Frage an Steffen Bockhahn von Christoph R. bezüglich Gesundheit
ich habe mich gerade auf der Homepage der Initiative „Ich bin keine Fallpauschale“ informiert. Diese fordert für die Schwerst- und Spezialfälle an den Universitäts-Kinderkliniken umgehend eine faire und kostendeckende Vergütung, die sich am tatsächlichen Behandlungs- und Pflegeaufwand orientiert.
Denn an deutschen Universitäts-Kinderkliniken herrscht akuter finanzieller Notstand: Dort sammeln sich kostenintensive Schwerst- und Spezialfälle. Jedoch werden die entstehenden Kosten aufgrund der geltenden Fallpauschalenregelung oft nur zu einem Teil erstattet und müssen von den Kliniken mit getragen werden.
Die Folgen: Die Behandlung und Pflege kranker Kinder verschlechtert sich, da die Universitäts-Kinderkliniken dazu gezwungen sind, die entstehenden Millionendefizite durch Stellenabbau bei Ärzten und Pflegepersonal auszugleichen.
Ein erster Schritt sind der Versorgungszuschlag und die Analyse der Extremkostenfälle, die am 14. Juni 2013 im Bundestag beschlossen wurden. Jedoch reichen diese Maßnahmen bei Weitem nicht, um die an deutschen Universitäts-Kinderkliniken in den letzten Jahren entstandenen und entstehenden Defizite zu decken. So ist es mittlerweile leider die Regel, dass Pflege- und Arztpersonal über Eltern- und Fördervereine mitfinanziert werden.
Was benötigt wird, ist eine kostendeckende Finanzierung – umgehend. Damit auch in Zukunft alle Kinder gut versorgt werden können.
Die Erfahrungsberichte aus den Universitäts-Kinderkliniken haben mich sehr bewegt.
Was werden Sie tun, damit sich bei diesem wichtigen Thema in naher Zukunft etwas verändert?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Rücker,
vielen Dank für ihre Anfrage. Grundsätzlich teile ich ihre Meinung und sehe darüber hinaus in der unzureichenden Krankenhausfinanzierung eines der größten Finanzprobleme unseres deutschen Gesundheitssystems. Verantwortlich für den enormen wirtschaftlichen Druck, der auf den Krankenhäusern lastet, sind in der Regel unzureichende Finanzierungsmittel und ein fehlendes leistungsgerechtes Finanzierungskonzept. Insbesondere das Prinzip der Fallpauschalen trägt seit seiner Einführung deutlich dazu bei, dass der Ökonomisierungsdruck auf die Krankenhäuser stetig steigt. Dabei lässt sich dieses Finanzierungs- und Abrechnungssystem der Fallpauschalen weder mit den Erwartungen der Patienten an die Krankenhausbehandlung noch mit der medizinischen Ethik und Moral der behandelnden Ärzte und des Pflegepersonals in Einklang bringen. Ein System, das nach Diagnose und pro Behandlungsfall vergütet und dabei keinerlei Rücksicht auf Art und Menge, Schwere und Komplexität der von den Kliniken zum Wohle der Patienten erbrachten Behandlungsleistungen nimmt, kann nicht gerecht sein und widerstrebt der medizinischen Maxime, Patientinnen und Patienten eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten.
Es darf nicht sein, dass Krankenhäuser für Patienten mit selteneren Krankheitsbildern, die in dem Fallpauschalensystem nicht abgebildet werden, eigene Mittel aufbringen müssen. Wenn Kliniken in der Konsequenz gezwungen sind, beim Personal einzusparen, lastet die Mehrarbeit auf den verbleibenden Mitarbeitern, die dadurch massiv Überstunden anhäufen, was wiederum zu Lasten der Versorgungsqualität geht. Gesetzlich Versicherte mit schweren und komplexen Krankheitsbildern werden somit zum bloßen „Kostenfaktor“, die es gilt, schnellstmöglich wieder loszuwerden, weil ihre Behandlung und Pflege nicht adäquat durch die Fallpauschale abgedeckt wird. Im schlimmsten Fall können erkrankte Menschen aus Kostengründen nicht so behandelt werden, wie es zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit normalerweise notwendig wäre.
Um das zu verhindern, braucht es eine bedarfsdeckende Finanzierung der Krankenhäuser, die sich an den tatsächlichen Kosten orientiert und dabei die Behandlungskosten für Schwerst- und Spezialfälle angemessen berücksichtigt. Das Konzept einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung bietet eine soziale und gerechte Alternative für eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle und eine Pflege, die sich am Bedarf der Menschen orientiert. Ziel muss es sein, eine dauerhafte und ausreichende Personalbesetzung der Krankenhäuser zu gewährleisten. Das funktioniert dann, wenn bundesweit verbindliche Mindeststandards bei der Personalbemessung herrschen, die regelmäßig auf ihre Einhaltung überprüft werden.
Der Versorgungszuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro ist theoretisch keine schlechte Sache. Allerdings ist derzeit noch unklar, ob 2014 die versprochenen 500 Millionen wirklich den Krankenhäusern zugute kommen werden, denn das hängt maßgeblich von Verhandlungen mit den Kassen auf Landesebene zur Schätzung der Höhe der voraussichtlichen Summe der Mehrleistungsabschläge ab.
PS.: Dass die Bundesregierung ein halbes Jahr vor der Wahl 880 Millionen Euro zur Krankenhausfinanzierung locker machte, obwohl sie in den zwei Jahren zuvor rund 920 Millionen Euro kürzte, spricht nicht unbedingt für sie und eine solide, verlässliche Krankenhausfinanzierung.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Bockhahn