Frage an Stefan Müller von Raimund G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
mit großem Interesse habe ich den Artikel http://gutjahr.biz/2013/02/lobbyplag/ von Richard Gutjahr gelesen. Die darin dargestellten Sachverhalte über den parlamentarischen Alltag sind sehr aufschlussreich. Diese Erkenntnisse verfestigen meine Angst vor und den Ärger über zunehmenden Gewerbe-/Industrie-Lobbyismus, welcher dazu führt, dass weitgehend nur noch die Interessen von Unternehmen und Gewerbe-/Industrieverbänden Gehör im Gesetzgebungsverfahren finden.
Ich denke, dass viele von „uns aus dem Volk“ die aktuelle Situation mit Besorgnis verfolgen und sich mittlerweile wünschen, dass neben den etablierten Parteien eine starke (alternative) Struktur der Interessensvertretung der Bürgerschaft auftritt, um Gesetze zum Schutz und zum Wohl der Bürger zu etablieren. Dies würde dem sozialen Frieden in unserem Land und unserem Kontinent zugute kommen. Ich bin gespannt, welche Kräfte hierbei aus der zunehmenden Vernetzung durch das Internet erwachsen...
Ich würde mich freuen, wenn Sie hier ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema Lobbyismus preisgeben würden. Welche Konsequenzen hat die Erkenntnis, dass („weite“) Teile der Bevölkerung sich durch die etablierte Politik nicht mehr ausreichend vertreten fühlt? Sollten Volksvertreter deutlicher und öffentlichkeitswirksamer darlegen (und belegen!), welche Meinung sie zu einzelnen Sachthemen vertreten, auf welchen Quellen ihre Meinungsfindung basiert und warum dies speziell den Bürgern nützt?
Welche Möglichkeiten hat die Bürgerschaft, um neben den mächtigen Gewerbe- und Industrieverbänden genügend Gehör im Rahmen der Gesetzgebung zu finden (nicht nur periodisch vor/nach Legislaturperioden)?
Strukturen zur effektiven Information und Beteiligung der Bevölkerung ließen sich im WWW sicherlich etablieren. Erste erfreuliche Schritte, wie „Lobbyplag“, sind bereits zu erkennen.
Es grüßt Sie freundlich
und gespannt auf eine Antwort
Raimund Gunzelmann
Sehr geehrter Herr Gunzelmann,
Ihre Frage unterstellt, dass Sie alles, was Herr Gutjahr in seinem Artikel schreibt und vertritt, für absolut zutreffend und wahr halten. Das steht Ihnen selbstverständlich zu. Für meine Teil habe ich gelernt, alles kritisch zu hinterfragen, was in Zeitungen oder im Internet steht und mir eine eigene Meinung zu bilden. Ich kenne weder Herrn Gutjahr, noch kann ich aus der parlamentarischen Praxis das von ihm Beschriebene bestätigen. Gehen Sie bitte davon aus, dass ich mich nicht von Lobbyisten beeinflussen lasse.
Ihre Kritik am parlamentarischen System unseres Landes nehme ich überaus Ernst, auch wen ich Ihren Lösungsansatz nicht teile. Demokratie lebt bekanntermaßen vom mitmachen und nicht davon zu hoffen, dass irgendwann von irgendwoher irgendjemand kommt und plötzlich alles besser wird. Ihrer Frage entnehmen ich, dass Sie für sich in Anspruch nehmen, für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und "für das Volk" zu sprechen. Auch dieses dürfen Sie gern tun, dennoch halte ich es für reichlich gewagt. Eine einheitliche Politik für das ganze Volk setzt voraus, dass es eine einheitliche Meinung im Volk gibt, der die Politik folgen kann. Allein die Tatsache, dass die Menschen unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Programmen wählen zeigt, dass es diese einheitliche Volksmeinung nicht gibt. Politische Entscheidungen sind also eine Frage der Mehrheit und keine Frage von 100 Prozent Zustimmung.
Deutschland ist ein großartiges Land, in dem es sich zu leben lohnt. Gerade die derzeitigen Schwierigkeiten in Europa und der Welt zeigen, dass wir mit Dankbarkeit hier leben sollten. Wir haben ein soziales Netzt, um das uns viele andere Länder beneiden, wir haben einen Arbeitsmarkt und eine wirtschaftliche Lage, die besser ist, als wir es uns selbst noch vor kurzer Zeit vorstellen konnten. Und wir haben eine politische Stabilität, die es selbst in Europa nicht in allen Ländern gibt. Es gibt für jeden der es wünscht, zahlreiche Möglichkeiten der politischen Mitwirkung. Wenn Sie der Auffassung sind, dass Deutschland einen falschen Weg geht, engagieren Sie sich und werden Sie Teil der Veränderung.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller