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Steffi Lemke
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Frage von Günter M. •

Frage an Steffi Lemke von Günter M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Lemke,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 13.12.2013.

Ich habe aber eine Nachfrage an Sie.

Sie schreiben, dass wir einen Fachkräftemangel haben.
In diesem Artikel z.B. wird diese Debatte als Fata Morgana beschrieben:

http://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/uebersicht/fata-morgana-fachkraeftemangel-1.9067012

Ich empfinde die Debatte über einen Fachkräftemangel als zynisch.
Selbst wenn dem so wäre, müsste man m.E. die hier lebenden Menschen marktnah qualifizieren, anstatt ständig nach mehr Zuwanderung zu rufen.
Warum geschieht dies Ihrer Ansicht nach nicht? Werden die Grünen das im Bundestag thematisieren?
Wenn man das ganze umdreht: viele Arbeitnehmer suchen Jahre lang einen Job, ohne, dass man daran die Zukunftsfähigkeit unseres Landes festmacht.
Der Fachkräftemangel könnte m.E. auch ein Hinweis darauf sein, dass zu wenig ausgebildet wird.

Viele "Armutsflüchtlinge" usw. können angeblich weder schreiben noch lesen. Sollte man statt dessen nicht nur gezielt Fachkräfte anwerben und den anderen Menschen in ihren Heimatländer helfen?
Ich meine, das wäre eine echte Alternative zur Einwanderung nach Deutschland.

Warum wird immer nur über die Demografie und nicht auch über die Automatisierung gesprochen?
Wie viele Jobs wird die Automatisierung Ihrer Meinung nach kosten und würde eine Wertschöpfungsabgabe ( " Maschinensteuer", eine Besteuerung des fertigen Arbeitsprozess anstatt mitarbeiterabhängige Lohnnebenkosten) dem nicht entgegen wirken?

Mit freundlichen Grüßen

Günter Möder

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Zunächst will ich festhalten, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und dass wir Grünen uns dafür einsetzen, Integration zu fördern und Diskriminierung und Ausbeutung zu bekämpfen. Gerade die ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit hat im Zuge der Osterweiterung der EU nicht nur in Europa insgesamt, sondern in besonderem Maße auch in Deutschland zu wirtschaftlichem Aufschwung geführt. Zu diesem Urteil kommen übereinstimmend die EU-Kommission, wie auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration. Die Erfolgsgeschichte der EU-Osterweiterung setzt sich auch im Hinblick auf Bulgarien und Rumänien fort: „Deutschland profitiert von der Zuwanderung aus diesen beiden Ländern,“ so jedenfalls lautet das Fazit einer Studie des Instituts der Bundesarbeitsagentur für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ( http://www.iab.de/194/section.aspx/Publikation/k130814303 ). Trotz dieser Fakten schürt die CSU gefährliche Ressentiments wegen einer angebliche Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien, wofür sie nicht nur von uns Grünen, sondern z.B. auch von der Deutschen Industrie- und Handelskammer stark kritisiert wird. ( http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/zuwanderungsdebatte-dihk-befuerchtet-schaeden-fuer-die-wirtschaft/9287222.html9 ).

Einheimische und EinwanderInnen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Nur mit einem klugen Mix aus Bildung, Aktivierung zurzeit nicht genutzter Fachkräftepotenziale sowie einer Neuregelung der Arbeitskräfte-Einwanderung können die negativen Folgen des Fachkräftemangels für die Wirtschaft und die Sozialsysteme abgewendet und dabei möglichst alle mitgenommen werden.

Denn Tatsache ist: Das Arbeitskräftepotenzial wird in den kommenden Jahren stark zurückgehen und schon jetzt fehlen in etlichen Branchen Fachkräfte. Zur Bewältigung des Fachkräftemangels müssen Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen. Dabei genügt es nicht, nur auf ein einzelnes Instrument oder eine einzelne Gruppe zu setzen. Wir brauchen sie alle: Jüngere und Ältere, Frauen und Männer, Einheimische und Einwanderer. Dazu muss sich auch im Bereich der Ausbildung was ändern. Einen unserer Anträge dazu können Sie hier nachlesen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/135/1713554.pdf

Das Konzept der Grünen Bundestagsfraktion zur Arbeitsmigration können Sie hier im Detail nachlesen: http://www.gruene-bundestag.de/themen/entwicklungspolitik/gruenes-konzept-der-arbeitsmigration/seite-1-gruenes-konzept-der-arbeitsmigration_ID_4390145.html

Eine Automatisierungssteuer oder eine Wertschöpfungsabgabe haben wir nicht im Programm und planen wir derzeit nicht, wobei wir kein Ungleichgewicht zwischen Kapitaleinkommen und Lohn wollen, was sich z.B. in unserem Konzept der Grünen Bürgerversicherung widerspiegelt. Auch wenn durch eine Automatisierung in bestimmten Bereichen Jobs wegfallen, entstehen dadurch auch Arbeitsplätze in anderen Bereichen (von der Erfindung bis zur Wartung).

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