Frage an Stefan Müller von Klaus W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Müller,
ich beziehe mich mit meiner Frage auf Ihr Interview für den TAGESSPIEGEL vom 3.4.2013.
Ich vermißte in Ihren Aussagen als Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe einen Bezug zum Agreed Framework zwischen Nordkorea und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 21.10.1994. Während die Nordkoreaner ihren Teil der Abmachung einhielten und ihren Plutoniumreaktor stillegten, legte die Regierung Bush die Erfüllung ihres Teils der Übereinkunft auf Eis: Weder wurden die beiden Leichtwasserreaktoren von der KEDO gebaut, noch wurde die von den USA versprochene Menge Öl geliefert. Der Vorwand, Nordkorea habe kein Recht, Urananreicherung zu betreiben, war (a) illegal, weil für die Nordkoreaner damals immer noch Artikel 4 des NPT galt, und (b) unredlich, weil Nordkorea bisher keine Uranwaffentests nachgewiesen worden sind, welche der KEDO damals aber als Ausrede dienten. Wäre es nicht einfacher, Obama knüpfte an die Clinton-Vereinbarungen an? Welche Position vertreten Sie dazu?
Vielen Dank im voraus für die Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Klaus Weiß
Sehr geehrter Herr Weiß,
die Zusammenhänge und Entwicklungen in Bezug auf das von Ihnen angesprochene "Agreed Framework" sind doch deutlich komplizierter, als Sie in Ihrer Frage den Eindruck erwecken.
So beinhaltet das "Agreed Framework" zunächsteinmal klar beiderseitige Verpflichtungen zur Kooperation. Unter Punkt I. heißt es beispielsweise wörtlich: "Both sides will cooperate to replace the DPRK´s graphite-moderated reactors and related facilities with light-water reactor (LWR) power plants."
Es kann also nicht die Rede davon sein, dass es -- wie Sie es darzustellen versuchen -- allein Aufgabe der USA gewesen wäre, als Gegenleistung für die Stillegung der Anlage in Yongbyon neue Kraftwerke in Nordkorea zu bauen. Die Vereinbarung spricht eindeutig von einer Kooperation beider Seiten zu diesem Zweck.
Unter I.1) heißt es unter anderem weiter: "... the U.S. will undertake to make arrangements for the provision to the DPRK of a LWR project [...] -- The U:S. will organize under its leadership an international consortium to finance and supply the the LWR project to be provided to the DPRK."
Mit der Gründung der KEDO sind die Vereinigten Staaten dieser Verpflichtung sehr wohl nachgekommen. Die volle Implementierung des "Agreed Framework" im Rahmen der KEDO und im weiteren bilateralen Prozess mit Nordkorea gestaltete sich dann allerdings vom ersten Tag an äußerst schwierig. Beide Seiten beschuldigten sich vor diesem Hintergrund wechselseitig der laufenden Verzögerung und Verschleppung der jeweiligen vereinbarten Implementierungsschritte.
Unbestritten ist dabei, dass das "Agreed Framework" als reines Regierungsabkommen von Beginn an von der republikanischen Opposition in den USA abgelehnt wurde. Schritte vom Regierungsabkommen zum bindenden bilateralen Vertrag wären daher schon unter der Regierung Clinton nicht möglich gewesen.
Nach der Wahl von Präsident Bush hatte dies ab dessen Amtsantritt 2001 natürlich entsprechende Auswirkungen auf die Politik der US-Regierung auch im Zusammenhang mit dem "Agreed Framework". Das mag man zwar inhaltlich kritisieren können, es ist aber -- ganz im Gegensatz zu den Verhältnissen in Nordkorea -- ein demokratisch vollkommen legitimierter und nicht zu beanstandender Vorgang.
Im Lauf des Jahres 2002 gab es aber auch immer ernstzunehmendere Hinweise für ein geheimes nordkoreanisches kerntechnisches Programm, mit dem die Bestimmungen des "Agreed Framework" umgangen werden konnten.
Die Bush-Administration entsandte daraufhin im Oktober 2002 einen Unterhändler nach Nordkorea, der die dortigen Verantwortlichen mit den Erkenntnissen konfrontierte. Diese wiesen die Anschuldigungen zunächst zurück. Nach einem nie in Zweifel gezogenen Bericht der New York Times vom 17. Oktober 2002, gab der nordkoreanische Vize-Außenminister Kang Sok Ju allerdings in der Schlussrunde der Konsultationen gegenüber US-Unterhändler Kelly die Existenz eines solchen geheimen Nuklearprogramms offen zu und begründete es mit seiner Auffassung, dass es das souveräne Recht Nordkoreas sei, Atomwaffen zu besitzen. Sein Land, so der NYT-Artikel weiter, beabsichtige außerdem das "Agreed Framework" zu beenden.
Später korrigierte Kelly die Aussage Kangs bezüglich der beabsichtigten Beendigung des "Agreed Frameworks" dahingehend, dass Kang davon gesprochen habe, das "Agreed Framework" sei aus Sicht Nordkoreas durch die Haltung der USA null und nichtig geworden.
Vor diesem Hintergrund ist leicht erkennbar, dass das "Agreed Framework" von 1994 bereits 7 Jahre später vor allem durch nordkoreanische Provokationen und Handlungen das Papier nicht mehr wert war, auf dem es gedruckt wurde. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass die Verantwortung für die schwierigen internationalen Bezeihungen mit Nordkorea allein in dem Umgang der USA mit dem "Agreed Framework" zu suchen wären.
Ich lege allerdings großen Wert darauf, dass ich in meinen öffentlichen Äußerungen der letzten Tage immer auch daruaf hingewiesen habe, wie wichtig es in meinen Augen ist, dass China und die USA ihre gemeinsame diplomatische Schlüsselrolle auf der koranischen Halbinsel jetzt intensiv wahrnehmen.
Insbesondere von den USA würde ich mir wünschen, dass sie sich diplomatisch wieder stärker mit der Situation in Korea befassen, als dies in den letzten Jahren der Fall war.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller MdB