Frage an Stefan Müller von Hans G. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Müller,
wie stehen Sie zur geplanten Bahnprivatisierung ?
Viele Grüße,
Hans Gertruder
Sehr geehrter Herr Gertruder,
Die Koalition hat 2005 im Koalitionsvertrag vereinbart, die Bahn für die Zukunft fit zu machen und dazu auch private Partner zu gewinnen. Hierfür haben die Koalitionsfraktionen im vergangenen Herbst im Deutschen Bundestag Eckpunkte beschlossen und die Bundesregierung beauftragt, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Hintergrund war -- wie schon 1993, bei der ersten Stufe der Bahnreform - ein stetig sinkender Marktanteil, ein extremer Investitionsrückstand bei gleichzeitig hoher Verschuldung.
Ein wesentliches Problem bestand schon immer im widersprüchlichen gesetzlichen Auftrag der Bahn, die einerseits wie eine Behörde und andererseits wie ein Wirtschaftsunternehmen agieren sollte. Vor diesem Hintergrund wurden viele Optionen und mögliche Lösungswege intensiv diskutiert und sorgfältig geprüft. Im Ergebnis entschied man sich für eine formelle Privatisierung als neu gegründete Deutsche Bahn AG (DB AG), um so staatliche Verantwortung mit den Vorteilen privatrechtlicher Betriebsorganisation zu kombinieren.
Nach fast 15 Jahren konnte eine insgesamt positive Bilanz gezogen werden. Aus einer Staatsbahn mit einem riesigen Schuldenberg ist ein modernes Unternehmen geworden. Wir verzeichnen einen Anstieg der Verkehrsleistungen im Güter- und Personenverkehr sowie eine Steigerung von Konzernumsatz, Produktivität und betrieblichem Ergebnis bei der DB AG. Es war eine richtige Entscheidung, auf der Schiene Wettbewerb zuzulassen.
Wir wollen und müssen die Schiene aber noch attraktiver gegenüber der Straße machen, um den immens wachsenden Güterverkehr in Deutschland und Europa zu bewältigen. Dazu bedarf es hoher Investitionen in die Infrastruktur. Hinzu kommt die europäische Marktöffnung für den Güterverkehr seit Beginn dieses Jahres und für den internationalen Personenverkehr ab dem Jahr 2010. Das sorgt für zusätzlichen Wettbewerb und eröffnet unseren deutschen Bahnunternehmen neue Chancen in Europa. Viele der neuen Mitgliedsstaaten haben außerdem erkannt, wie wichtig der Eisenbahnverkehr für ihre Zukunft ist. Sie suchen in Europa starke Partnerunternehmen und finden sie z.B. in der DB AG. Solches Engagement trägt zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Mobilität auf unserem Kontinent bei und sorgt für zukunftssichere Arbeitsplätze.
Vor diesem Hintergrund mussten wir deshalb die Frage beantworten, wie wir die Deutsche Bahn AG und den Eisenbahnverkehr in Deutschland insgesamt stärken können. Wir wollen die Bahn für eine Teilkapitalprivatisierung öffnen und damit starke private Partner für dieses Projekt gewinnen.
Die CDU/CSU-Bundestagfraktion unterstützt das Vorhaben der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. Voraussetzung ist jedoch, dass der Bund auf Dauer Eigentümer der Bahninfrastruktur bleibt und damit seine Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur auch in Zukunft wahrnehmen kann. Im vorliegenden Gesetzentwurf ist ein Eigentumssicherungsmodell vorgesehen, das für eine Übergangsphase das wirtschaftliche Eigentum der DB AG zuordnet. Zudem soll der Bund verpflichtet werden, der DB AG nach Ablauf dieser Übergangsphase einen Wertausgleich zu bezahlen. Um die genannten Ziele zu erreichen, fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch folgende Änderungen an diesem Gesetzentwurf:
1. Die Infrastrukturverantwortung des Staates muss im Gesetzentwurf klar geregelt werden. Für die Umsetzung der vom Gesetzgeber beschlossenen Bedarfsplanmaßnahmen muss dem Bund auch ein
Durchsetzungsrecht und dem Netzbetreiber weiterhin ein Initiativrecht eingeräumt werden. Die heutige Netzqualität muss gesichert werden, deshalb muss ein fortgeschriebener Netzzustandsbericht objektiv und daher extern evaluiert werden.
2. Vor Verabschiedung des Gesetzes muss eine unterschriftsreife Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung (LuFV) dem Deutschen Bundestag vorliegen. Vor der materiellen Privatisierung muss ein einjähriger Testlauf für die LuFV erfolgen.
3. Die vorgesehene Laufzeit der Sicherungsübertragung (15 + 3 Jahre) muss verkürzt werden.
4. Der Gesetzgeber muss bei der Frage, wie er mit seinem Eigentum künftig verfahren will, völlig frei sein. Die im Gesetz jetzt enthaltene begrenzte Aufzählung von Handlungsalternativen (Art. 2 § 5 Ziff. 1 - 3) ist daher zu streichen.
5. Mehr Wettbewerb auf der Schiene erfordert eine Stärkung der Regulierungsbehörde. Dazu ist erforderlich, dass die Bundesnetzagentur in die Lage versetzt wird, Entgelte für die Eisenbahninfrastruktur zu verhindern, die einseitig die Wettbewerber der DB AG belasten. Die Entgeltvorschriften sind daher -- analog gleichlautender Vorschriften im Telekommunikationsgesetz und im Energiewirtschaftsgesetz -- zugunsten eines an den Kosten der effizienten Leistungserstellung orientierten Entgeltmaßstabs für die Regulierung einzelner Netznutzungsentgelte auszugestalten und zusätzlich mit der Möglichkeit einer Anreizregulierung (Price Cap-Regulierung) zu versehen.
Sie können sich künftig mit Ihren Fragen auch gern direkt an mich wenden unter:
stefan.mueller@bundestag.de oder unter der Postanschrift Platz der Republik 1; 11011 Berlin.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller, MdB