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Frage von Christian F. •

Frage an Stefan Urbat von Christian F. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Herr Urbat,

ich bin ein Wähler des Wahlbezirks "Stuttgart I" und habe einige Fragen an Sie:

1) Sollen Studiengebühren auch weiterhin erhoben werden und sind Sie der Meinung, dass diese die Ausbildung an Universitäten verbessert haben und weiter verbessern?

2) Setzen Sie sich im neuen Landtag für mehr Geld für Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universität ein oder sind Sie der Meinung, dass im Moment genügend Geld für diese Einrichtungen zur Verfügung steht? Sollte der Etat gekürzt werden?

Weitere Fragen, die nicht zum Thema "Bildung und Forschung" gehören:

3) Wie stehen Sie zum Thema Bürgerbeteiligung und Volksentscheide auf Landesebene? Soll es in Zukunft zu wichtigen Themen Bürgerbefragungen und Volksentscheide geben? Sollen dazu die hohen Barrieren zur Initiierung einer Befragung oder eines Entscheids gesenkt werden?

4) Finden Sie die aktuelle Atompolitik der Bundesregierung richtig? Wie würden Sie auf Landesebene, sofern dies durch den Landtag entschieden werden würde, über eine vorzeitige Abschaltung des AKW Neckarwestheim stimmen?

5) Finden Sie, dass die aktuellen Datenschutzrichtlinien zur Terrorbekämpfung im Sinne der Vorratsdatenspeicherung angepasst werden sollen? Oder sollen die Richtlinien verschärft werden, so dass der Zugang und die Speicherung zu persönlichen Daten erschwert wird?

6) Wie stehen Sie zum Thema Überwachung öffentlicher Plätze? Soll diese Überwachung beibehalten, verschärft oder entschärft werden?

7) Wie stehen Sie zum Bahnprojekt "Stuttgart21"? Halten Sie das Projekt für sinnvoll oder nicht? Soll es weitergebaut oder gestoppt werden? Soll es zu diesem Projekt eine Bürgerbefragung oder einen Volksentscheid geben?

Ich bedanke mich im voraus für die Beantwortung meiner Fragen. Ihre Antwort hilft mir bei der Entscheidungsfindung für die Landtagswahl. Bitte geben Sie zu den Themen klare Antworten und beschränken Sie sich bei der Beantwortung möglichst auf wenige Worte.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Fritzmann

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Sehr geehrter Herr Fritzmann,

1) Ich teile voll und ganz das Ziel meiner Partei der vollständigen Abschaffung von Studiengebühren in Baden-Württemberg: ich weiss von einem C4-Professor an der Uni Stuttgart, der kein Gegner dieser Gebühren ist, dass dies wenig hilfreich ist und die Abschaffung nicht von Nachteil wäre; eine Studentin hat mir erklärt, dass Kommilitoninnen von ihr der Prostitution nachgehen, um diese Gebühren zu bezahlen.

2) Es ist auch vor dem Hintergrund der Schülerjahrgänge aus G8 und G9, die zu besonders vielen Studienanfängern führen, absolut notwendig, die Mittel für Bildungseinrichtungen deutlich zu steigern; BW wie Deutschland insgesamt liegt hier sowohl hinter eigenen Zielen als auch im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern deutlich zurück.

3) Ich bin ganz wie unsere Partei für eine starke Ausweitung bzw. erstmal praktische Ermöglichung von Volksentscheiden in BW - derzeit sind die Hürden so hoch, dass die Möglichkeit nur theoretisch besteht. Von Demokratie e.V. die wichtigsten Punkte: mit 10000 Unterschriften wird eine Volksinitiative dem Landtag vorgelegt, der sich damit befassen und Stellung beziehen muss; stellt das die Initiatioren nicht zufrieden, soll mit 5% der Wahlberechtigten (statt bisher 16%) in bis zu 6 Monaten (z.Zt. zwei Wochen) per freier Sammlung (derzeit Zwang zum Unterschreiben auf dem Bürgeramt) ein Volksbegehren zu einem Volksentscheid führen können, und außer bei Verfassungsfragen soll es dort kein Quorum mehr geben (bei Verfassungsfragen ist wie im Landtag eine 2/3 Mehrheit natürlich nötig).

4) Das ist sehr schwierig, da zwar die konkrete Atomaufsicht dem Land untersteht, das Atomgesetz selbst jedoch Bundessache ist. Man kann allerdings durchaus unsichere Meiler als Landesaufsichtsbehörde außer Betrieb gehen lassen. - Weil der Bundesrat m.E. verfassungswidrig beim "Ausstieg aus dem Ausstieg"-Beschluss übergangen wurde (Ex-BVerfG-Präsident Papier hatte ein entsprechendes Gutachten verfasst mit dieser Aussage), ist hier das letzte Wort ohnehin noch nicht gesprochen, eine Verfassungsbeschwerde dagegen ist bereits anhängig.

5) Vorratsdatenspeicherung ist reine Symbolpolitik, um den Anschein von Sicherheit zu erreichen. Sie gehört komplett abgeschafft bzw. europaweit verboten. Die hohen Hürden des BVerfG-Entscheids zum deutschen VDS-Gesetz vom Herbst 2007 bringen ohnehin (wie früher beim großen Lauschangriff) ein Quasi-Verbot in Deutschland mit sich, denn eine so sichere Datenerhebung und -speicherung wie im Urteil gefordert ist mehr oder weniger undurchführbar bzw. unbezahlbar. - Das allerdings ist i.W. Bundesthema und für uns in BW allenfalls via Bundesrat beeinflussbar.

6) Auch die Videoüberwachung öffentlicher Plätze ist fast lupenreine Symbolpolitik und wie Studien gezeigt haben, fast durchweg wirkungslos, was die Prävention von Verbrechen angeht (z.B. völlig bei Trunkenheitsdelikten), sie ist überdies teurer als meist zugegeben wird und hilft auch viel weniger bei der Aufklärung, als es oft dargestellt wird, voll vermummte Personen (möglichst noch mit Sonnenbrille) sind regelmäßig überhaupt nicht auf den Aufnahmen zu identifizieren.

7) Ich halte Stuttgart 21 für verkehrlich rückschrittlich (Faustregel: ein Durchgangsbahnhof kann bei sonst gleichen Bedingungen und gleich vielen Gleisen 30% mehr Schienenverkehr aufnehmen; 8 Gleise mal 1,3 sind jedoch 10,4 und selbst 10 Gleise ergeben nur 13 als Äquivalent gegenüber 16,5 Gleisen des Bonatz-Bahnhofs), für völlig überteuert (die Kosten werden noch dramatisch steigen wie bei allen vergleichbaren Bahnprojekten der letzten Jahre) und für sicherheitstechnisch bedenklich (schlechte Fluchtmöglichkeiten in den langen Tunneln der aktuellen Planung, schwieriger, problematischer Untergrund, nämlich Anhydrit/Gipskeuper, in vielen Bereichen).

Ein Volksentscheid wäre vollkommen angebracht, da die regierenden Parteien in Land und Stadt die Bevölkerung in der Vergangenheit schon seit 15 Jahren systematisch von essentiellen Informationen und allen Beteiligungsmöglichkeiten ausgeschlossen haben (Gipfel: Ablehnung des Bürgerbegehrens aus vorgeschobenen formalen Gründen trotz >60000 gültiger Unterschriften bei nur 20000 nötigen). - Wie schon erwähnt, müssten allerdings vorher die Regeln geändert werden, sonst hätte ein Volksentscheid keinen Sinn, oder es müsste ein Spezialgesetz für diesen Fall verabschiedet werden.

Das waren viele Fragen, viel kürzer konnte ich es nicht machen.

Mit freundlichen Grüßen, Stefan Urbat