Steffen Etzel
DIE LINKE
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Frage von Herold B. •

Frage an Steffen Etzel von Herold B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Etzel,

Sie haben meine Frage nicht wirklich beantwortet. Die Frage war nicht begrenzt auf die Freizügigkeit innerhalb der EU. Ich befragte sie nach der Haltung einer „Linke“ im Kontext des Kapitalexports in die sog. Länder der „3.Welt“. Ich stelle daher meine Fragen ganz konkret: Sind Sie nicht der Meinung, dass der Kapitalexport in diese Länder zu der Verschlechterung der Lebenssituation der arbeitenden Menschen dort führt, infolge dessen, die zur Abwanderung gezwungen werden, denen unter den damit verbundenen miserablen Einkommensverhältnissen das Überleben unmöglich gemacht wird? Und sind Sie nicht der Meinung, dass das Kapital die Folgekosten dort wie hier auf chauvinistische Weise abzuwälzen sucht, u.a. natürlich auf den Steuerzahler hier?Doch nicht die Wanderungsbewegung der nach Arbeit und Brot strebenden Massen, sondern die Wanderungsbewegung des Kapitals stellt das Problem dar. Und halten Sie es daher für eine angemessene linke Reaktion, mit der Aussage zu reagieren, dass unsere „Sozialsysteme überfordert werden“ und daher die Zuwanderung begrenzt werden muss? Und liegt es nicht in der Logik dieses Chauvinismus‘, bzw. ist es nicht politische Heuchelei, zu versprechen oder zu fordern, dass anstatt den hilfesuchenden Massen hier Zuflucht zu gewähren, diese darauf zu verweisen, dass die ökonomischen Verhältnisse dort – mit der Hilfe unseres Kapitalexports natürlich – verbessert gehörten? Ist es hingegen nicht ein Gebot der internationalen Solidarität diesen der Verelendung zu entfliehen suchenden Massen die Türen zu öffnen, auch unter dem Gesichtspunkt der Übernahme von Verantwortung für das, was u.a. unser Kapital dort angerichtet hat? Ich bin mir natürlich bewusst, dass eine solche internationale Solidarität den Klassenkampf verschärft. Doch sind nicht Sie zusammen mit der revolutionären Linken der Auffassung, dass das Bewusstsein der arbeitenden Massen dahin gehoben werden muss, dass diese erkennen, dass der Arbeiter kein Vaterland hat?

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Binsack,

besten Dank für ihre nochmalige Anfrage. Wieder antworte ich ihnen aus
meiner persönlichen Sicht.

Auf der Website www.die-linke.de finden Sie neben dem Partei- sowie dem Wahlprogramm viele Stellungnahmen aus der Partei DIE LINKE inklusive der Arbeitsgemeinschaften, zu den unterschiedlichsten Themen, die die Spannbreite unserer politischen Meinungsvielfalt aufzeigt. Mit ihrer Internetseite „www.Herolds Weblog.de - Ein Weblog über Politik, Philosophie, das Leben und den ganzen Rest …“ zeigen Sie ein Fachwissen, das meine Anerkennung verdient. Ich sehe mich im Unterschied zur Semantik eher in der pragmatischen politischen Arbeit unterwegs..

Ein Einsatz von Kapital ist bei fast jeder Maßnahme notwendig, egal wo und von wem diese durchgeführt wird. Die wichtige Frage ist, wer dabei die Spielregeln bestimmt. In der Regel ist eine „gefühlte“ Verbesserung der Lebenssituation eines Teils der Bürger mit dem Einsatz von Kapital verbunden. Zumindest wird diese von den jeweiligen Regierungen so erhofft, wenn auch teilweise nur für sich und ihren Clan. Die Kapitaleigner sehen überwiegend ihren Gewinn im Vordergrund. Als Beispiel seien die Schäden die durch Raubbau, Bergbau, Ölförderung usw. entstehen genannt.

Zeitnahes Ziel muss es werden, dass die Kapitalinhaber gezwungen sind die Schäden zu vermeiden und wo sie entstanden sind zu beheben. Der Nutzen für die Bevölkerung muss überwiegen.

Niemand darf durch unzureichende Lebensverhältnisse zur Abwanderung gezwungen sein, es sei den es handelt sich z.B. um klimatische oder geologische Gründe die ein Leben vor Ort unmöglich machen.

Ich stimme ihnen zu, dass das internationale Kapital auf seiner Suche nach Renditen erhebliche Schäden für die Erde verursacht. Ich bin der Meinung, dass Spekulationsgeschäfte ohne konkreten wirtschaftlichen Hintergrund, z.B. Terminverkauf von Ernten, verboten gehören.

Ihre Frage zu den überforderten Sozialsystemen durch unbegrenzte Zuwanderung muss ich mit einem ja beantworten. Gleichwohl fordere ich eine bessere und höhere Quote für Asylsuchende die Schutz vor Verfolgungen in ihrem Heimatland bei uns suchen. Dies sind wir - nicht nur - aus unserer Vergangenheit geschuldet.

Am sinnvollsten sehe ich Hilfen zur Selbsthilfe vor Ort,  z.B. durch Gründung von Genossenschaften und Kooperativen . Das dafür notwendige Kapital sollte nicht aus renditegetriebenen Quellen stammen.

Es ist nicht „unser“ Kapital, das zu den Problemen der Welt führt, sonder das Kapital von wenigen Reichen. Ein erster, zaghafter Ansatz, einen kleinsten Teil dieses Kapitals abzuschöpfen wäre eine Finanztransaktionssteuer (Tobinsteuer).

Ihre Frage ob ich ihre Ansicht teile, dass die von ihnen so genannte „revolutionären Linke“ der Auffassung ist, dass das Bewusstsein der arbeitenden Massen dahin gehoben werden muss, dass diese erkennen, dass der Arbeiter kein Vaterland hat?, gehört für mich in den Bereich der Semantik und enthält für mich keinen Lösungsansatz für die bestehenden Probleme.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Etzel