Was für ein Infektionsschutzgesetz wünschen sie sich?
Sehr geehrte Frau Lemke,
Das Infektionsschutzgesetz wurde sehr oft geändert. Halten Sie es für verfassungsgemäß? Gibt es noch einen vollen Parlamentsvorbehalt?
Am 24.6.2021 hat der Bundestag beispielsweise eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, indem einem Gesetzentwurf zur Änderung des Stiftungsrechtes noch der Artikel 9 und 10 angehängt wurde. https://dserver.bundestag.de/btd/19/309/1930938.pdf
Danach können bestimmte von der Regierung erlassene Rechtsverordnungen noch ein Jahr lang nach der Aufhebung der Epidemischen Lage gelten und auch noch verändert werden. Es wird auch bestimmt, in welche Grundrechte eingegriffen werden darf: Körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person, Unverletzlichkeit der Wohnung usw.
Würden Sie dieses Gesetz auch ändern wollen? Was sollte darin stehen und was nicht?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr G.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben für die Sitzung des Rechtsausschusses am 22. Juni 2021 einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts vorgelegt. Darin waren auch Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) enthalten, welche wir Grüne umgehend und ausführlich geprüft haben. Der Gesetzentwurf in geänderter Fassung wurde dann schließlich am 24. Juni 2021 im Plenum debattiert.
Klar ist, dass es sich hierbei nicht um ein übliches, jedoch mögliches Gesetzgebungsverfahren handelt. Aufgrund der Eilbedürftigkeit und fehlender Weitsicht haben die Fraktionen der CDU/CSU und SPD die Änderungen des IfSG an einen anderen Gesetzentwurf „angehängt“. Dieses Verfahren kritisieren wir. Wir Grüne haben darauf bestanden, dass die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes getrennt abgestimmt werden.
Diese vorgeschlagenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes beinhalteten jedoch eine notwendige, vorsorgliche Weitergeltungsgrundlage für eventuell gebotene Einreiseregelungen auch nach Auslaufen der Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite. Deswegen haben wir diesen Änderungen zugestimmt. Dr. Manuela Rottmann hat in ihrer Rede erläutert, weshalb wir Grüne eine solche Regelung richtig finden, auch wenn wir Nachbesserungsbedarf sehen mit Blick auf europarechtliche Belange: https://dbtg.tv/fvid/7530753
Die Bundesregierung hat erst mal nichts weiter unternommen. Dabei haben wir die Bundesregierung vielfach aufgefordert, einen verantwortungsvollen Ausstieg aus dem Pandemie-Sonderrecht vorzubereiten, mit Anträgen vom 8. Juni 2021 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/304/1930401.pdf) sowie vom 24. August 2021 (https://dserver.bundestag.de/btd/19/320/1932042.pdf). Die Koalition hat dann am 25. August dieses Jahres die epidemische Lage von nationaler Tragweite verlängert. Das halten wir für falsch. Die Covid-19-Pandemie ist noch längst nicht zu Ende. Vorsicht ist weiter geboten. Aber die Situation hat sich geändert, insbesondere durch die Zahl der Geimpften. Die inkonsistente und rechtsstaatliche bedenkliche Infektionsschutz-Politik der Bundesregierung muss umgehend durch eine planvolle Gesetzgebung ersetzt werden, die der aktuellen Situation bei Covid-19 in verantwortungsvoller Weise Rechnung trägt.
Auch die am 7. September 2021 im Bundestag beschlossenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, die diesmal an den Gesetzentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens ‚Aufbauhilfe 2021‘ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze „angehängt“ wurden, können wir nicht mittragen, weshalb wir dagegen gestimmt haben. Es fehlt immer noch an der aktuellen Situation gerecht werdenden Kriterien und zugehörigen, bundesweiten Grenzwerten als Auslöser für jeweilige Schutzmaßnahmen – diese Festlegung wird nun weitestgehend den Ländern überlassen. Die Bundesregierung überlässt die Bürgerinnen und Bürger weiter einem Regel-Chaos.
Mit freundlichen Grüßen
Steffi Lemke