Frage an Stefan Ruppert von Paul L. bezüglich Wirtschaft
Wann gedenken Sie den unsinnigen Kammerzwang ( IHK ) abzuschaffen. ????????
Sehr geehrter Herr Löhr,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf www.abgeordnetenwatch.de vom 28. Januar 2010 bezüglich der Pflichtmitgliedschaften bei den Industrie- und Handelskammern (IHK).
Die FDP-Bundestagsfraktion nimmt Bedenken aus der Bevölkerung hinsichtlich der Pflichtmitgliedschaft bei den IHK’n sehr ernst. Schon mehrfach ist gerade von kleinen und mittelständigen Unternehmen beispielsweise die aus ihrer Sicht unnötige Belastung der Wirtschaft mit Kammerbeiträgen hervorgebracht worden. Grundsätzlich ist die Pflichtmitgliedschaft für die Delegation staatlicher Aufgaben auf eigenverantwortliche öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaften jedoch von außerordentlicher Bedeutung. Sie nimmt eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion ein, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und stattdessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt. Die Organisation der Wirtschaftssubjekte in einer Selbstverwaltungskörperschaft soll Sachverstand und Interessen bündeln, sie strukturiert und ausgewogen in den wirtschaftspolitischen Willensbildungsprozess einbringen und gleichzeitig den Staat in der Wirtschaftsverwaltung entlasten.
Diese grundlegende Bedeutung zeigt sich auch im auch im internationalen Vergleich. In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nutzen u.a. Frankreich, Italien, Niederlanden, Österreich, Spanien, Griechenland und Luxemburg die auf Pflichtmitgliedschaft basierte Selbstverwaltung der Wirtschaft. Die konkrete Ausgestaltung von Aufgaben, Befugnisse, Finanzierung und Kammerorganisation unterscheidet sich im Einzelfall. Dennoch ist der wesentliche ordnungspolitische Rahmen mit der deutschen Regelung vergleichbar. Das deutsche System der Selbstverwaltung schneidet nach Ansicht einschlägiger Experten zur Best Practice gut ab. In einigen mittel- und osteuropäischen Ländern sei ein Kammersystem nach deutschem Vorbild eingeführt worden oder werde diskutiert.
Die FDP-Bundestagsfraktion sieht in der bestehenden auf dem Grundsatz der Pflichtmitgliedschaft begründeten Organisation der IHK‘n sowie der Handwerkskammern in Form von Körperschaften öffentlichen Rechts eine geeignete Form der Selbstverwaltung der Wirtschaft und der Interessenvertretung der Unternehmen. Eine alternative staatliche Bereitstellung der durch die Kammern erbrachten Leistungen entfaltet aus gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten keine wettbewerbsfördernden Impulse. Vermutlich würden die damit verbundenen Kosten insgesamt steigen, welche letztlich durch höhere Abgaben und Steuern auch seitens der heutigen Mitgliedsunternehmen der Kammern zu tragen wären.
Dennoch hat die FDP als Ergebnis der langwierigen und intensiven Auseinandersetzung mit der Pflichtmitgliedschaft auf Bundes- als auch auf Landesebene auf dem 57. Ordentlichen Bundesparteitag im Mai 2006 einen Reformbedarf des deutschen Kammerwesens identifiziert. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Stärkung von kammerinterner Demokratie, Transparenz und Effizienz, als auch die Fokussierung der Geschäftstätigkeit der IHK’n auf Kernaufgaben bei gleichzeitiger Steigerung der Transparenz durch Messung und Kommunikation unternehmerischer Leistungskennzahlen genannt. Dieser Beschluss wird auch unser Engagement in der 17. Wahlperiode begleiten.
In der Hoffnung, Ihr Anliegen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Dr. Stefan Ruppert