Frage an Stefan Müller von Torsten M. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Müller,
sie haben am 28.Februar im Bundestag über den Antrag "Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern" mit NEIN abgestimmt. Ich bin über dieses Abstimmungsverhalten entsetzt; auch weil es sich um eine relativ geschlossene Parteiabstimmung mit NEIN handelt.
Wir haben denke ich seit den immer weiter greifenden Privatisierungen der letzten 20 Jahre in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen gesehen, wohin solche Schritte führen können. Insofern erschließt sich mir nicht, wie man als Partei und sie als Individuum gewillt sein können, derartige Risiken für die Wasserversorgung einzugehen.
Vielleicht ist mir entgangen, dass die CDU/CSU einen besseren Vorschlag als den eingebrachten in der Hand hat. Sollte dies so sein würde ich mich über eine Information darüber freuen, und auch, wieso dieser Antrag von ihnen und von ihrer Partei so rigoros abgelehnt worden ist.
Danke und mit freundlichem Gruß,
Torsten Maekler
Sehr geehrter Herr Maekler,
vielen Dank für Ihre Frage zur Dienstleistungskonzessionsrichtlinie und
zur Abstimmung im Deutschen Bundestag am 28. Februar dieses Jahres.
Die Fraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE hatten
unter dem Schlagwort "Wasser Privatisierung verhindern" Anträge
gestellt, die gegen eine vermeintliche Privatisierung der
Wasserversorgung in Deutschland gerichtet waren. Diese Anträge waren
nicht nur populistisch sondern teilweise auch inhaltlich falsch, weil
sie den Sachstand Ende November 2012 widerspiegelten, der zum Zeitpunkt
der Abstimmung Ende Februar 2013 bereits überholt war. Diedie
EU-Kommission war zwischenzeitlich bereits einem Teil der Forderungen
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nachgekommen. Aus diesem Grund habe ich
den Anträgen auch nicht meine Zustimmung geben können, nicht zuletzt
deshalb, um die weiteren Verhandlungen mit der EU nicht durch
unsachgemäße Forderungen zu belasten. Über den Ablauf der Beratungen und
den aktuellen Sachstand möchte ich Sie mit diesem Schreiben etwas
ausführlicher informieren:
Die EU-Kommission hatte am 20. Dezember 2011 Vorschläge für ein
Legislativpaket zur Modernisierung des Vergaberechts vorgelegt: zwei
Richtlinien zur Modernisierung des Vergaberechts und eine
Konzessionsrichtlinie. Diese Konzessionsrichtlinie sah in ihrer
ursprünglichen Fassung die Einführung einer EU-weiten
Ausschreibungspflicht für Dienst-leistungskonzessionen vor. Damit wollte
die EU-Kommission vordergründig mehr Transparenz und Wettbewerb auf den
öffentlichen Beschaffungsmärkten erreichen. Die Folge wäre: Wenn große
ausländische Wasserversorgungsunternehmen eine Ausschreibung gewinnen
würden -- und davon ist in den meisten Fällen auszugehen -- würden sie
die kommunalen Versorger vor Ort verdrängen. Dann bestünde die Gefahr,
dass diese ausländischen Versorger -- zumal wenn sie aus Ländern wie z.
B. Osteuropa mit weniger hohen Qualitätsstandards kommen -- vor allem
profitorientiert und erst in zweiter Linie qualitätsorientiert arbeiten
würden.
Dass diese Konzerne die Instandhaltung der Leitungssysteme in gleichem
Maße im Auge behalten würden wie die Stadtwerke, darf zumindest
bezweifelt werden. Gewarnt werden muss
auch vor absehbar steigenden Kosten für die Verbraucher und zusätzlichen
bürokratischen
Belastungen für die Kommunen, die solche Ausschreibungen organisieren
müssten. Hinzu käme die räumliche Distanz des Konzernsitzes und seiner
Servicestellen von ihren Kunden: Es ist evident, dass ein Konzern mit
Sitz in Paris bei einem Leitungsproblem zum Beispiel in Erlangen nicht
so schnell reagieren könnte wie die Stadtwerke Erlangen.
Zum Schutz der kommunalen Wasserversorgung hat sich die CSU-Landesgruppe
frühzeitig und vehement gegen den neuen Richtlinienvorschlag gewehrt.
Die Landesgruppe hat sich in mittlerweile unzähligen Gesprächen auf
Bundesebene und auf europäischer Ebene dafür
eingesetzt, dem Vorschlag der EU-Kommission für eine
Konzessionsrichtlinie keine
Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest den Bereich der
Wasserversorgung aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen. Diese auch
von der Breite der Unionsfraktion sowie unseren Abgeordneten im
Europäischen Parlament getragenen Bemühungen haben bereits in
wesentlichen Punkten zu Teilerfolgen geführt.
Zunächst konnte in einem ersten Schritt der Verzicht auf eine
Ausschreibungspflicht erreicht werden, wenn eine Kommune die
Trinkwasserversorgung in Eigenregie erbringt. Nur bei teilprivatisierten
Stadtwerken, die mehr als 20 Prozent ihres gesamten Geschäfts außerhalb
ihrer eigenen Kommune erbringen, hätten Dienstleistungen nach diesen
ersten Verbesserungen künftig ausgeschrieben werden müssen.
Auch nach diesem Schritt in die richtige Richtung haben wir uns für
weitere Verbesserungen zur Sicherstellung der kommunalen Daseinsvorsorge
eingesetzt. Ergebnis war ein zweiter Schritt, den EU-Kommissar Barnier
mit seinem Vorschlag in der Sitzung des Binnenmarkt-ausschusses des
Europäischen Parlamentes am 21. Februar gegangen ist. Nunmehr kann mit
Blick auf die erwähnte 20-Prozent-Grenze bei einem mehrspartigen
Stadtwerk die Wasserver-sorgung getrennt von anderen Sparten wie
Elektrizität oder Abfallentsorgung betrachtet werden (bei getrennter
Buchführung). Das bedeutet, dass die Wasserversorgung nur dann
ausgeschrieben werden müsste, wenn ein teilprivatisiertes kommunales
Unternehmen mehr als ein Fünftel seiner Wassersparte außerhalb der
eigenen Kommune betreibt. Bei Wasser-zweckverbänden und Nachbargemeinden
sollen die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in
Deutschland berücksichtigt werden. Zudem soll mit Blick auf die
historisch gewachsene Situation der kommunalen Wasserversorgung in
Deutschland in einer Eingangs-klausel klargestellt werden, dass Wasser
ein öffentliches Gut darstellt und das Ziel der Richtlinie nicht die
Privatisierung der Wasserversorgung ist.
Während wir intensiv an einer Lösung in der Sache arbeiten, hat die
Opposition am 28. Februar mit populistischen Anträgen im Plenum
versucht, politischen Profit aus den schwierigen Verhandlungen zu
schlagen. Das erwähnte Einlenken der Kommission wird in den zur
Abstimmung gestellten Anträgen der Opposition überhaupt nicht oder nur
unzureichend gewürdigt und dies, obwohl deren Vertreter im Europäischen
Parlament angekündigt hatten, zu einer Versachlichung der Diskussion
beitragen zu wollen.
Die CSU und die CSU-Landesgruppe setzen sich seit Jahren konsequent für
die kommunale Versorgungsstruktur in Deutschland ein. So haben wir uns
-- im Gegensatz zur der Opposition - bereits bei den Verhandlungen zum
Vertrag von Lissabon im Jahr 2007 für den Erhalt der kommunalen
Versorgungsstruktur und die öffentliche Daseinsvorsorge in kommunaler
Hand stark gemacht. Insbesondere SPD und GRÜNE haben sich seinerzeit für
eine stärkere Kompetenzverlagerung nach Brüssel auf diesem Gebiet
ausgesprochen. Es ist an Populismus kaum zu überbieten, dass sich gerade
diese Parteien jetzt hinstellen und so tun, als würden sie die kommunale
Wasserversorgung retten wollen.
Der CSU-Landesgruppe und der gesamten Unionsfraktion ist es dagegen
wichtig, weiterhin mit der Europäischen Kommission im Gespräch zu
bleiben und nach praktikablen Lösungen zu suchen. Das hindert uns nicht
daran, uns weiterhin für eine Herausnahme des Wassersektors einzusetzen
und genauestens darauf zu achten, dass die Kommission den Worten auch
Taten folgen lässt. Erst in der vergangenen Woche hat sich die Spitze
der CSU-Landesgruppepersönlich in Gesprächen bei Kommissionspräsident
Barroso und mit Kommissar Barnier in diesem Sinne eingesetzt. Hierbei
hat Kommissar Barnier versichert, er werde einem Abschluss der derzeit
geführten so genannten Trilog-Verhandlungen nicht zustimmen, wenn sich
im Ergebnis nicht seine im Binnenmarktausschuss gemachten Zusagen
wiederfänden.
Die Bereitstellung von qualitativ hochwertigem und bezahlbarem Wasser
zählt für uns in Bayern zu den vorrangigsten Aufgaben der kommunalen
Selbstverwaltung. Dies soll und wird auch in Zukunft so bleiben. Bei der
EU-Richtlinie, bei der es sich nicht um eine Entscheidung des
Bundestages handelt, sondern ausschließlich der EU-Kommission, können
nur in Brüssel und im konstruktiven Zusammenwirken mit allen beteiligten
Akteuren erreicht werden.
Ich werde weiterhin in aller Entschiedenheit und mit allen Beteiligten
an einer sachorientierten Lösung zum Erhalt unserer bewährten
Wasserversorgung zusammenarbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller MdB