Frage an Stephan Kühn von Theresa C. bezüglich Umwelt
Bericht im Spiegel online:
Luftverschmutzung - Grüne empfehlen Autofasten bis Ostern
Sehr geehrter Herr Kühn,
wir wohnen in einem Städtchen, in dem sich das "Autofasten" kaum realisieren läßt.
Warum nicht?
Weil es so gut wie keinen öffentlichen Verkehr gibt, der einen in einer adäquaten Zeit zum Wunschziel bringt.
Der nächste Bahnhof liegt 15 km entfernt.
Alle Einkaufsmöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren in das Randgebiet der Stadt angesiedelt, die ohne Auto nicht zu erreichen sind. Die Innenstadt ist quasi "ausgeblutet". Ausserdem sind wir keine Fans von Supermärkten sondern ziehen es vor, unsere Lebensmittel dort zu kaufen, wo man am wenigsten Nepp erwarten kann, nämlich in kleinen privat betriebenen Geschäften, die sich im Umland befinden, und also nur mit dem Auto zu erreichen sind.
Den Beruf als professioneller Musiker kann mein Mann nur dann ausüben, wenn er mobil ist. Erfahrungen in der Vergangenheit, gelegentlich auf die Bahn zurückzugreifen, um zu diverse Veranstaltungsorte zu kommen, endeten jedesmal in nervenaufreibende Desaster, weil die Bahn alles andere als zuverlässig ist.
"Autofastens" klingt gut als Schlagwort, erscheint mir als Vorschlag aber ein bißchen weltfremd. Er läßt sich wohl in den wenigsten Fällen so realisieren, wie Sie sich das bei den Grünen anscheinend vorstellen.
Mit freundlichem Gruß
Theresa Clayton
Sehr geehrte Frau Clayton,
ich kenne die Situation im ländlichen Raum sehr gut, da ich viel in meinem Heimatbundesland Sachsen unterwegs bin. Außerhalb der Großstädte ist auch dort, wie sie es beschreiben, die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gut. Daher habe ich auch nicht zur Teilnahme am Autofasten aufgerufen, wie es in einigen Presseartikeln hieß.
Zum Start der Fastenzeit am 1.3. hat die Deutsche Presse-Agentur (DPA) mich gefragt, wie ich die Idee des "Autofastens" finde. Ich habe geantwortet, dass ich die Idee gut finde: Denn gegen hohe Schadstoffbelastung in der Luft hilft vor allem, weniger Auto zu fahren. Dennoch weiß ich, dass viele Menschen gerade in ländlichen Regionen aufs Auto angewiesen sind. Aufgabe der Politik wäre es, diese Abhängigkeit zu verringern, mit einem guten und bezahlbaren Nahverkehr in Stadt und auf dem Land. Die Bundesregierung tut dafür viel zu wenig.
Für einen besseren Nahverkehr in der Fläche gibt es einige Vorschläge der Grünen-Bundestagsfraktion. Diese finden Sie im Positionspapier zur Zukunft des Nahverkehrs: https://www.gruene-bundestag.de/themen/mobilitaet/gruene-offensive-fuer-besseren-nahverkehr.html
Meine persönlichen Vorschläge zur Zukunft des Nahverkehrs können Sie auch in meinem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau nachlesen: http://www.stephankuehn.com/news/gastbeitrag-in-frankfurter-rundschau-ein-trauerspiel-bei-bus-und-bahn/
Leider gab es bei der Berichterstattung zum "Autofasten" einige falsche Darstellungen. Es gibt wie gesagt weder eine Aufforderung zum Autofasten vonseiten der Grünen oder mir, noch gibt es eine "gemeinsame Erklärung" von Umweltbundesamt und mir, wie es zum Beispiel im Artikel auf Spiegel Online hieß. Dies war in einer DPA-Meldung missverständlich dargestellt und von verschiedenen Medien daraufhin falsch übernommen worden. Die DPA hat dementsprechend auch reagiert und eine korrigierte Fassung der Meldung versendet, die u. a. von der Passauer Neuen Presse verwendet wurde: http://www.pnp.de/nachrichten/politik/2418519_Autofasten-Fasten-mal-anders-freiwilliger-Verzicht-auf-das-Auto.html.
Die Aktion zum Autofasten ist eine Idee der Kirchen. Seit bereits 20 Jahren rufen mehrere katholische Bistümer und evangelische Kirchen dazu auf, während der Fastenzeit - soweit möglich - auch auf das Auto zu verzichten ( www.autofasten.de​ ).
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn