Frage an Stephan Kühn von Jochen B. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Kühn,
die BT-Wahl steht vor der Tür und finde keine Partei mehr, mit der ich mich halbwegs identifizieren kann. Ich habe viele Jahre Grün, manchmal auch Links gewählt. Aber mir scheint, die Grünen haben keine Themen mehr. Auf meiner Liste von Punkten, die ich mir als Wahlprogramm wünschen würde, stehen z.B. ein Tempolimit auf Autobahnen, einheitliche Schadstoffgrenzwerte für Fahrzeuge (technologieunabhängig!) im Betrieb, gerechte Kostenverteilung der Energiewende (nicht über die Netzentgelte, die strukturschwache Regionen benachteiligen!), eine echte Rentenreform (in Österreich bekommen Rentner 40% mehr staatliche Rente und müssen nicht riestern und all die unseligen Ideen, die nur den Unternehmen zugute kommen), Verbot der Massentierhaltung, Mindestpreise für Milch und andere Agrarprodukte, Förderung des ökologischen Landbaus usw., und natürlich mehr Bürgerbeteiligung (gerade zu solchen genannten Themen - Sie werden überrascht sein was vermutlich bei einem Bürgerentscheid zum Temopolimit herauskäme!)
Um es kurz zu machen: Automobil-, Energie- und Agrarlobby bestimmen in Deutschland zunehmend die Politik, das muss beendet werden! Wie stehen Sie zu diesen Themen? Warum gibt es von der Parteispitze keine Signale?
Ich glaube, die Demokratie ist in ernster Gefahr, da sie sich zunehmend zu einer "Diktatur der Parlamentarischen Mehrheit" entwickelt, die von wenigen Personen der jeweiligen Parteispitzen beherrscht wird, die ihre Entscheidungen auf Basis von Lobbyempfehlungen treffen. Beispiel die vernetzten Stromzähler, die vor allem der Energiewirtschaft nützen, dem Einzelnen jedoch kaum. Gut, von mir aus sollen sie das einbauen - aber wieso soll ich das bezahlen, warum nicht die reiche Energiewirtschaft? Wie haben Sie hierzu abgestimmt?
Viele Grüße
Sehr geehrter Herr Bonitz,
vielen Dank für Ihre Email.
Ihrer Aussage, wir Grünen hätten keine Themen mehr, muss ich ganz deutlich widersprechen!
Vor zwei Wochen habe ich einen leidenschaftlichen und motivierenden Parteitag in Berlin erlebt. Im Grünen Wahlprogramm https://www.gruene.de/ueber-uns/2017/gruenes-wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2017-zukunft-wird-aus-mut-gemacht.html?pk_campaign=programm-hh-programm17 haben wir klar formuliert, wofür Grüne Politik steht und was wir verändern wollen: Im Jahr 2030 wollen wir den Kohleausstieg abschließen, 100 Prozente Erneuerbare Energien haben und nur noch abgasfreie Autos zulassen. Für uns heißt das: Wir kämpfen geschlossen und entschlossen für soziale Gerechtigkeit, umweltfreundliche Mobilität, gesunde Lebensmittel und Klimaschutz. Und auch zu den anderen von Ihnen angesprochenen Themen finden Sie deutliche Positionierungen in unserem Wahlprogramm, die uns Grüne klar und deutlich von den anderen Parteien unterscheiden.
Was das Tempolimit auf Autobahnen angeht, so haben Sie vollkommen Recht: Wir brauchen eher heute als morgen ein Tempolimit auf den Autobahnen. Das würde sofort die Zahl der Verkehrstoten auf Autobahnen senken und gleichzeitig den Spritverbrauch reduzieren und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Diese Forderung ist in unserem Wahlprogramm enthalten.
Bei den Schadstoffgrenzwerten setzen wir uns dafür ein, dass Fahrzeuge überhaupt einmal die bereits geltenden Grenzwerte einhalten. Denn bis heute liegen die tatsächlichen Abgaswerte auf der Straße bei den meisten Fahrzeugen viel höher als im Testlabor. Neben besseren Abgastests und der Einführung von Spritverbrauchsmessungen auf der Straße brauchen wir auch eine wirksame Feldüberwachung durch eine unabhängige Behörde, also eine stichprobenartige Untersuchung von bereits zugelassenen Fahrzeugen. So können auch Betrugssoftware wie im Abgasskandal und altersbedingte Mängel bei Fahrzeugen erkannt werden. Im sogenannten Sondervotum http://www.stephankuehn.com/news/gruenes-sondervotum-zum-abschlussberichts-des-abgas-untersuchungsausschusses/ , das meine Fraktion zum Abschluss des Abgas-Untersuchungsausschusses geschrieben hat, können Sie unsere Forderungen im Detail nachlesen.
Beim Thema Landwirtschaft ist unser Ziel ohne Gift, Gentechnik und Tierleid gesundes Essen für alle zu erzeugen. Wir wollen in den nächsten 20 Jahren die industrielle Massentierhaltung beenden. Das wollen wir mit einem Pakt für faire Tierhaltung fördern, damit sich tier- und umweltgerechte Haltung auch wirtschaftlich rechnet.
Der ökologische Landbau bleibt unser Leitbild. Wir Grüne wollen dafür sorgen, dass der Ökolandbau in den nächsten sieben Jahren mit einer Milliarde Euro gefördert wird. Aber auch für die konventionelle Landwirtschaft gilt: Die landwirtschaftliche Produktion muss auf der gesamten Fläche umweltverträglicher werden. Ausführlichere Informationen dazu finden Sie in unserem Wahlprogramm https://www.gruene.de/ueber-uns/2017/gruenes-wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2017-zukunft-wird-aus-mut-gemacht.html?pk_campaign=programm-hh-programm17 .
Wie Sie sehen, gibt es genug Themen, für die es starke Grüne braucht.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn