Frage an Stephan Kühn von Christiane D. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Kühn,
ich habe den Grünen letztes Jahr bei der Landtagswahl meine Stimme gegeben, weil ich davon ausging, dass sie von allen Parteien diejenige sind, welche sich am meisten für die Umwelt einsetzt.
Ich habe/hatte aber nun den Eindruck, dass dies nicht ganz so ist, also habe ich versucht micht (sehr genau) zu erkundigen und bin deshalb auch u.a. bei einer Wahlveranstaltung mit Herrn Fischer gewesen. Dort musste ich leider feststellen, dass er nicht auf das in ihrem Wahlprogramm stehende (meiner Meinung nach nicht sehr wichtige) Thema "Ökologisch mobil" eingegangen ist, kann ich deshalb davon ausgehen, dass andere Themen für wichtiger angesehen werden und dass dies vielleicht nur Versprechen sind?
Seit einem 3/4-Jahr ist es mir möglich den Führerschein zu machen, dennoch habe ich mich (bisher) dagegen entschieden weil ich zumindest ein Zeichen setzen wollte, denn durchaus weiß ich, dass eine Person allein nicht viel bewirken kann.
Nun habe ich aber bereits feststellen müssen, dass dies einen wesentlichen Nachteil bringt. Dieser Nachteil ist nicht, dass ich vielleicht längere Fahrtwege auf mich nehmen muss, oder ähnliches.... Nein, ich wollte an einem Schüleraustausch-Programm (PPP) vom Bundestag teilnehmen. Dies ist mir jedoch nicht möglich, weil man sich ein Auto in den USA kaufen müsste (denn die Entfernungen sind zu groß) - dies ist durchaus verständlich und dennoch scheint es mir, als würde ich, die sich für die Umwelt einsetzen wollte, dadurch benachteiligt, denn soweit ich weiß gibt es kein ähnliches Programm.
Des Weiteren würde mich interessieren, ob sich die GRÜNEN auch für Probleme, wie z. B. das Schmelzen der Pole einsetzen würde/ einsetzt.
MfG Christiane
Liebe Christiane Döge,
auch wenn es vielleicht etwas ungewöhnlich ist, möchte ich mit einem
Zeitungsartikel beginnen (Berliner Tagesspiegel, 11.08.2005), der gut
verdeutlicht vor welchen Aufgaben wir beim Umwelt- und Klimaschutz stehen:
Klimaschutz spart Milliarden
Berlin - Durch eine aktive Klimaschutzpolitik können enorme volkswirtschaftliche Kosten vermieden werden. Dies geht aus dem aktuellen Vierteljahresbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Demnach könnte allein Deutschland bis zum Jahr 2050 Schäden in Höhe von 800 Milliarden US-Dollar (rund 650 Milliarden Euro) abwenden. Weltweit belaufe sich das Einsparpotenzial sogar auf 200 Billionen Dollar, erklärte DIW-Umweltexpertin Claudia Kemfert. Die Kosten für einen verbesserten Klimaschutz fielen dagegen weit geringer aus. Laut DIW ist in Deutschland in den nächsten hundert Jahren mit einem Temperaturanstieg von 3,3 Grad Celsius zu rechnen, falls keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dies bedeute ein extremer werdendes Wetter und damit erhebliche Schäden für die Landwirtschaft und die Versicherungsbranche. Auch sei mit steigenden Energiekosten wegen des erhöhten Kühlbedarfs zu rechnen. Der Aufwand für das Gesundheitswesen könnte ebenfalls zunehmen - so wie bei der Hitzewelle in Frankreich 2003.
Vor allem bei der Reduktion des Klimagases Kohlendioxid (CO2) sieht Kemfert noch erheblichen Spielraum. So könnte die Emissionsminderung vorangetrieben werden, wenn die USA und China ab dem Jahr 2012 in ein Kyoto-Plus-Abkommen einbezogen würden. [...]
Wieder einmal warnen also Klimaforscher und Wirtschaftsexperten. Der Klimawandel ist nicht nur ein riesiges ökologisches, sondern auch ein ökonomisches Problem. Die dramatischen Folgen des globalen Klimawandels können wir aktuell in den USA beobachten: Der Hurrikan "Katrina" hat mit nie dagewesener Wucht den Süden der USA, vor allem die Gegend um New Orleans, heimgesucht. Mit verheerenden Folgen: Hunderte Tote, gewaltige Verwüstungen und volkswirtschaftliche Schäden in Milliarden-Höhe. Durch die globale Erwärmung gibt es mehr Wetterkatastrophen wie Stürme oder Hurrikans und sie werden immer heftiger. Alleine in den letzten 12 Monaten gab es in den USA und der Karibik sechs schwere Hurrikans. Auch das jüngste Hochwasser in Bayern, Österreich und der Schweiz ist ein deutliches Warnsignal, dass sich die negativen Folgen der Klimaveränderung auch hierzulande verstärken. Die Schäden der Alpenflut werden auf mindestens eine Milliarde Euro geschätzt.
Wenn also die Klimazerstörung mit dramatischer Geschwindigkeit voran schreitet, die Polkappen schmelzen und die Erderwärmung zu nimmt, muss Deutschland international Vorreiter beim Klimaschutz bleiben und die erfolgreiche Klimapolitik der letzten Jahre fortsetzen. Wir müssen unsere Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 senken (Deutschland kann die Reduktionsziele, zu denen wir uns im Kioto-Protokoll verpflichtet haben, erreichen: 21 Prozent Minderung der Klimagase bis 2010 gegenüber 1990), bis 2050 um 80 Prozent. Alles andere würde heißen, an dem Ast zu sägen, auf dem wir sitzen.
Was haben wir in der rot-grünen Regierung für den Umwelt- und Klimaschutz getan? Ich erlaube mir, die meiner Meinung nach wichtigsten Aktivitäten in Stichpunkten zu benennen:
- mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) haben wir den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung auf etwa zehn Prozent erhöht und damit mehr als verdoppelt
- mit der Ökologischen Steuerreform konnte bei den CO2-Emissionen im Verkehr eine Trendwende erreicht und der Kraftstoffverbrauch im Verkehr um zehn Prozent gesenkt werden
- wir haben die Investitionen in das Schienenetz nach jahrelanger Vernachlässigung erheblich gesteigert: noch nie wurde so viel Geld in die Schiene investiert wie unter rot-grün
- mit dem Marktanreizprogramm für Erneuerbarer Energien wurde im Wärmemarkt der Anteil von Erneuerbaren Energien um 50 Prozent gesteigert
- wir haben den Anteil von Biokraftstoffen am Gesamtverbrauch in wenigen Jahren verdoppelt
- mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm wurden Kredite von etwa 4,5 Milliarden EUR zur energetischen Sanierung von Wohnungen zur Verfügung gestellt
Ich denke, es sind Schritte in die richtige Richtung, aber es gibt keinen Grund sich auszuruhen! Im Gegenteil. Und da möchte ich auf unsere Strategie "Weg vom Öl" (weitere Infos unter http://www.gruene-bundestag.de/cms/energie_klima/dok/79/79610.htm) zu sprechen kommen: Es ist doch klar; die Industrieländer verbrauchen unverantwortlich viel globale Ressourcen. Länder wie China und Indien erleben einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg und reklamieren dabei selbstverständlich einen steigenden Anteil an den begrenzten natürlichen Ressourcen. Energie und Rohstoffe verteuern sich und die Umweltbelastung nimmt global drastisch zu. Wir müssen unsere Abhängigkeit vom Öl daher schrittweise reduzieren. Wer Effizienztechnologien und erneuerbare Energien heute entwickelt, hält den Schlüssel für die Lösung der Energiefrage von morgen in der Hand. Für mich ist klar: Billiges Öl wird es nicht mehr geben! Das Ende des Öl-Zeitalters ist in Sicht. Die weltweite Nachfrage nach Erdöl nimmt zu, während die verfügbaren Ölressourcen sinken. Die Abhängigkeit unserer Ökonomie vom Erdöl ist besorgniserregend: Über 90 Prozent aller Transporte in der EU hängen am Öltropf, 30 Milliarden ? gibt Deutschland jährlich für Ölimporte aus. Eine Strategie "Weg vom Öl" ist alternativlos: für den Klimaschutz, zur Entschärfung globaler Ressourcenkonflikte und vor allem für die Zukunftsaussichten künftiger Generationen. Wir wollen deshalb bis 2020 "4 x 25%" nachwachsende Rohstoffe & Erneuerbare Energien: d.h. 25% der stofflichen Nutzung, 25% der Stromversorgung, 25% der Wärmenutzung, 25% der Kraftstoffe.
Liebe Christiane,
ich habe die Rede von Joschka nicht gehört, kann Dir aber versichern, dass das Thema Umweltschutz wie beschrieben unverändert ganz oben auf unserer Agenda steht - besonders in der Verbindung Ökologie und Ökonomie. Ich hoffe, Deine Frage(n) zur Zufriedenheit beantwortet zu haben (leider etwas lang geworden), wenn nicht, einfach nachhaken. Zum Abschluss noch eine Anmerkung zu dem Führerschein-Problem: Kannst Du mir vielleicht etwas genaue Infos über dieses Schüleraustausch-Programm schicken, ich finde diese Führerschein-Bedingung schon schwierig. Aber hier zeigen sich eben die Auswirkungen der amerikanischen (Verkehrs-)Politik, die in die ökologische und ökonomische Sackgasse führt. ÖPNV (öffentliche Verkehrsmittel, also Bus und Bahn) gibt es fast nicht - nicht einmal in den Städten. In New Orleans hatten alle diejenigen Probleme aus der Stadt zu kommen, die kein Auto hatten - ÖPNV Fehlanzeige. Zum Vergleich: In der Autostadt Detroit werden 95% aller Wege mit dem Auto zurückgelegt, nur ein 1% mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Fahrrad fährt dort niemand, zu Fuß ist ebenfalls kaum jemand unterwegs). In Dresden werden 60% der Weg mit Bahn, Bus, Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt.
Grüsse
Stephan Kühn