Frage an Steffi Lemke von Sven B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Lemke,
ich bin sehr geknickt darüber , daß die geplante Unterstützung der Schaf-Ziegenhalter bzw. Hirten durch den Staat nicht realisiert wird. Warum kann man diesen Vorschlag ablehnen ? Es ist für mich nicht nachvollziehbar.
Was bewegt die großen Parteien, dagegen zu stimmen ? Hat dieser Gedanke noch eine Chance in der Zukunft ?
Auch hier oben werden Flächen durch Schaf und Ziegenhalter beweidet, und es bildet eine große Lebensqualität , wenn die Landschaft beweidet aufgeräumt und danach durch Bewuchs denn wieder aufblüht. Die Tierhalter sind sind in der Gemeinde willkommen und beliebt - es scheint so, als würden sich die Tiere wohlfühlen und das die Tiere artgerecht aufwachsen und leben können. Es darf keine Unterschiede in der Förderung durch den Staat geben zwischen Kühen ,Schweinen und eben Schafen und Ziegen. Alle gehören in die erste Säule. Der Ausschuß hat eine ablehnende Empfehlung ausgesprochen. Ich frage: wurde dort gestritten und diskutiert , welche Argumente hatten die Gegner , die ja durch ihre Auschußtätigkeit so eine Art Experte sind. Ich bin wieder einmal verzweifelt und verzagt , wenn es um mein berechtigtes Interesse an Tierwohl , nachhaltige tierfreundliche Landwirtschaft und eben auch Gerechtigkeit (in diesem Fall den Schäfern ggü.) geht . In Hoffnung, das wir alle noch Dinge zum Besseren wenden verbleibe ich mit freundlichen Grüßen S. B.
Danke für mögliche Antwort im Vorraus
Sehr geehrter Herr Bossen,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 18.10.2018.
In der Tat ist es sehr frustrierend das die Weidetierprämie erneut an der Blockadehaltung der Großen Koalition gescheitert ist. Als Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben wir sowohl in unserem Antrag „Rückkehr der Wölfe – Artenschutz und Herdenschutz zusammendenken“, als auch in unserem gemeinsamen Antrag mit der Bundestagsfraktion DIE LINKE „Weidetierprämie für Schafe und Ziegen jetzt auf den Weg bringen“ die Einführung von gekoppelten Zahlungen zur Unterstützung der extensiven Weidetierhaltung gefordert.
In den Sitzungen des Umweltausschusses und im öffentlichen Fachgespräch des Umweltausschusses zum Thema Wolf wurde mehrfach die Einführung dieser Förderung diskutiert und von den anwesenden Expert*innen befürwortet, um die prekäre Situation der Weidetierhaltung in Deutschland zu beenden. Denn eins ist klar: für die Probleme der Weidetierhaltung braucht es dringend politische Lösungen. Allein zwischen 2010 und 2016 ist die Zahl der haupterwerblichen Schäfereien laut Bundesverband Berufsschäfer e.V. mit mehr als 500 Schafen um 13% auf 989 Betriebe zurückgegangen. In den nächsten zwei Jahrzenten wird mit dem Zusammenbruch des Sektors gerechnet, wenn nicht endlich politisch gegengesteuert wird. Berufsschäfer stellen 0,4% der landwirtschaftlichen Betriebe, bewirtschaften aber 6,4 % des Dauergrünlandes und erfüllen damit eine immens wichtige Rolle für den Erhalt unserer Kulturlandschaft und den Artenschutz. Finanziell werden diese gesellschaftlichen Leistungen in der Agrarförderpolitik jedoch nicht ausreichend gewürdigt.
Die Einführung der sogenannten Weidetierprämie könnte schnell und unbürokratisch helfen. Dabei waren die geladenen Vertreter*innen der Weidetierhaltung im Umweltausschuss ganz eindeutig in Ihren Aussagen: Nicht die Rückkehr des Wolfes ist Existenzbedrohend für die Weidetierhaltung, sondern die seit Jahren fehlenden Förderstrukturen in der deutschen Landwirtschaftspolitik. Die Hauptaufgabe ist es demnach EU-Agrargelder nach einem neuen Prinzip auszurichten: gesellschaftliches Geld, nur für gesellschaftliche Leistungen. Wir Grüne fordern dies seit Jahren, in den aktuell laufenden Verhandlungen zur Neuausrichtung der EU Agrarpolitik, werden diese Forderungen jedoch vollkommen ignoriert.
Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD ist sich der prekären Situation der Weidetierhalter längst bewusst. So beschreiben sie in ihrem Antrag zwar, dass der Erhalt der Weidetierhaltung ökologisch, kulturell und sozial unabdingbar sei, weigern sich aber die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Dabei ist Deutschland das einzige europäische Land mit relevanten Weidetierbetrieben das noch keine gekoppelten Zahlungen eingeführt hat. In 22 Ländern der Europäischen Union ist dies längst gang und gebe; und wird im Übrigen auch von der Europäischen Union als Maßnahme zur Rettung der extensiven Weidetierhaltung vorgeschlagen.
Bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag kann ich Ihnen leider nicht zusichern, dass sich an dieser Situation in naher Zukunft etwas ändern wird. Vielmehr befürchte ich, dass die populistische Debatte rund um die Rückkehr des Wolfes weiter in den Vordergrund gestellt wird, während längst identifizierte politische Lösungen wie die Weidetierprämie weiterhin nicht angegangen werden. Was ich Ihnen jedoch zu sichern kann ist, dass meine Partei und ich weiterhin dafür kämpfen werden das die extensive Weidetierhaltung eine Zukunft hat und wir die Unterstützung für Schäferinnen und Schäfer, Ziegen- und Rinderhalter endlich auch in Deutschland in Form von gekoppelten Zahlungen einführen.
Sollten Sie weitere Fragen zu der Thematik haben, können Sie sich gerne an mein Berliner Büro wenden. Ich hoffe ich konnte Ihnen die Situation in den Gremien des Deutschen Bundestages etwas spiegeln und verdeutlichen warum es aktuell keine Fortschritte für die Rettung der extensiven Weidetierhaltung gegeben hat.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Steffi Lemke