Frage an Stephan Hilsberg von Ferenc J. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Hilsberg,
mit großem Interesse habe ich Ihre Rede in der Aktuellen Stunde des Bundestages zum Thema einer angeblichen bzw. Ihrer Meinung nach erwiesenen Stasi-Vergangenheit von Dr. Gregor Gysi verfolgt. Sie hatten Ihre Erregung wie Sie eingangs der Rede selbst ankündigten kaum unter Kontrolle. Hier nun meine Frage: Ist Ihre Erregung genauso groß, wenn Sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in Deutschland noch immer (mindestens) ein Gymnasium gibt, dass den Namen des verurteilten Kriegsverbrechers (Friedrich Flick) trägt?
Sehr geehrter Herr John,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. Mai 2008, in dem Sie mich nach meiner Einschätzung zu den Schulen fragten, die den Namen Friedrich Flick tragen.
Friedrich Flick war einer der größten Profiteure der von den Nationalsozialisten eingeleiteten Aufrüstungswirtschaft und sich anschließenden Kriegswirtschaft. Mit der ‚Arisierung’ von jüdischen Betrieben konnte Flick seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss weiter vergrößern. In den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde Friedrich Flick im sogenannten Flick-Prozess am 22. Dezember 1947 wegen Sklaverei, Verschleppung zur Sklavenarbeit, Ausplünderung der besetzten Gebiete und Teilnahme an Verbrechen der SS zu sieben Jahren Haft verurteilt, allerdings bereits 1950 wieder entlassen. Angesichts dieser Vorwürfe halte ich es für grundsätzlich undenkbar, dass eine Schule in Deutschland seinen Namen trägt.
Flick gelang es in den folgenden 20 Jahren wieder in die Reihe der reichsten Männer der Bundesrepublik aufzusteigen. In seinem Todesjahr 1972 erwirtschaftete der Flick-Konzern 13 Milliarden DM und beschäftige 140 000 Mitarbeiter. Flick war Ehrendoktor an mehreren Universitäten und trug das Große Bundesverdienstkreuz mit Stein und Schulterband, dass ihm von Ludwig Erhard 1963 überreicht wurde. Flick verfolgte entsprechend seiner Anfangsbuchstaben ein Leben mit „Fleiß, Loyalität und Ideenreichtum, basierend auf Conzentration und Kenntnis“ (Hermann Josef Abs, 1972).
In meiner Rede zur Aktuellen Stunde am 28. Mai ging es auch um die moralischen Gründe, nach denen Gysi sein Bundestagsmandat grundsätzlich verwirkt hatte. Denn moralisch gesehen, kann ich es nicht akzeptieren, dass Gysi heute im Bundestag sein Mandat als Volksvertreter ausübt, und früher durch seine Zusammenarbeit mit dem MfS, dem DDR-Regime Informationen lieferte um seine Bürger zu verfolgen, einzusperren, zu misshandeln, zu denunzieren und zu ermorden.
Im Fall Klick kann ich es moralisch auch nicht akzeptieren, dass heute, wie zum Beispiel in Kreuztal, Schulen existieren, die den Namen Friedrich Flicks tragen.
Ich hoffe Ihnen mit meiner Antwort weiterzuhelfen.
Mit freundlichem Gruß
Stephan Hilsberg