Frage an Steffen Bilger von Wolfgang R. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Bilger!
Die aktuelle Unfallstatistik des Deutschen Verkehrssicherheitsrates ( http://www.dvr.de ) belegt wieder einmal deutlich, dass die Zahl der Verkehrstoten in den Wintermonaten etwa die Hälfte derer der Sommermonaten ausmacht. Die langsamere Fahrweise wird als Grund angegeben.
Der ADAC fordert in einer Studie ( http://www.adac.de/_mm/pdf/fi_04_tempolimit_0807_30472.pdf ) flexible Geschwindigkeitsregelungen durch Verkehrsleitsysteme, die sich an die aktuellen Verkehrsbedingungen anpassen. Dadurch soll Stop-and-go-Verkehr vermieden werden, welcher eine Verdoppelung des CO2-Ausstosses bewirkt. Zu einer weiteren Reduzierung würde die Umlegung der KFZ-Steuer auf den Verbrauch führen. Wie steht die CDU dazu?
In einer Studie des Landes Brandenburg ( http://www.mil.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.2239.de/studie_tempolimit.pdf ) zum Tempolimit auf Autobahnen wird ermittelt, dass dadurch die Kapazität je Fahrstreifen um 100 Kfz/h erhöht wird, die Unfallkostenrate und die Zahl der Unfälle um 25 % sinken.
Ein Positionspapier des VCDs ( http://www.vcd.org/position_tempolimit.pdf ), beziffert die CO²-Einsparungen mit 2 l (4l) / 100 km bei Tempo 130 (100) statt 150 km/h. Das Umweltbundesamt schätzt die Effekte eines Tempolimits aus verschiedenen Gründen noch wesentlich höher ein. Die Zahl der „Staus aus dem Nichts“ und die unfallbedingten Staus würden bei einem generellen Tempolimit reduziert. Dass ein Tempolimit Leben rettet, wird auch dort deutlich hervorgehoben. Aktuelle Untersuchungen fehlen leider.
In Bezug auf die Atomkraft gilt laut Angela Merkel der Grundsatz „Im Zweifel für die Sicherheit“. Warum sollten im Straßenverkehr andere Maßstäbe gelten? Die Regierung kündigt eine Energiewende mit einer Steigerung der Energieeffizienz an. Im Verkehr könnte das sofort durch ein Tempolimit erreicht werden, wobei jetzt ein günstiger Zeitpunkt ist. Wie steht Ihre Partei dazu, zumal über 60 % der Bürger dafür sind?
Mit freundlichem Gruß,
Wolfgang Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Tempolimit. Ich nehme die Unfallstatistiken des Deutschen Verkehrssicherheitsrates immer nachdenklich zur Kenntnis. Glücklicherweise ist die Anzahl der Verkehrstoten seit Jahren rückläufig ( http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Verkehr/Verkehrsunfaelle/Aktuell,templateId=renderPrint.psml ). Trotzdem gilt selbstverständlich auch hier: Jeder Unfall ist einer zu viel. Wir bleiben verstärkt an dieser Thematik dran. Auch deshalb teile ich vollkommen Ihre Meinung, dass wir verstärkt in Verkehrstelematik investieren müssen. Dieses Element der intelligenten Verkehrsbeeinflussung ist meines Erachtens – im Übrigen auch als zuständiger Berichterstatter meiner Fraktion für Telematik – zielführender als ein Tempolimit.
Eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung lehnen wir als Union ab. Der Staat sollte nicht bevormunden, sondern als Katalysator für den Wettbewerb wirken und die Bereitschaft sowie die Fähigkeit der Menschen zu verantwortlichem Handeln fördern. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ist dazu nicht der richtige Weg. Sinnvoll sind eben Verkehrsbeeinflussungsanlagen, die das Tempo abhängig von Verkehrsaufkommen und Witterung regeln und so eine optimale Autobahnnutzung ermöglichen.
Weil wir der intelligenten Verkehrsbeeinflussung einen großen Stellenwert beimessen, hat der zuständige Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauer im Februar 2011 den „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ vorgestellt. Das Papier enthält insgesamt 138 Projekte zum Bau von Verkehrslenkungsanlagen, besonders auf hoch belasteten oder unfallträchtigen Autobahnabschnitten. Die Maßnahmen sollen bis 2015 umgesetzt werden. Hierfür stellt der Bund insgesamt 300 Millionen Euro zur Verfügung.
Auch zur Verringerung von CO2-Emmission halte ich die flexiblen Geschwindigkeitsregelungen für die insgesamt sinnvollste Variante. Insbesondere auch um die von Ihnen hervorgehobenen Staus und den Stop-and-go-Verkehr zu vermeiden. Ein generelles Tempolimit bringt dem Klimaschutz außerdem so gut wie nichts. Schon jetzt sind 6.000 der 12.200 Autobahnkilometer dauerhaft oder zeitweilig limitiert. Nach ADAC-Berechnungen sinkt der Ausstoß von Treibhausgasen um maximal zwei Prozent.
Gestatten Sie mir die Anmerkung, dass das Umweltbundesamt meiner Beobachtung nach zumeist eher ideologisch als fachgerecht argumentiert. Dementsprechend legt es dann Studien vor.
Zur Einstellung der Bevölkerung zum Tempolimit auf Autobahnen sind mir andere Zahlen als Ihnen bekannt. Mehrfach hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung für freie Fahrt für freie Bürger ist (beispielsweise 2007: http://www.klimawandel-global.de/leser-umfragen/auswertung-novemberumfrage-mehrheit-sagt-nein-zum-tempolimit-auf-deutschen-autobahnen/ ; 2009: http://www.auto.de/magazin/showArticle/article/28225/Umfrage-41-Prozent-der-Deutschen-fuer-Tempolimit-von-160-km-h ).
Selbstverständlich hat auch in der Verkehrspolitik Sicherheit für uns die höchste Priorität. Allerdings halte ich ein Vergleich von Kernenergie und Straßenverkehr für nicht angebracht. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ist keine Lösung für die Sicherheitsfragen im Straßenverkehr. Die von Ihnen erwähnte Studie des Landes Brandenburg von 2007 ist mir bekannt. Eine bundesweite Studie der Dekra-Unfallforschung aus dem Jahr 2008 (http://www.dekra.de/c/document_library/get_file?p_l_id=15941&uuid=08f79ea6-05ca-4e20-bf91-93b51851b304&groupId=10100) kommt zu einem anderen Ergebnis. Bei einem Vergleich von unterschiedlichen Autobahnabschnitten mit und ohne Tempolimit konnten keine Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit oder Folgen von Unfällen festgestellt werden. Es hat sich sogar gezeigt, dass es gerade bei geringen Geschwindigkeiten – zum Beispiel in Baustellenbereichen – zu einer Häufung schwerer Unfälle kommt. Der Studie zufolge würden bei generellen Tempolimits aufgrund von Unachtsamkeiten der Lenker oder Sekundenschlaf die Unfallzahlen sogar ansteigen. Wesentlich effizienter zur Senkung der Unfallzahlen und Reduktion der Emissionen sind eben der flächendeckende Einsatz von Verkehrsbeeinflussungs-Anlagen.
Die aktuelle KFZ-Steuerreglung von 2009 begünstigt bereits verbrauchsärmere Fahrzeuge. Kraftstoffe sind bereits hoch besteuert und so zahlt wer mehr verbraucht auch bereits mehr Steuern. Außerdem ist die derzeitige Besteuerung abhängig von der Hubraumgröße des Fahrzeugs (Sockelbetrag) und von der Kohlendioxid-Emission (Zusatzbetrag) vorteilhaft für sparsamere Fahrzeuge. Dazu gibt es steuerliche Anreize für CO2-ausstoss-reduziernde Nachrüstungen. Diese Maßnahmen halte ich derzeit für ausreichend.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und wünsche Ihnen gute Fahrt.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Bilger MdB