Frage an Stefan Müller von Dieter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
mich würde ihr Standpunkt zu den nachfolgenden Fragen der Organisation "Mehr Demokratie e.V.", die für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene eintritt, interessieren und ob ich aus ihren Antworten auch auf ihr eventuelles Abstimmungsverhalten schließen darf. Ich möchte Sie bitten, Ihre Antworten auch entsprechend zu begründen.
1. Sind Sie für die Einführung bundesweiter Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide?
2. Sind Sie für die Einführung von zwingenden Referenden bei Grundgesetzänderungen?
3. Sind Sie für die Einführung von zwingenden Referenden bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union?
4. Sind Sie für die Einführung von fakultativen Referenden auf Bundesebene?
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen,
Dieter Kiesel
Sehr geehrter Herr Kiesel,
vielen Dank für Ihre Fragen.
*1. Sind Sie für die Einführung bundesweiter Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide?*
Die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids über die im Grundgesetz selbst bereits vorgesehenen Fälle (z.B. in Art. 29 GG) kommt für mich nur eingeschränkt in Betracht. Bei der Übertragung von Kompetenzen auf die EU-Ebene bin ich durchaus dafür.
Bereits die jüngere Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland belegt, dass eine Vielzahl von politischen Entscheidungen nicht nur in der Bevölkerung unpopulär gewesen sind, sondern auch erst viele Jahre danach ihre berechtigte Akzeptanz gefunden haben. Gleichwohl ist unstreitig, dass sie für die positive Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von herausragender Bedeutung waren (z.B. Nato-Doppelbeschluss, Einführung des Euro).
Ein weiterer wesentlicher Grund gegen die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids ist der in der Bundesrepublik Deutschland geltende Föderalismus. Ein bundesweiter Volksentscheid müsste immer auch die Belange des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen. Eine bloße vorherige Beteiligung des Bundesrates mit der Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, reicht hierzu sicherlich nicht aus und würde zudem den mit der Entscheidung betrauten Bürger verunsichern.
*2. Sind Sie für die Einführung von zwingenden Referenden bei Grundgesetzänderungen?*
Das bisherige System hat sich bewährt. Daher ist keine Änderung erforderlich.
*3. Sind Sie für die Einführung von zwingenden Referenden bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union? *
Für mich kommt die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids für hervorgehobene europapolitische Entscheidungen von besonderer Tragweite durchaus in Betracht. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sollten mit Hilfe eines Volksentscheids unmittelbar entscheiden dürfen, wenn beispielsweise die Übertragung von wesentlichen Kompetenzen auf die EU, der Beitritt weiterer Länder in die EU oder die Übernahme erheblicher Finanzdienstleistungen bei der Bewältigung der Krise in der Eurozone bevorsteht.
*4. Sind Sie für die Einführung von fakultativen Referenden auf Bundesebene? *
Der Einführung von fakultativen Referenden auf Bundesebene stehe ich kritisch gegenüber. Das im Grundgesetz ausgestaltete Gesetzgebungsverfahren ermöglicht eine intensive Einbringung von Bürgerinnen und Bürgern während des Gesetzgebungsprozesses. Einer zusätzlichen Bestätigungsmöglichkeit bzw. Ablehnungsmöglichkeit im Anschluss an eine demokratisch getroffene Entscheidung des Deutschen Bundestages bedarf es aus meiner Sicht daher nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller MdB