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Frage von Alexander B. •

Frage an Stefan Ruppert von Alexander B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Ruppert!

Am 22.11. des letzten Jahres hatte ich Ihnen meine Frage / meine Sorgen zu einer drohenden, endgültigen EU-Transferunion übermittelt. In Ihrer netten und kompetenten Antwort vom 29.11. teilten Sie mir damals mit, dass Sie bzw. die FDP eine Transferunion genauso kritisch sehen wie ich und dass eine solche der „…völlig falsche Ansatz zur nachhaltigen Verhinderung zukünftiger Eurokrisen“ wäre. Im Herbst dieses Jahres steht jetzt die Abstimmung des deutschen Parlaments zum ESM an. Nun scheint der ESM genau in diese endgültige Transferunion zu münden. Er umgeht die Souveränität und Entscheidungshoheit der nationalen Parlamente, also auch des deutschen Bundestages. So soll der ESM selbstständig über Kapitalabrufe und Kreditvergaben entscheiden und quasi die Funktion eines supranationalen Finanzministers übernehmen. Dass den Organen des ESM zudem noch juristische Immunität gewährt werden soll (warum eigentlich?) setzt dem Fass ja wohl die Krone auf! Wo bleibt hier die unverzichtbare Kontrolle durch die Legislative und Judikative? Gefährdet dieser ESM nicht zudem unseren Wohlstand und letztendlich auch den sozialen Frieden in unserem Land? Einige, engagierte Bürger sehen dies ebenfalls recht kritisch wie eine laufende EPetition „Finanzpolitik – Europäischer Stabilitätsmechanismus vom 26.05.2011“ belegt (zur o.g. EPetition siehe folgenden Link: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=18123 ). Wie stehen Sie bzw. Ihre Partei zu diesem ESM? Können Sie hier noch Änderungen ermöglichen und wenn nein, wie werden Sie bzw. die FDP sich dann bei der Abstimmung verhalten?

Gespannt warte ich auf Ihre Antwort. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Alexander Bitzer

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Bitzer,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf www.abgeordnetenwatch.de vom 1. Juli 2011 zum geplanten Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM). Seit unserem letzten schriftlichen Austausch vom November 2010 hat sich die Situation sowohl in Griechenland als auch in anderen Ländern des Euroraums zum Teil dramatisch verschlechtert. Viele Fehlentscheidungen vergangener Regierungen der Euro-Zone haben den Weg dahin bereitet. Nicht zuletzt hat die damalige rot-grüne Bundesregierung einen fatalen Pfad beschritten, in dem sie 2004 den für den Euro wichtigen Stabilitäts- und Wachstumspakt durch haushaltpolitische Fehlleistungen in unverantwortlicher Weise aufgeweicht hat. In dieser schwierigen Situation sind die Beratungen zum Aufbau des Stabilisierungsmechanismus von entscheidender Bedeutung. Es muss ein verantwortbarer Weg aus der derzeitigen Krise aufgezeigt und beschritten werden.

Wie Sie richtig schreiben, wird das Gesamtpaket zum geplanten ESM dem Deutschen Bundestag erst im Herbst dieses Jahres in abstimmungsreifer Vorlage vorliegen. Unter anderem werden noch Details für die Umschuldungsklauseln in den 27 Mitgliedstaaten verhandelt. Deswegen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt einzelne Punkte zur Ausgestaltung des ESM nicht abschließend kommentieren. Für uns Liberale stehen jedoch eine Reihe von Bedingungen fest, an die wir unsere Zustimmung zum Stabilisierungsmechanismus knüpfen.

Ein ganz entscheidender Punkt für die FDP ist die angemessene Beteiligung privater Gläubiger an zukünftigen Hilfs- und Stabilisierungsmaßnahmen. Denn auch die Finanzmärkte müssen einen verantwortbaren Anteil an den Risiken und Lasten von Umschuldungsmaßnahmen tragen. Eine zweite, nicht weniger wichtige Bedingung für eine Zustimmung zum ESM ist die Wahrung der Haushaltsrechte des Deutschen Bundestags. Das Recht, autonom über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, gilt historisch betrachtet als das Königsrecht des Parlaments. Vor jeder zukünftigen Aktivierung des ESM muss der Bundestag von Fall zu Fall entscheiden können, ob er eine Aktivierung des Rettungsschirms und damit eine Gewährung von Finanzhilfen an überschuldete Staaten für richtig hält. Eine pauschale Zustimmung zu allen zukünftigen Finanzhilfen wird es mit der FDP nicht geben. Drittens ist es unabdingbar, dass zukünftige Stabilisierungsmaßnahmen immer nur das allerletzte politische Mittel sind. Bevor Finanzhilfen gewährt werden, müssen alle anderen möglichen Alternativen ausgeschöpft sein. Zudem muss das Einstimmigkeitsprinzip gelten. Es kann demnach keine Entscheidung für Finanzhilfen gegen den Willen der deutschen Regierung geben.

Auch wenn das Wort „alternativlos“ bei mir grundsätzlich auf Misstrauen stößt, muss man sich trotzdem ehrlich die Frage stellen, was die Alternativen zu den Stabilisierungsmaßnahmen wären. Eine ungeordnete Insolvenz eines Mitgliedstaates hätte zum einen unangenehme Folgen für die Inhaber der entsprechenden Staatsanleihen. Banken, Versicherungen, Rentenfonds und damit auch fast jeder Privatanleger wären in unkontrollierbarer Weise betroffen. Zum anderen könnte sich eine noch weitaus gravierendere Folge einer unkontrollierten Staateninsolvenz ergeben. Die Kapitalmärkte könnten negative Schlussfolgerungen aus der Insolvenz eines Mitgliedstaates ziehen und fortan bei anderen Staaten Kredite nur noch gegen erhebliche Zinsaufschläge zur Kompensation des Ausfallrisikos gewähren. Dadurch würden andere finanzschwache Staaten durch immer größer werdende Refinanzierungskosten viel schneller und unkontrollierter in die Zahlungsunfähigkeit getrieben. Die Folge könnte eine Spirale wirtschaftlich und finanziell zusammenbrechender Staaten sein, die aus der Euro-Zone aussteigen, ihre eigenen Währungen wieder einführen und diese erheblich abwerten müssten. Eine solche Kaskade hätte auch für Privatanleger und die Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Staaten gravierende Folgen. Eine Destabilisierung oder gar ein Zusammenbruch des Euroraums hätte ebenso für unsere stark am Export orientierte Volkswirtschaft sehr fatale Auswirkungen. Den deutschen Steuerzahlern ist ein solches Risiko nicht zumutbar.

Wir nehmen Fragen und Petitionen der Bürgerinnen und Bürger zur Situation im Euroraum sehr ernst. Wir sind uns auch der Verantwortung gegenüber den deutschen Steuerzahlern bewusst. Gleichzeitig versichere ich Ihnen, dass wir Liberalen die Entscheidung zur Zustimmung zum ESM bis zuletzt kritisch überprüfen werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die gestellten Bedingungen an die Stabilisierungsmaßnahmen erfüllt und dadurch unzumutbare Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland vermieden werden.

In der Hoffnung, Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Dr. Stefan Ruppert, MdB