Frage an Stephan Kühn von Martin F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kühn,
mir geht es wie vielen Mitbürgern: Ich habe keinerlei Argumente mehr, eine etablierte Partei zu wählen; in meinem Fall: grün zu wählen. Dabei war Ihre Partei immer meine Wahl. Welche Themen vertreten Sie denn nun? Was ist bitte grün - dem Inhalt nach? Was tun Sie gegen Artensterben? Bienen, Schmetterlinge durch Neonicotinoide, breitbandig Pflanzen durch Glyphosat?
Was tun Sie für den Schutz von Gemeineigentum und der Bürgerrechte? Beispiel Grundgesetzänderung zur Privatisierung von Autobahnen und Schulen? Als Wegbereiter für eine hochzinsige Verschuldung des Bundes bei privaten Geldgebern? Für den Schutz mit öffentlichen Geldern getätigter Investitionen? Beispiel Solarworld: Warum haben Sie nicht auf Importzölle gegen chinesische, staatlich subventionierte Paneele gedrängt?
Wie soll denn Ihrer Ansicht nach eine Energiewirtschaft der Zukunft aussehen? Ich kann leider keinerlei Konzept für eine nachhaltige, grüne Energieversorgung erkennen. Wann kann ich als Bürger von den an der Strombörse so niedrigen Preisen profitieren? Sehr gern außerhalb der Spitzenzeiten?
Wann hört es auf, dass ich das ca. Sechsfache des Börsenstrompreises zahlen muss? Wie positionieren Sie sich gegen Korruption und Vorteilsnahme? kleines Beispiel das Abkassieren von Sitzungsgeldern: https://www.youtube.com/watch?v=EaFC2Nyrfy8 Ihre Parteifreundin: Minute 3:47 Wann ist damit zu rechnen, dass eine gemeinsame EU-Politik nach außen geführt wird, vor allem im Bereich Verteidigung? Die EU ist als friedensstiftendes Konstrukt entstanden, so dass eine echte gemeinsame Verteidigungspolitik mE das Erste zu sein hat. Es ist ja nie zu spät. Auch nicht für die Wiedereinführung nationaler Währungen mit einem flexiblen Kurs zum Euro als Handelswährung. Wie stehen Sie dazu?
Vielleicht können Sie auf die einzelnen Fragen antworten. Wahlprogrammen jedweder Parteien schenke ich aber kein Vertrauen. Taten zählen, sonst Nichts.
viele Grüße
Sehr geehrter Herr Fischer,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an zahlreichen Themen, zu denen ich und meine Partei eine klare Position beziehen. Lassen Sie mich im Folgenden auf Ihre Anliegen eingehen:
Das dramatische Artensterben muss gestoppt werden. Wir Grünen haben im Bundestag ein Nein zur Zulassungsverlängerung bei Glyphosat sowie einen zügigen Ausstieg aus Neonikotinoiden und anderen bienengefährlichen Stoffen gefordert. Agrarfördergelder müssen endlich zugunsten besonders natur- und umweltfreundlicher Bewirtschaftungsformen und mehr Blütenvielfalt umgeschichtet werden.
In den Ländern, in denen wir mitregieren, wirkt grüne Politik. Wir schützen Umwelt, Natur und Artenvielfalt, schaffen Missstände in der Tierhaltung ab und stärken die ökologische Landbewirtschaftung. In Niedersachsen wurde die Agrarförderung mit höheren Prämien ökologisch umgebaut. Allein 2016 gab es einen Zuwachs beim Ökolandbau um 10.000 Hektar auf nun rund 83.000 Hektar. Auch im grün mitregierten Hessen wächst die ökologisch bewirtschaftete Fläche dank des Ökoaktionsplans. Seit 2013 haben dort fast 300 Betriebe auf ökologischen Landbau umgestellt – nun sind es insgesamt fast 2.000. Auch in Baden-Württemberg haben Grüne erreicht, dass die Agrarumweltprogramme auf Naturschutz und bäuerliche Landwirtschaft ausgerichtet wurden. Sie sorgen auch dafür, dass das Land faktisch frei von Agrogentechnik bleibt.
Ich wende mich wie Sie gegen eine Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Eine Privatisierung der Bundesfernstraßen über den Erwerb von Anteilen an der geplanten Infrastrukturgesellschaft lehne ich deshalb ab, sodass ich bei den entsprechenden Abstimmungen im Bundestag mit Nein gestimmt habe.
Die von ihnen angesprochenen Importzölle auf chinesische Billig-Solarpaneele haben die Insolvenz von Solarworld letztlich nicht verhindert. Zudem haben die anderen deutschen und europäischen Solarunternehmen kaum noch Zugang zu wichtigen Märkten wie China.
Wir wollen die Energiewende wieder in Schwung bringen. Die Deckelung des Ökostromanteils wollen wir abschaffen und Ausbauziele für Erneuerbare deutlich anheben. Kleinere Wind- und Solarprojekte müssen komplett von der bürokratischen Ausschreibungspflicht befreit werden. Darüber hinaus wollen wir ein Kohleausstiegsgesetz einführen und 20 schmutzige Kraftwerksblöcke direkt abschalten. Auch die Kosten für Strom und Wärme haben wir im Blick. Die Große Koalition und Schwarz-Gelb haben dafür gesorgt, dass immer mehr Unternehmen Rabatte bekommen, für die nun die Stromkunden zur Kasse gebeten werden. Wir Grüne wollen diese Rabatte auf die Unternehmen beschränken, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen. Von niedrigeren Börsenstrompreisen können Sie und andere Stromkunden profitieren. Bereits heute gibt es Stromanbieter, die die sinkenden Börsenpreise an die Kunden weiterreichen, sodass sich ein Anbieterwechsel oft lohnt.
Vielen Dank auch für Ihre Fragen zu Korruption und Vorteilsnahme. Ich setze mich für eine lebendige und transparente Demokratie ein. Dazu gehört ein verpflichtendes Lobbyregister, eine Offenlegung von Einflussnahmen von Verbänden auf Ministerien und eine Reform der Parteienfinanzierung. Wir Grüne im Bundestag wollen das Sponsoring von Parteien regeln, Parteispenden deckeln und auf natürliche Personen begrenzen. Wenn wir mehr Transparenz fordern, machen wir vor Abgeordneten nicht halt. Diese müssen ihre Nebenverdienste auf Euro und Cent offenlegen. Dem fliegenden Wechsel von Regierungsmitgliedern muss durch eine verlängerte Karenzzeit Einhalt geboten werden.
Auch bei der EU-Außenpolitik ist meine Position klar. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass die Außen- und Sicherheits- sowie die Entwicklungspolitik stärker europäisiert werden und der Europäische Auswärtige Dienst weiter ausgebaut wird. Im Bereich der gemeinsamen Verteidigung ist eine engere gemeinsame Planung, Kooperation und Koordination weitaus sinnvoller als eine maßlose Steigerung der Militärausgaben.
Abschließend möchte ich darlegen, warum die Wiedereinführung der D-Mark problematisch wäre. Wenn Deutschland wieder die D-Mark einführen würde, würden viele Finanzinstitute massiv deutsche Devisen kaufen, da Deutschland als „sicherer Hafen“ gelten würde. Die Folge: Die D-Mark würde stark aufgewertet werden. Dadurch würde sich der Zugang zum EU-Absatzmarkt erheblich verschlechtern, sodass der Export stark gebremst würde. Das bliebe nicht ohne negative Auswirkungen auf Arbeitsplätze in Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn