffte“ Staatsverwaltung. Die Umsetzung dieser Forderung muss aber auch durchführbar und effizient sein. Deshalb tritt die FDP dafür ein, Sozialleistungen, die sich aus Steuern finanzieren, möglichst vollständig in einer einzigen Transferleistung, dem Bürgergeld, zusammenzufassen. Damit ist das Bürgergeld einfach und transparent.
IV.
Auf Ihre zweite Frage kann ich Ihnen leider nicht antworten, da sie für mich nicht verständlich ist. Sollten Sie dennoch an einer Antwort interessiert sein, so würde ich Sie bitten, die Frage umzuformulieren.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae, MdB