Frage an Stefan Ruppert von Dierk H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Ruppert,
das sie jetzt ihre Visitenkarten in Oberursel schon von anderen Leuten im Bundestagswagen verteilen lassen ist ja nicht gerade seriös. Ich hoffe meine E-mail an sie darauf, ohne sie persönlich getroffen zu haben wird trotzdem ernst genommen.
Es ist etwas traurig, das es so lange dauert bis ich wieder nützlich in diesem Land tätig werden kann. Vielleicht sollte man sich darüber Gedanken machen in wie weit die Länge der Gerichtsverfahren im generellen in Deutschland sinnvoll sind.
Hier einige Beispiele auf meiner Erfahrung:
1.) Gewöhnlicher Baugerichtsprozess mit Gutachten ca. 2,5 Jahre beim ersten Mal.
2.) Wiederholter Baugerichtsprozess mit Gutachten 3,5 Jahre
3.) Insolvenzverfahren 2 Jahre.
Wenn schwierige bautechnische Entscheidungen nur über Gerichte gelöst werden können halte ich die Prozessdauer für absolut mangelhaft. Vielleicht sollte hier eine Überarbeitung der Prozessordnung und Verkürzung der Fristen in den Gremien des Bundestages verbessert werden. Sie als Jurist sollten das Problem gut verstehen und sich sicher mit den Fristen gut auskennen und sie als normal ansehen. Für einen Ingenieur, der an ständige Veränderungen in der Technik gewohnt ist, bedarf das einer Überarbeitung?
Mit freundlichen Grüßen
Dierk Haase
Sehr geehrter Herr Haase,
vielen Dank für Ihre Frage auf www.abgeordnetenwatch.de über die Länge von Gerichtsverfahren. Ich kann Ihren Unmut über die teilweise sehr lange Dauer von bestimmten Gerichtsverfahren sehr gut nachvollziehen.
Ein Prinzip des Rechtsstaates ist nach Art. 19 IV und 20 III Grundgesetz und Art. 6 I der Europäischen Menschenrechtskonvention der effektive Rechtsschutz. Jedem Bürger steht das Recht zu, Entscheidung von unabhängigen Gerichten über Sachfragen zu erhalten und die ihm verliehen Rechte geltend zu machen. Dieser Rechtsschutz darf allerdings nicht zu spät erfolgen, wenn er nicht seine Wirkung verlieren sollte. Die FDP als Rechtsstaatspartei verteidigt daher Bürgerinnen und Bürger gegen überlange Gerichtsverfahren.
Unseren Gerichten muss allerdings hoch angerechnet werden, dass solch überlange Gerichtsverfahren die Ausnahme sind. In der Regel werden Sachverhalte je nach Komplexität der Thematik in angemessener Zeit von den Gerichten erledigt. Aus unterschiedlichen Gründen ziehen sich aber wenige Fälle in die Länge. Aufgrund von verschiedenen Rechtsbehelfen wie z.B. der Verfassungsbeschwerde, wurde über diese Problematik u.a. vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht entschieden. Wegen richterlicher Rechtsfortbildung ergab sich in wenigen Fällen die Möglichkeit für den Bürger, sich gegen überlange Verfahren zu wehren. Zugleich lag allerdings wegen fehlender Gesetze keine klare Rechtslage vor. Somit war es geboten, diesem unbefriedigenden Zustand Abhilfe zu leisten.
Auf Vorschlag der Bundesjustizministern Leutheusser-Schnarrenberger verabschiedete die christlich-liberale Koalition in dieser Legislaturperiode ein Gesetz über den Rechtsschutz in überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Danach werden bei einer Verletzung des Rechts auf angemessene Verfahrensdauer daraus resultierende materielle und unter gewissen Umständen auch immaterielle Nachteile ersetzt. Die hierfür nötigen Rechtsbehelfe gliedern sich in Verzögerungsrüge und Entschädigungsklage. Wenn erstere keine Abhilfe leistet, kommt letztere zum Zuge.
Da das Gesetz erst seit Dezember 2011 in Kraft getreten ist, gilt es abzuwarten, wie sich die neu geschaffenen Rechtsbehelfe in der Praxis beweisen. Nach einem gewissen Zeitraum soll das Gesetz evaluiert und gegebenenfalls korrigiert werden, damit für die Bürgerinnen und Bürger effektiver Rechtsschutz geboten wird.
Ich hoffe, Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben, und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Stefan Ruppert, MdB