Frage an Stefan Ruppert von Marwin N. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Stefan Ruppert,
Auch wenn ich den Wert "Christlicher Werte" nicht nachvollziehen kann, ich mich sogar eher frage was genau positives an christlichen Werten zu finden ist, kann und muss ich diese natürlich tolerieren.
Was mich allerdings stört ist, dass im aktuellem Kabinett gerade einmal drei Politiker nicht ihren Schwur auf Gott geleistet und sich damit zum säkularem Staat bekannt haben.
Im letzten Kabinett berichteten katholische Medien gar stolz das dort keine konfessionsfreien Politiker vertreten waren.
Anders gesagt ich als Atheist der zusammen mit den Konfessionslosen 36,6 % der Bevölkerung stelle, fühle mich von der Politik weder gehört, noch gesehen, noch berücksichtigt.
Etliche Entscheidungen wurden und werden auf Basis der rechtskonservativen Meinung der christlichen Kirchen oft sogar gegen eklatante Umfragemehrheiten entschieden wie zum Beispiel bei der Sterbehilfe.
Frau Merkel hat die Homoehe bis zum Schluss hinausgezögert mit einer klar christlichen Begründung.
Einige Bundestagspolitiker richten Grüße an Veranstaltungen wie dem mehr als fragwürdigem religiös motiviertem 1000 Kreuze Marsch oder sind auf Veranstaltungen wie dem Katholikentag.
Das entspricht weder einem säkularem Staat noch werden dadurch 36% der Bevölkerung repräsentiert.
Meine Frage an sie als Religionsbeauftragter der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag ist, wie sie und ihre Partei gedenken den Bedürfnissen von Atheisten und Konfessionslosen gerecht zu werden, mit welchen säkularen/kirchenfernen Organisationen sie schon Kontakt haben/hatten und wie sie in Zukunft gedenken den vornehmlich Schweigenden 36% der Bevölkerung politisch wirklich gerecht zu werden.
Darüber hinaus interessiert mich wann man gedenkt die verfassungsmäßig vorgegebene Ablösung der Staatskirchenleistungen anzugehen und wann man gegen das diskriminierende Arbeitsrecht der Kirchen vorgehen möchte.
Mit freundlichen Grüßen,
Marwin Nemitz
Sehr geehrter Herr N.,
zunächst vielen Dank für Ihre Mail vom 17. Januar 2020.
In Deutschland gilt vor dem Grundgesetz sowohl die positive als auch die negative Religionsfreiheit. Dazu gehört Toleranz gegenüber Menschen, die sich einer Religion zugehörig fühlen und denjenigen, die wiederum jegliche Weltanschauung oder religiöse Zugehörigkeit für sich ablehnen.
Was ist Ihr Vorschlag Herr N.? Dass Sie sich als Atheist durch die Abgeordneten des derzeitigen Parlaments unterrepräsentiert fühlen, hat persönliche Gründe, unterliegt jedoch keiner staatlichen Steuerung. Abgeordnete sind die gewählten Repräsentanten der Bevölkerung. Der einzelne Wähler entscheidet selbst, wieso er den entsprechenden Abgeordneten ins Parlament wählt. Dennoch hat auch jeder und jede Abgeordnete als deutscher Staatsbürger das Recht, von seiner positiven aber auch negativen Religionsfreiheit Gebrauch zu machen. Auch die 36% der Bevölkerung in Deutschland, die sich dem Atheismus zuordnen, haben die Möglichkeit und das Recht, sich politisch zu engagieren oder bei einer Wahl einen Kandidaten nach ihren Vorstellungen zu wählen. Zudem liegt die Aufgabe der Abgeordneten nicht darin, ein religiöses Bekenntnis zu repräsentieren. Als Fraktion der Freien Demokraten stehen wir für selbstbestimmte Freiheit. Dazu gehört neben der bewussten Entscheidung für eine Konfession ebenso die Möglichkeit, sich dagegen zu entscheiden und entsprechende Einstellung auch durch politisches Engagement oder den eigenen Lebensentwurf durch aktive Teilnahme an repräsentativer Demokratie auszudrücken. Wir setzen uns für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, die sich an deutschem Recht und Gesetz orientiert, ein.
Auf Grundlage dieser Religionsfreiheit in Deutschland kann es keine Quote für oder gegen eine Konfessionszugehörigkeit im Deutschen Bundestag geben. Schließlich steht das Prinzip der freien Wahl über allem.
Die Staatsleistungen, die an die Kirchen gezahlt werden, sind seit nunmehr 100 Jahren verfassungswidrig. Wir streben an, den Verfassungsauftrag nach über 100 Jahren nun endlich erfüllen zu können. Dafür muss die entsprechende Gesetzesgrundlage geschaffen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Stefan Ruppert